Elsa Mason
Kalte Schatten
Ein Psychothriller
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Inhaltsverzeichnis
Kalte Schatten
Ein Roman von Elsa Mason
Umschlaggestaltung und Satz Carl-Peter Fehringer
Copyright © November 2013 S. Elsa Mason
Dieser Roman ist eine Fiktion. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen sowie realen Geschehnissen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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28. Januar 2012
REGINE
Die Gäste, die hier im Februar auftauchen, kommen wegen der Robben. Ausgerechnet zu einer Jahreszeit, wenn der Wind direkt vom Nordpol über uns hinwegbläst, bekommen die Robben ihre Babys. Zu Hunderten liegen sie am Strand, eine steingraue Masse, die sich beim Näherkommen als Ansammlung wuchtiger Körper entpuppt.
Gestern traf eine Familie mit zwei Teenagern bei uns ein, allesamt Brillenträger, groß und stämmig gebaut. Ich höre sie schon um sieben mit ihren schweren Stiefeln die Treppen herunterpoltern, als sie ihren Rottweiler ausführen. Zuerst hatte ich geglaubt, die Teenager seien ein junges Ehepaar; beinahe hätte ich ihnen das Doppelzimmer statt das mit den Einzelbetten gegeben. Sie lachten sich kaputt und klärten mich auf. Nur die Mutter spricht, laut und ständig. Die Tochter lächelt gequält durch ihre Zahnspange, Vater und Sohn tauschen Blicke aus und schweigen. Wie ich beim Servieren des Frühstücks erfahre, ist der junge Mann ein wahres mathematisches Genie seines Jahrgangs in der Schule. Dafür scheinen seine Emotionen tief im Innern vergraben zu sein.
Neben mir ertönt ein Aufschnarchen, dann wälzt Jo sich auf die andere Seite. Ein Hauch von Weindunst dringt in meine Nase. Er ist spät ins Bett gekommen letzte Nacht, ich werde ihn schlafen lassen. Wenn er einen frühen Termin hat, sollte er sich endlich einmal selbst einen Wecker stellen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er verschläft, aber das ist schließlich nicht meine Sache.
Ich setze mich auf und lausche. Draußen verklingen die Schritte und Stimmen der Gäste, dann herrscht Stille, als sei die Welt in Watte gehüllt. Noch bevor ich hinausschaue, weiß ich, dass es geschneit hat. Rasch ziehe ich mich an und schleiche auf Socken hinunter in die Küche.
Zwei schwarze Wirbelwinde stürzen winselnd auf mich zu. Ihre Körper sind warm und geschmeidig vom Liegen vor dem großen Gasherd, der Seele meiner Küche. Ich hocke mich an die Wand und lasse sie um Körperkontakt mit mir buhlen. Meist gewinnt Poppy, weil ihre Tochter Ruby zu rücksichtsvoll ist und sich fortdrängen lässt.
Ein englisches Frühstück läuft zu einer riesigen Mahlzeit auf, wenn Gäste wie die derzeitigen sämtliche Beilagen auf der Liste ankreuzen. Mir ist unbegreiflich, wie manche Leute solche Mengen an Würstchen, gebratenem