„So, so, jetzt hältst du mich auch noch für deinen Gedankenleser?“
„Mit absoluter Sicherheit nicht! Die wirst du nie erraten! Aber ich kann deine lesen! Du solltest mal schnell eine von diesen Zitronen kommen lassen, die uns diese Mauren mitgebracht.“
„Aha, und was soll ich damit?“
„Die sollst du umgehend komplett auffressen!“
„Ich habe aber keine Verdauungsprobleme!“
„Darum geht es mir auch nicht!“
„Was soll die Zitrone denn dann bewirken?“
„Die soll dir altem Heuchler den gierigen Blick aus deinen Augen vertreiben, der die seit gestern trübt!“ Brüllte es laut heraus und wälzte sich vor Lachen.
„Ha, Ha, ich wusste es ja! Du würdest mir den Streich mit den Schwertern heimzahlen. Na gut, jetzt sind wir mal wieder quitt, und jetzt sprichst du gefälligst Klartext mit deinem armen König. Der ist es nämlich leid, wenn du um den Brei herumredest, um ihm hinterrücks die Würmer aus den Nase zu ziehen!“
Der Graf fasste sich wieder.
„Na ja, wir haben beide gesehen, erlebt - und beide dasselbe gedacht. Fast fünf Jahre haben wir uns mit den Sachsen herumgeschlagen. Jetzt haben wir deren Land, und sonst nichts! Da kommen diese Mauren daher. So wie die hier auftreten, zeigen sie uns ein Land wo Gold und Silber, Seide und kostbares Gewürz in Bergen herumliegen müssen. Da braucht nur ein Franke zu kommen, zuzugreifen, und das alles gehört ihm. Ich glaube ich kenne diesen Franken!“
„Glaub ich kenn den auch!“
„Na also, na endlich! Jetzt sind wir uns einig. Die „Hilfstruppe“ wird die da unten mächtig überraschen – die wird so ungefähr das halbe Frankenheer umfassen.“
„Genau, aber bitte jetzt kein Wort mehr darüber. Horch deinen neuen Kumpel, diesen Abdallah so gründlich aus, wie du kannst, aber unauffällig!“
„Na hör mal – willst du mich beleidigen?“
„Ka-watsch, ich kenn dich doch. Nein, du musst auch dein braunes Mädchen aushorchen lassen. Ich lass dasselbe mit den meinigen tun. Setz noch ein paar clevere Horcher auf das Gefolge an. Vielleicht gelingt es dir glücklichem, weil gerade frauenlosen Weiberhelden ja, diese blonde Germanin dem Abdallah abzuschwatzen. Die und meine drei Negermädchen lassen wir vorsichtshalber mal bei Seite. Die können wir in Aachen ergänzend den ganzen Winter hindurch ausquetschen. Auf und ans Werk – aber alles unter der Grasnarbe!“
Grinsend rieb sich Karl die Hände. Dann langten beide gleichzeitig über den Tisch und schlugen ein.
Zwei schlitzohrige Spießgesellen, die einander Wert waren.
4. Kapitel: Königshofspiele
Nach dem erfolgreichen Auftritt der Mauren vor dem Thron des Königs Karl kehrte der normale Alltag an die Pader zurück, nur viel lebendiger. Es summte auf und um den Hof. Haargenau mussten die Männer, die dabei gewesen, ihren Frauen alle Einzelheiten berichten. Bald darauf schwirrte die Gerüchteküche über. Die Damen unter sich, das Gesinde ebenso, ließ nun Eingeweihte nacherzählen, was andere tatsächlich erlebt. Naturgemäß kamen da immer andere und neuere Einzelheiten in Umlauf, und vieles wurde frei dazu erfunden.
In unregelmäßigen Abständen trafen die weiteren Teilnehmer am Reichstag ein. Der Zustrom schwoll von Tag zu Tag. Auf den Wiesen und Weiden um den Königshof und unter den Eichen drum herum, schoss ein ausgedehntes Zeltlager in die Breite. Ferner umgeben vom schützenden Zeltring des Heeres.
Die Schweineherde, die sonst den Eichenwald dominierte, schrumpfte abseits ihrem Untergang entgegen. Der Haushofmeier des Königs erteilte in dessen Namen Befehle. Der Hofmeier bellte sie seinen Knechten und Sklaven zu. Die wussten bald nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand, den kürzlich erst das geweihte Wasser benetzt. Immer mehr hungrige Mäuler mussten gestopft werden. Das Problem lag nicht in der Beschaffung sondern in der Zubereitung.
Nur wenige Kilometer südlich, hinter dem Salzdörfchen Salzkotten, begannen die endlosen Urwälder, die auch im Norden und Osten das gebirgige Land der Suder-Berge bedeckten. Jeden Morgen bliesen die Hörner zur Jagd. In der letzten Stunde Dunkelheit ließ der Jagdmeier des Königs die Hundertschaft der königlichen Leibwache in die Wildnis vorausreiten. Zusammen mit allen am Hofe entbehrlichen Sklaven und Knechten, ergänzt durch einige Hundertschaften der Krieger drangen sie tief in den Wald. In einer ausgedehnten Umfassung drückten sie das Wild der offenen Hochfläche zu. Dort ritt am Vormittag der König mit seinen Gästen auf. Die wilde Jagd begann. Jeder nahm sich eines der auftauchenden Tiere vor und verfolgte es. Mit dem langen Jagdspieß wurden vom Pferderücken aus Bären und Sauen, Hirsche und Rehe erlegt.
Hasen, Waldhühner und das andere Niederwild blieben den Damen. Ihre Falkner hielten ihnen die Jagdvögel einsatzbereit. Es gab Spaß ohne Ende. Am ersten Tag ihrer Teilnahme auch auf Kosten der Chassas. Ihre Pferde waren die wilden Bären und Eber nicht gewöhnt, brachen aus und ließen purzeln. Karl riet ihnen, ihre edlen Araberhengste im Korral beim Hof zu belassen. Die Gäule aus seinem Bestand verstanden sich auf Wildschwein und Co. Hatte der Reiter in der ersten Runde versagt, sicherte ein kräftiger Tritt des Pferdes die Beute. Zumindest so lange, bis der Reiter die zweite Runde gewann. Am späten Nachmittag schwankten die Karren hochbeladen zum Hofe. Die ganze Nacht hindurch, bei Fackelschein und Feuern, verarbeiteten Mägde und Sklavinnen die Beute, die nicht schon beim Abendbankett in hungrige Mägen gewandert war. Während des Reichstages herrschte an Karls Hof die Völlerei!
Bei einem dieser Jagdausflüge ging es der Abwechslung halber mal ohne Treiber tief in den Süden. Der Wildbestand in den Wäldern an der Pader hatte sich verringert. Die Hofgesellschaft musste für ihr Vergnügen weiter ausholen. Diesmal eher Picknick-Ausflug denn Hetzjagd. Der Jägermeier hatte eine ausgedehnte, weite Mulde im Wald gefunden. Eine Idylle, lieblich von der Alme durchrauscht. Er kannte seinen Herrn und hatte richtig spekuliert.
„Hier kommt ein Kloster hin!“ rief der Überraschte. Nicht weil er den feierlichen Gesängen der Mönche von Buranon den Weg ebnen wollte. Ein Kloster allein konnte als Stützpunkt einer ausgedehnten Jagd dienen, und dem Königsgefolge Nachtlager und Verköstigung garantieren. Das Jagdschloss war noch nicht erfunden.
Die Würdenträger des Reiches, auf sich selbst ärgerlich, weil durch bequem gemächliches Reisen das Interessanteste versäumt, ließen sich nun eingehend informieren. Die exotischen Mauren in ihrer Prunkkleidung waren ohnehin nicht zu übersehen und fanden stets Beachtung, wo immer sie in Erscheinung traten. Allabendlich zum Beispiel an des Königs Tafel. Wegen des zu kleinen Saales konnte Karl nur weniger als hundert Teilnehmer bewirten lassen. Daher wechselte die Schar der abends geladenen Gäste. Jeder Edelmann und jeder Würdenträger wollte mal dabei gewesen sein. Nur die höchsten Herren des Reiches und Karls engste Regierung - und natürlich die vier maurischen Chassas - nahmen immer teil. Von den Damen war nur die Königin mit ihrem Hofstaat zugelassen.
Vor der Wand gegenüber dem Eingang gab es eine kleine Empore. Auf der saß Karl im Thronsessel. Dadurch schwebte er einen halben Meter höher, als seine Gäste in den Tischreihen vor und unterhalb von ihm. Links von ihm die Königin mit ihren vornehmsten Damen. Rechts von ihm die Großen des Reiches und die Mauren. Vorn, am Rand der Empore, verlief eine niedere durchgehende Tischbank, Couchtischformat. Die trennte sie vom Saal und trug Pokale und Speisen. Davor gab es den einzigen freien Raum, die Bühne für das königliche Reichstagsvergnügen.
Denn nach dem formalen Dinner kam der unterhaltsame Teil. Statt eines Fernsehabends bot Karls Haushofmeier eine Art Varieté´. Eine fast ebenso große Zahl an fahrendem Volk war herbeigeströmt. Es lagerte mit seinen Karren und Zelten, mit Zug- und Reittieren in einem Lager weiter westlich. Die Damen vom horizontalen Gewerbe brauchten nach Kundschaft nicht zu suchen. So wie bei Markgraf Roland blieben die meisten Frauen dem Reichstag fern. Nicht weil dieser ausschließlich eine Männerunterhaltung war. Das war er in der Tat. Die Frauen der Franken kannten weder Gleichberechtigung noch Emanzipation. Bis zur Drucklegung der ersten „Emma“ war es noch weit. Nein, die überwiegende Mehrzahl der