Sonwabise ist natürlich ein wenig enttäuscht, dass wir unsere Geschichte bereits im Kasten haben, als sie endlich ankommt. Aber als Trainerin findet sie ja immerhin auch Anerkennung und Andiswa macht noch ein paar Fotos, auf denen Sonwabise mit ihren drei jungen Spielerinnen posiert. Und so werden wir auch von ihr ganz herzlich auf dem Sportplatz des Football-for-Hope-Centres verabschiedet.
Natürlich biete ich Andiswa an, sie nach Hause zu fahren. Ich hoffe, im Auto auf ein mehr privateres Gespräch wechseln zu können und hatte mich in den Tagen zuvor schon gefragt, wie ich es am besten anfange, sie zu einer privaten Verabredung einzuladen. Und wie soll diese Verabredung aussehen? Vielleicht beim ersten Mal etwas Kulturelles? Aber da kann ich natürlich ganz leicht in die Falle tappen. Welche Art von Event wird eine junge Xhosa wohl interessieren? Ich habe vorausgeplant und eine meiner südafrikanischen Lieblings-CDs im Auto deponiert und schiebe sie nun in den CD-Spieler. Die Band Freshlyground singt: ,Be my love – when the fire is low, when the fire is low …’
„Ah, du magst ihre Musik? Viele Weiße hören diese Lieder gerne, obwohl sie zum Teil auf Xhosa gesungen sind und sie natürlich nicht wissen, worum es in den Liedern eigentlich geht!“
Andiswa schmunzelt bei ihrer Erklärung, aber sie scheint das nicht als Vorwurf zu meinen, sondern findet es wohl eher unverständig, wie man sich Musik anhören kann, deren Text man nicht versteht. Wenn ich mir allerdings die deutschen Charts ansehe, zweifele ich häufig auch daran, dass die deutschen Fans die englischen Texte verstehen.
„Aber Zolani, die Sängerin, ist für mich ein echtes Vorbild. Sie ist auch in einem Township aufgewachsen und hat es von einer kleinen, unbekannten Schauspielerin bis zum Megastar gebracht. Sie ist heute eine der bekanntesten Frauen des Landes!“
„Stammt sie denn auch aus Khayelitsha, wie du?“
„Nein. Sie ist aus Port Elisabeth. Aber wir haben eine ähnliche Geschichte. Sie ist auch hauptsächlich von ihrem Vater großgezogen worden, weil die Mutter früh gestorben ist, genau wie bei mir. Meine Mama ist bei der Geburt meiner jüngsten Schwester gestorben und mein Papa musste allein klar kommen. Allerdings hat meine älteste Schwester uns ,Kleine’ auch mit erzogen. Zolani hat ein Lied über ihre Familiengeschichte geschrieben – Nomvula – das heißt Regen. Das ist mein Lieblingslied von Freshlyground. Es ist ganz in Xhosa. Wenn du magst, kann ich es dir ja mal übersetzen.“
„Gerne. Und welche Musik hörst du sonst so?“
„Ich steh hauptsächlich auf Rockmusik, Metallica, Korn und so was. Ihr habt doch in Deutschland auch so eine scharfe Band: Rammstein! Deren Texte verstehe ich zwar auch nicht, aber wenn du mir da mal eine CD kopieren könntest, das wäre super!“
Und schon wieder bin ich mehr als überrascht. Mein Gesichtsausdruck scheint mich zu verraten, denn Andiswa lacht laut auf.
„Das hast du wohl nicht erwartet, dass ein schwarzes Mädchen auf solch harte weiße Musik steht! Aber weißt du, das ist hier in Südafrika nichts Ungewöhnliches. Seit dem Ende der Apartheid stehen die Weißen auf die Kultur der Schwarzen und umgekehrt. Da musst du mal einen Psychologen fragen, warum das so ist. Meine absolute Lieblingsband ist aber ,30 Seconds to Mars’. Und das nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen der Videos. Wir haben in der Akademie auch Videokunst als Unterrichtsfach und da habe ich die Band eigentlich erst so richtig kennengelernt. Wenn wir uns das nächste Mal dort treffen, zeige ich dir das Video zum Song ,Up in the Air’. Das ist allerfeinste Videokunst!“
„Gerne. Ehrlich gesagt, kenne ich so gut wie gar nichts von der Band, den Namen habe ich in Deutschland aber zumindest schon gehört. Gibt es denn hier in Südafrika auch Rockmusik, die dir gefällt?“
„Klar doch, meine Favoriten hier sind die Parlotones. Die spielen in zwei Wochen das Abschlusskonzert ihrer Open-Air-Tour im Botanischen Garten hier in Kirstenbosch.“
Diese Band kenne ich natürlich, hatte doch die ARD 2010 ihren Song Come back as heroes zu ihrem WM-Song gemacht. Dadurch wurden die Parlotones auch bei uns in Deutschland bekannt und gingen sogar nach der WM bei uns auf Tour. Ich schaue Andiswa an und verstehe ihren letzten Satz als einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl.
„Ich kann ja mal schauen, ob es noch Tickets gibt. Dann können wir zusammen hingehen. Du bist natürlich eingeladen!“
Ihr strahlendes Gesicht lässt auch mich strahlen. Meine Taktik ist aufgegangen. Ich habe nicht nur ein paar sehr interessante private Dinge von ihr über sie erfahren, sondern sogar noch ein erstes Date in Aussicht – wenn ich denn noch Tickets für das Konzert bekommen sollte.
Als ich sie an der mir schon bekannten Straßenecke aussteigen lasse – mal sehen, wann ich zum ersten Mal bis vor ihr Zuhause fahren darf – fällt mir ein junger Mann auf einem alten deutschen Postfahrrad auf.
„Der transportiert ja Gemüse mit seinem Fahrrad! Wenn das die deutsche Post wüsste, die würde glatt einen Werbefilm mit ihm drehen – über perfektes Recycling ihrer alten Lastenräder.“
„Ja, das ist Thulani, der hat mit dem Fahrrad sein eigenes Business gestartet. Er kauft das Gemüse bei den Township-Farmern von Abalimi Bezekhaya und bringt es den Leuten nach Hause. Er scheint von dem Gewinn, den er dabei macht, ganz gut leben zu können. Wenn du willst, kann ich mal mit ihm sprechen und ihn fragen, ob er ein Interview mit dir machen möchte.“
„Klar doch. Super – das klingt doch nach der nächsten interessanten Story. Wir sehen uns dann nächste Woche in der Akademie. Ich bin gespannt auf die Fotos der Fußballerinnen. Und hoffentlich habe ich bis dahin auch die Tickets für die Parlotones.“
Planten un Blomen
Bei uns in Hamburg treten im Park höchstens einmal lokale Künstler auf der kleinen Freilichtbühne auf und im Sommer gibt es ein kleines Jazz-Festival, aber nicht mit internationalen Größen, sondern mit Künstlern aus dem Norden. Klein aber fein, wie man so schön sagt. Doch ich liebe den Park mitten in der Stadt und verbringe einen recht großen Teil meiner Freizeit dort, sicher auch, weil wir in unserer Hamburger WG nicht einmal einen Balkon haben, wo wir uns im Sommer aufhalten können.
Das ist jedoch alles kein Vergleich zum Botanischen Garten Kirstenbosch!
Ich weiß gar nicht, wieso ich es bei meinem Volontariat zur Fußball-WM 2010 nicht geschafft habe, mir diesen wirklich einmaligen Park am Fuße des Tafelbergs wenigstens einmal anzusehen. Ich war wohl zu sehr auf Fußball und die dazu gehörigen Hintergrundgeschichten fixiert.
Ich hatte die Konzertkarten bekommen und mich die letzen beiden Wochen täglich mehr auf mein Date mit Andiswa im Botanischen Garten gefreut. Während dieser Zeit hatten wir uns immer nur recht kurz in der Akademie getroffen. Sie hatte viel für ihr Studium zu arbeiten. Ich war begeistert von den Fotos der Mädchen vom RV United All Girls Soccer Team.
„Und das alles mit dieser alten Kamera!“ So kommentierte Andiswa meine Begeisterung für ihre Fotos. Ich hatte wohl einmal mehr wieder diesen erstaunten, fragenden Gesichtsaudruck, denn sie grinste mich an.
„Du bist wohl nicht auf dem Laufenden, was die heutige Kameratechnik angeht, oder? Meine Spiegelreflex, mit der ich arbeite, ist schon fast sechs Jahre alt, ein Oldtimer bei der heutigen rasanten Entwicklung.“
Ich zeigte ihr meinen Apparat, mit dem ich nicht nur privat, sondern auch hin und wieder für das Magazin Aufnahmen mache und stellte fest, dass der auch nicht wesentlich moderner sei als der Ihre.
„Du bist ja auch kein Profi und studierst nicht mit all diesen reichen Kindern hier! Die gehen jedes Jahr zu Papi und