Die beiden anderen sahen zu, wie Parnuk das Gold freilegte.
„Würdest du dich nicht so tief bücken, dann würde dein Magen auch nicht am Boden schleifen“, spottete der andere Schürfer. Er sah, wie Parnuks Gesicht sich rötete, und machte rasch eine entschuldigende Geste.
Sie waren alle gereizt, und es war tatsächlich höchste Zeit, die Öde zu verlassen. Im Land eines vergangenen Volkes zu arbeiten, war nicht nach dem Geschmack des kleinen Volkes.
Auch an anderen Stellen wurde gegraben und Gold gefördert. Es lag hier ungewöhnlich dicht unter der Oberfläche, und es war leicht, es zu schürfen. Leichter, als einen Gang durch hartes Felsgestein zu treiben. Dennoch, jeder der Schürfer hätte das tote Land der Öde gerne gegen ein Stück heimatlichen Felsgesteins getauscht.
Vielleicht war dies der Grund, warum man bei der Errichtung des provisorischen Lagers mehr Aufwand betrieben hatte, als erforderlich gewesen wäre. Die Zwerge benötigten vor allem Schutz vor den gefährlichen Eisregen und Stürmen. Ein gut befestigter Unterstand hätte hierzu ausgereicht, doch das hätte dem handwerklichen Geschick und Stolz des kleinen Volkes nicht entsprochen.
Das meiste Material hatte ihnen die Öde selbst geliefert, auch wenn das Gold in einer der unwirtlichen Gegenden lag. Es gab Büsche und sogar einige Bäume, die den Zwergen als Feuerholz dienten, und es gab Steine und Felsen im Übermaß. Niemand beherrschte die Arbeit eines Steinmetzen so gut wie ein Zwerg, und innerhalb kürzester Zeit hatten die fleißigen Wesen ein zweckmäßiges Lager errichtet.
Es besaß die Grundform eines gleichseitigen Fünfecks. Die Zwerge liebten diese Form, und wann immer sie die Möglichkeit hatten, wandten sie diese an. Ob in den Kristallsegmenten ihrer Städtekuppeln, den Säulen, welche die Decken ihrer Höhlen und Stollen stützen, den Gängen oder den Bodenplatten, in allem fand sich das Fünfeck wieder. Selbst ihre Schilde und die Schneiden ihrer Äxte waren fünfseitig.
Das Lager wurde von einer Mauer umgeben, die einem Menschen bis zum Bauchnabel gereicht hätte und es einem Zwerg ermöglichte, gerade noch über die Oberkante hinweg zu sehen. An den Eckpunkten des Fünfecks standen Säulen, auf denen breite Auflagen befestigt waren. Was dann folgte, glich den Kuppeln der Zwergenstädte, auch wenn statt fünfeckiger Kristallplatten Stein verarbeitet worden war. Der Bau wirkte kompakt und stabil, und die Zwerge waren zuversichtlich, dass er vor einem Eisregen schützen würde. Sie unterschätzten diese Gefahr nicht, denn vor einem knappen Jahr war eine Streifschar der Pferdelords von einem solchen Regen überrascht worden. Es hatte zwei Tote und mehre Verletzte gegeben. Wenn die Zwerge schon kein schützendes Höhlendach über sich hatten, so wollten sie doch den bestmöglichen Schutz genießen, und dafür hatten sie gesorgt. Die Steinplatten der Kuppel waren so ineinandergefügt, dass sie sich gegenseitig abstützten und einem Bombardement aus Eisgeschossen standhalten sollten.
Das Innere des Lagers bestand aus einem einzigen Raum. In der Mitte eine große Feuerstelle, außen, entlang der Wände, die Schlafstätten. In der Nähe der Schürfstelle verlief ein kleiner Bach, sodass es genug Trinkwasser gab. Neben dem Eingang des Lagers waren Brennholz und die bisherige Ausbeute der Schürfer gestapelt. Eine Aussichtsplattform erhob sich auf mehreren Streben über die Kuppel und bot den Wachen guten Ausblick über das umgebende Land.
Maratuk blickte zu dieser Plattform hinauf und nickte zufrieden, als er bemerkte, dass der Posten aufmerksam war. Der erfahrene Axtschläger hatte in den vergangenen Monden nichts entdecken können, das für die Zwerge eine Gefahr bedeutet hätte. Die Felsböcke mieden die Nähe des Lagers, nachdem einige von ihnen in den Mägen der kleinen Herren gelandet waren. Dennoch wiegte sich Maratuk nicht in Sicherheit. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl einer möglichen Gefahr, doch sein langes Leben hatte ihn gelehrt, auf seine Instinkte zu vertrauen.
Er nickte den Schürfern zu und ging zu dem Turm hinüber.
„Etwas zu sehen?“, rief er hinauf.
Der Axtschläger oben beugte sich ein wenig vor und stütze sich dabei auf eine der hölzernen Streben. „Natürlich. Jede Menge fleißiger Schürfer.“
Maratuk nickte. „Halte dennoch die Augen offen.“
Die Wache zuckte die breiten Schultern. „Dies ist die Öde, Maratuk, da werde ich meine Augen schon offen halten. Kannst du es riechen?“
„Was soll ich riechen?“
Der andere wies über das Land. „Schnee. Heute zur Nachtwende wird er fallen.“
Maratuk sog prüfend die Luft ein. „Du hast recht. Nun, der Winter ist nahe. Gut, dass wir hier bald fertig sind und wieder nach Nal´t´hanas zurückkehren können. Gib den Männern das Zeichen, damit sie das Tagwerk beenden. Wir sollten uns auf die Nacht vorbereiten.“
Der Posten nickte und stieß einen schrillen Pfiff aus. Wenig später begannen sich die Schürfer mit ihren Werkzeugen und der Tagesausbeute am Lager zu versammeln. Bevor es an die Zubereitung des Mahls ging, setzten sich die Schürfer zusammen und überprüften ihre Werkzeuge. Wo eine Hacke stumpf geworden war, wurde sie sorgfältig nachgearbeitet, der Sitz des Stiels auf seine Festigkeit überprüft.
„Felsbockeintopf“, seufzte Parnuk, als er den Deckel des Kessels anhob. „Mir hängt er schon zum Halse heraus, der Felsbockeintopf.“
Dermus, einer der anderen Schürfer, lachte auf. „Ich kann mich entsinnen, wie sehr du dich auf Felsbock gefreut hast, als wir in die Öde kamen. Damals hing dir der Pilzbrei zum Halse heraus.“
„Wenn man drei Monde fast nur dasselbe in den Bauch bekommt, dann braucht man viel Kraft, um es noch herunterzuwürgen“, erwiderte Parnuk. Er sah sich im Kreis der anderen um. „Hat noch jemand eine Krume Brot übrig?“
„Nur etwas Käse“, gestand einer. „Du wirst allerdings deinen Meißel benötigen, um ihn zu zerlegen. Er gewinnt im Alter an Geschmack, jedoch auch an Härte.“
Parnuk trat seinen Anteil am Eintopf ab, und das Stück Käse wechselte seinen Besitzer.
Die Männer aßen schweigend. In der Zeit nach der Ankunft in der Öde hatten sie oft miteinander geplaudert und gescherzt, aber die Eintönigkeit und das fremde Land stumpften ihre Sinne ab. Die zehn Axtschläger legten fest, wer in dieser Nacht die Wache halten würde, dann begaben sich die übrigen zur Ruhe. Einer relativen Ruhe, denn selbst die Wache auf ihrem erhöhten und einsamen Posten konnte das Schnarchen einiger der Schläfer hören.
Mit dem ersten Sonnenlicht erhoben sich die Zwerge und traten aus dem Lager, um sich am nahen Bach den Schlaf aus den Augen zu reiben.
Maratuk zog fröstelnd die Schultern zusammen. „Verdammt, es hat tatsächlich geschneit.“
Der Mann, der ihm dies prophezeit hatte, nickte. „Wie ich es gesagt habe. Allerdings hätte ich nicht geglaubt, dass so viel davon fallen würde. Er liegt eine gute Handspanne hoch.“
Einer der Schürfer fluchte leise. „In der Kälte zu arbeiten, das macht mir nichts aus. Bewegung hält warm, wie ihr wisst. Aber der Schnee ist schlecht. Da werden wir nasse und klamme Finger bekommen.“
„Wickelt ein paar Tuchstreifen um die Hände“, riet Maratuk. „Das wird helfen.“
Es war an der Zeit, wieder nach Süden aufzubrechen. Maratuk war froh, dass sie das Lager bald abbrechen konnten. Er hatte den Winter nie besonders gemocht. In den Höhlen der Zwerge war man von den Jahreszeiten unabhängig, wenn man davon absah, dass Lichtsäulen und Luftschächte im Winter sorgsam von Schnee und Eis befreit werden mussten. Doch das war eine Angelegenheit von wenigen Zehnteltagen, und danach konnte man in die Geborgenheit der Berge zurückkehren.
Wie jeden Morgen machte der Axtschläger seine Runde um das Lager. Manchmal fand man die Spur eines Felsbocks, und dann konnte es sich lohnen, einen Jagdtrupp hinauszuschicken. Raubtiere hatten die Zwerge bislang noch nicht gesichtet und auch keine Fährten von ihnen entdeckt. Maratuk erwartete also keine Überraschungen, als er seinen Gewohnheiten nachging. Als erfahrener Jäger achtete er normalerweise darauf, ob etwas seinen Abdruck in weicherem