Klarerweise stellt sich hier jede intelligente Person die Frage, wie ich mit ihm zusammen gekommen und warum um alles in der Welt ich noch mit diesem Mann zusammen war, der mir so offensichtlich nicht gut tat. Glauben Sie mir, ich habe mir diese Frage selbst gestellt und die wenig schmeichelhafte Antwort war: Zusammengekommen waren wir, weil ich wieder einmal ein Opfer meiner eigenen Muster geworden war und noch immer zusammen waren wir aus Bequemlichkeit und der Angst vor dem Alleinsein. Man gewöhnt sich zu schnell an die Anwesenheit einer anderen Person. Selbst, wenn es diese Person irgendwie darauf anzulegen scheint, einen in den Wahnsinn zu treiben.
Was aber brachte das Fass letztendlich zum Überlaufen und mich zur Besinnung?
In meinem Fall war es eigentlich eine Kleinigkeit (aber ist es das nicht immer?). Ich hatte einen schon älteren, wunderschönen, dreieckigen Wohnzimmertisch aus Buchenholz. Ein nicht alltägliches Stück mit einer ebenso dreieckigen Glasplatte in der Mitte. Wie an allem, nagte auch an ihm der Zahn der Zeit und es erfüllte mich mit ein wenig Kummer. Oft schon dachte ich darüber nach, ihn abzuschleifen und neu zu lackieren, aber ich scheiterte – raten Sie! – an eingebildetem Zeitmangel und meiner inneren Abneigung, Hilfe für dieses Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Eines schönes Abends dachte ich wieder einmal laut über mein Vorhaben nach, was bei – nennen wir ihn einfach D – zu einem spontanen Begeisterungsausbruch führte.
„Super Idee! Das wär doch wieder einmal was, das wir gemeinsam machen könnten!“
Um ehrlich zu sein, war ich etwas überrascht. Der Mann machte sich nicht gern die Hände schmutzig. Sie sollten einmal sein Badezimmer sehen! Oh, natürlich, ich verstehe, putzen ist etwas Anderes.
Nun, ich versuchte also, die Termine von drei Personen unter einen Hut zu bringen. Drei deshalb, weil ich mich letztendlich durchgerungen hatte, einen lieben Freund, seines Zeichens Tischlermeister mit einer eigenen Werkstatt, um seine Expertise zu bitten. Rudi und ich hatten auch schnell ein Wochenende im Auge, an dem er mir persönlich und mit seinem Werkzeug zur Seite stehen konnte, D jedoch fand eine Ausrede nach der anderen: Einmal war es ein „spontanes“ Treffen mit Freunden, dann wollte er lieber ins Kino gehen, wieder ein anderes Mal war er zu müde, weil seine Arbeitswoche ihn „physisch so ausgelaugt hätte“ – der Mann hatte einen Bürojob, um Himmels Willen! Und jedes Mal sah er mich treuherzig an und fragte, ob es für mich in Ordnung war, wenn wir die Renovierung meines Wohnzimmertisches verschieben könnten, weil „er wolle ja soooo gern dabei sein“.
Nachdem ich also Rudi drei Mal abgesagt und zu den Eskapaden meines Freundes geschwiegen hatte, trank ich inzwischen zwei Liter Käsepappeltee am Tag, um meine aufflammende Gastritis in den Griff zu bekommen, ganz zu schweigen von den unzähligen Thomapyrin, die ihren Weg in meinen Organismus gefunden hatten, um meinen schmerzenden Schädel zu beruhigen.
Eines schönen Morgens wachte ich auf und fand mich überrascht in einem Zustand wieder, den ich nur als „beinahe erleuchtet“ beschreiben konnte. Das mit D und mir hatte keine Zukunft, in vielerlei Hinsicht, genauso wenig, wie abzuwarten, dass sich der Beste dazu durchrang, endlich seinen Hintern in Bewegung zu setzen und bei meiner „Ich renoviere meinen Wohnzimmertisch“-Aktion mitzumachen. Ich beschloss, meinem Wohnzimmertisch und mir noch eine Chance zu geben, fragte meinen befreundeten Tischler ein letztes Mal schüchtern um einen Termin und zuckte mit keiner Wimper, als D wieder etwas Besseres vorhatte. Weder wunderte es mich, noch juckte es mich am Hinterteil, als er mir am Donnerstagabend freudestrahlend eröffnete, dass einer seiner Freunde eine Radtour geplant hatte und er mitfahren wollte. Stattdessen schluckte ich eine Bemerkung, die sinngemäß widergegeben hätte, dass dies wohl auch die einzige Gelegenheit sei, bei der er seinen Hintern auf ein Rad schwünge, zu einem anderen Behufe, als zur Arbeit zu fahren. Selbst planen, selbst organisieren und ausführen, was mit seinem Job nichts zu tun hat, war des Aufwandes zu viel und … Lassen wir das.
Wie gesagt, es flanierte mir inzwischen an der Avenue du derrière vorbei, so hatte ich freie Hände und Ellenbogen. Rudi lachte schallend, als ich ihm am Telephon davon erzählte.
„Mädel, der Typ tut dir echt nicht gut!“
„Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß“, grummelte ich.
„Ich hol dich am Samstag um Neun ab“, lachte er, bevor er auflegte.
An diesem Samstag überlegte ich ernsthaft, ob ich das Richtige gelernt hatte. Es hat total Spaß gemacht, mit der Schleifmaschine zu arbeiten! Natürlich wollte Rudi vermeiden, dass ich mich verletze, aber er hatte auch Vertrauen in meine Fähigkeiten und mit ein bißchen Hilfe wurde ich in wenigen Stunden zur Königin der Schleifmaschine! Haha, nimm das! Dann noch die eine oder andere Schicht Lack und des Abends saßen wir beide bei mir, bei belegten Broten und ein paar Bier und sahen uns Zeichentrick-DVDs an. Auch etwas, das wir gemeinsam hatten, wir mochten beide Cartoons und ich hatte Rudi gern um mich, mit seiner ruhigen, unprätentiösen Art.
Am Sonntagabend konnte ich mein Tischlein im neuen Glanze wieder in mein Wohnzimmer stellen. Hach, diese Freude!
Meine stillverzückte Versunkenheit wurde von einem Anruf meines Freundes unterbrochen, der sich von der Radtour zurückmeldete und sich beschwerte, dass ihm seine Knie weh täten, weil sein Freund den Sattel seines Rades falsch eingestellt hätte.
„Und? Was soll ich jetzt tun? Gerald anrufen und ihn schimpfen?“ fragte ich spitz. Ich hatte dieses Gemaule so satt, vor allem weil er das scheinbar nur bei mir machte und von mir zu erwarten schien, dass ich jetzt meinen Zauberstab auspackte und auf wundersame Weise wieder alles ins rechte Lot brachte. War mein zweiter Vorname Hermine?!
„Du bist alt genug, du hättest deinen Sattel auch selbst einstellen können“, fügte ich trocken hinzu.
Am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Schweigen.
„Ja, wie auch immer … kommst du vorbei?“
Wozu? Um mir anzuhören, wie weh ihm die Knie taten? Oder um Krankenschwester zu spielen? Nein, danke, keine Lust.
„Mmm, nö“, sagte ich gut gelaunt, „Ich hab heute noch was vor.“
„Was hast du denn heut noch vor?“ Oh, die Überraschung war unüberhörbar! Scheinbar hatte er erwartet, dass ich zu Hause saß und seiner Heimkehr harrte! Ätsch, nix da.
„Oh, Mist, so spät schon! Ich muß los! Ciao, ciao!“ flötete ich in den Hörer und legte auf.
Zufrieden pflanzte ich meinen Hintern auf die Couch, meine Füße auf meinen frisch renovierten Wohnzimmertisch, futterte Chips und sah mir „Armageddon“ im Telewischer an (eines der Filmplakate hätte lauten können: Nie wieder Beziehungsstreß, versprochen!).
Scheinbar hatte meine Taktik bei D eine Art Alarm in Gang gesetzt, denn am nächsten Tag, kaum, dass ich von der Arbeit nach Hause gekommen war, läutete das Handy und er schnurrte mich an, ob ich ihn heute sehen wollte. Meinetwegen, seufzte die innere Stimme und tatsächlich stand er keine halbe Stunde später vor der Tür, lächelnd und gurrend, wie Valentino. Diese Masche kannte ich schon, so benahm er sich, wenn er Sex wollte. Auch recht, denn bekommen würde er ihn nicht, nicht von mir, nicht heute.
Als D mein Tischlein im neuen Kleide erblickte, erstarben Lächeln und Gurren, er runzelte die Stirn, setzte sein „Ich bin so arm, weil keiner auf mich Rücksicht nimmt!“-Gesicht auf, verzog den Mund und maulte: „Ich wollte doch dabei sein! Immer lässt du mich außen vor, wenn du etwas mit deinen Freunden machst!“
Im ersten Moment holte ich vor Fassungslosigkeit tief Luft, dann entschied ich mich für die ultimative Antwort, die eigentlich schon lange fällig war: „Weißt was, hupf in Gatsch und schlog a Wöll´n!“ (Für alle, denen das ostösterreichische Idiom nicht so geläufig ist, hier die Übersetzung: Rutsch mir den Buckel runter!).
Seine Erwiderung war Sprachlosigkeit. Ich gab ihm keine Erklärung, es gab keine Entschuldigung, kein gar nichts, außer einem Rauswurf.