Hoffentlich musst du nicht in den Krieg. Gerhard Ebert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Ebert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037869
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      Offenbar machten Tante und Onkel in ihren Betten etwas, wovon er, Tom, absolut keine Ahnung hatte. Aber was konnte das sein? Plötzlich schoss Tom ein verwegener Gedanke durch den Kopf. Machten die zwei da drinnen vielleicht Liebe? Tom wurde ganz heiß. Aber warum dann, um Himmels willen, stöhnte die Tante? Und dann hatte sie auch noch geschrien! Ganz kurz zwar, aber immerhin. Es war ein Schrei! Das kann doch nicht Liebe sein! Da ist man zärtlich, da streichelt man sich! Tom wurde sonnenklar, dass es offenbar Dinge gab zwischen Mann und Frau, die ihm bislang verborgen geblieben waren, die er aber unbedingt, und zwar möglichst bald und genau erfahren musste.

      4.Wie ein Prinz

      Am Morgen des nächsten Tages weckte ihn die Tante. Sie kam nicht herein, sondern klopfte und rief zum Frühstück. Tom sprang aus dem Bett, machte schnell, was Mutter eine Katzenwäsche genannt hätte, und kleidete sich an. Eilig begab er sich in die Wohnküche. Dort saßen die drei Alten schon am Tisch.

      "Guten Morgen", sagte er artig.

      "Gut geschlafen?" fragte die Tante.

      "Ja, wunderbar", erwiderte Tom wohl überlegt. Dabei nahm er Platz auf dem freien Stuhl und musterte seine Tante verstohlen. Er vermied, dass sich ihre Blicke begegneten, was aber nicht immer gelang. Sie schaute, ja wie eigentlich? Doch, jetzt hatte er eine Eingebung. Sie schaute, als sei er für sie noch ein ganz, ganz kleiner ahnungsloser Bub. Das konnte ihm nur recht sein. Denn das zeigte ihm, dass sie nicht mitbekommen hatte, dass er sie vergangene Nacht beobachtet hatte. Im Übrigen machte sie einen lockeren und zufriedenen Eindruck, gar nicht wie eine Frau, die in der Nacht schlimme Schmerzen durchlitten hatte. Schon war Tom eine neugierige Frage fast auf den Lippen. Aber er konnte sich gerade noch bremsen.

      "Schönes Frühstück", sagte er.

      „Ihr habt euch wirklich angestrengt“, bestätigte ihn Opa.

      „Bei so seltenem Besuch!“ schmeichelte die Tante und begann, mögliche Ausflüge oder Besichtigungen während der Besuchstage abzuwägen. Opa und Tom schwiegen neugierig. Schließlich einigten sich Tante und Onkel. Da das Wetter sommerlich warm zu werden versprach, wurde entschieden, heute zum Baden an die Weser zu fahren. Die Weser, erfuhr Tom, ist ein Fluss, der durch Bremen fließt. Das interessierte ihn eigentlich gar nicht so sehr, vielmehr die Aussicht, seine Tante wieder nackt zu sehen. Denn im Badeanzug würde sie immerhin einiges zeigen müssen. Zum Beispiel die Beine, die er in der Nacht als besonders lang gesichtet hatte. Opa hatte mit Schwimmen im Fluss nichts im Sinn, war aber selbstverständlich bereit mitzukommen.

      Mit dem Auto war die Badestelle schnell erreicht. Sie lag außerhalb der Stadt, schon im Grünen, und vor allem flussabwärts, so dass ziemlich große Schiffe – jedenfalls aus der Sicht von Tom - vorüberkamen, die nach Bremen hinein in den Hafen fuhren. Sofort erwachte der Wunsch, diesen Ort kennen zu lernen. Opa war dafür, offenbar war auch er neugierig. Er verkündete, sie beide würden in den nächsten Tagen, vielleicht schon morgen, da mal hingehen.

      Tom spürte, dass Opa in Sachen Besuchsprogramm auch ein Wörtchen mitreden wollte. Das könnte, fand er, für die andere Richtung wichtig werden, nämlich flussabwärts; denn da musste ja logischerweise der Fluss sein Ende finden, und zwar im Meer. Was Tante bestätigte. Worauf Tom lebhaftes Interesse meldete und dem Opa die Äußerung entlockte, Onkel Jupp möge versuchen, für seine Gäste eine Dampferfahrt nach Helgoland zu buchen. Was bedeutete, dass sie beide, Opa und Tom, ganz echt auf dem Meer herum schippern würden. Tom versäumte nicht, diese Möglichkeit freudig zu begrüßen. Und Onkel Jupp erklärte schmunzelnd, das sei doch alles schon in trockenen Tüchern. Tom verstand dies zwar nicht so recht, aber es klang wie eine Zusage.

      Während des Disputs besichtigte er insgeheim seine Tante. Sie trug einen dunkelbraunen Badeanzug. Die Beine waren lang und schön. Tom hatte keine Maßstäbe, natürlich nicht, woher auch. Aber sein Empfinden sagte ihm, dass diese Beine weder zu dick noch zu dünn waren, sondern sozusagen gerade richtig. Gut geformte Waden, die Knie nicht dicker, sondern eher irgendwie zierlich, und die Schenkel dann kräftig bis hin zum Popo, der nicht etwa zu einem fetten Hintern ausartete, sondern mit knackigen Rundungen geradezu verlockte, immer wieder zu ihm hinzuschauen. Auch Opa schien dieser Meinung zu sein, denn er gab seiner Tochter einen wohlwollenden Klaps auf den Po, als sie bei ihm vorbeischritt. Just in dem Moment geschah Unerwartetes.

      „Wasser! Wasser!“ rief Onkel Jupp plötzlich, packte einige Badeutensilien und rannte hastig das Ufer hoch. Auch die Tante griff eilig nach Badetuch und Tasche und hetzte nach oben. Opa, der gemütlich auf seiner Decke gesessen hatte, an eine Buhne gelehnt, begriff nicht so schnell. Eine Welle erfasste ihn. Schon saß er mitten im Wasser, konnte sich gerade noch erheben, so dass sein Hosenboden nicht zu nass wurde. Tom amüsierte sich. Das war ein Ding!

      Immer, wenn so große Schiffe vorüberschwammen, nahmen sie auf seltsame Weise das Wasser des Flusses mit, das dann aber stets mehr oder weniger ungestüm zurückkam. Das Spiel zwischen Schiff und Fluss hatte anfangs besonders interessiert, war dann aber von ihnen nicht weiter beachtet worden. Nun hatte ein großer Pott mächtig viel Wasser mitgehen lassen, das ungewöhnlich dreist zurückkam.

      "Das liegt auch daran, dass die Flut kommt", sagte Onkel Jupp.

      "Die Flut?" fragte Tom.

      "Ja, Ebbe und Flut, das ist bei der Nordsee nun mal so, und das Wasser drückt dann auch im Fluss zurück."

      Sie standen unschlüssig am Ufer und legten ihre Utensilien erst einmal an einem neuen Platz ab. Ihre beschauliche Badegemütlichkeit war gestört. Tante drängte zum Aufbruch. Schon verschwand sie unter ihrem Bademantel, um in ihr Kleid zu schlüpfen. Tom hatte gerade noch feststellen können, dass die Brüste seiner Tante als normal einzuschätzen waren. Jedenfalls hingen sie weder überdimensional groß im Halter, wie neulich die von diesem leichten Mädchen, noch waren sie zu klein, denn sie beanspruchten ordentlich Platz. Selbst unter dem Kleid, wie jetzt, wenn die Tante sich straff aufrichtete, kündeten sie von ansehnlichem Dasein.

      Also Aufbruch! Opa und Onkel Jupp äußerten ihr Einverständnis, zumal es günstig sei, zum Abendessen rechtzeitig beim "Weser-Stübl" zu sein. Tante wollte Tom beim Ankleiden behilflich sein, aber dafür dankte er. Wenn er auch eingestand, etwas getrödelt zu haben. Immer war er mit seinen Gedanken irgendwo anders. Und Tante erwartete, dass er mit zufasste, wozu er nun wieder wenig geneigt war.

      "Wie ein Prinz", bemerkte sie etwas spitz. Tom nahm es gelassen, packte sein Bündel und lief zum Auto.

      Die Fahrt zum "Weser-Stübl" endete überraschend erst einmal an einer Polizeisperre. Schon vor ihnen waren einige PKW aufgehalten worden. Der Polizist, der sie stoppte, gab keine Auskunft. Tom erfuhr vom Onkel, dass die Straße an einem Flugplatz vorbeiführte. Offenbar war dort irgendetwas im Gange, das zu dieser Sperrung zwang.

      Der unfreiwillige Aufenthalt führte dazu, dass Tante unerwartet wüst auf Hitler schimpfte, der angeblich einen Krieg vorbereite. Tom begriff nicht, wie sie so etwas Schlimmes sagen konnte. Was hatte die Sperre an einem Flugplatz mit Hitler und Krieg zu tun? Und überhaupt: Warum regte sie sich so auf? Von Vati zu Hause wusste er, dass dieser Hitler nicht ernst zu nehmen sei, und dass die Völker nie einen Krieg zulassen würden. Schon wollte Tom sich zu Wort melden und der Tante sagen, was er von Vater wusste, da machte auch Onkel Jupp seinem Herzen Luft und meinte besorgt, das ginge nicht gut mit diesem Hitler. Opa schwieg.

      "Na, und du? Wie siehst du das?" fragte ihn plötzlich fast ein bisschen aggressiv seine Tochter. Wahrscheinlich wollte sie bei der Gelegenheit erfahren, was ihr Vater von Hitler hielt. Opa druckste.

      "Sag ruhig deine Meinung", half ihm Onkel, "hier petzt keiner!"

      "Hm", brummte Opa, "mein Freund ist er nicht!"

      Tom horchte auf. So etwas hatte er von Opa noch nie gehört.

      "Immerhin hat er die Autobahn gebaut", kam es Tom nun doch über die Lippen.

      "Ja, damit er seine Truppen schneller durch Deutschland an die Grenzen nach Osten kriegt!" erwiderte Tante prompt.

      Tom duckte sich. Hier war Schweigen angeraten. Offenbar