Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Die Pferdelords
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750222465
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      wurde dabei vom Plateau geschleudert. Instinktiv presste Anschudar die Hand

      vor seinen Mund, als er es in die Tiefe stürzen sah. Er trat hastig an den Rand,

      um besser sehen zu können. Zwischen den Schalen war ein Schemen zu

      erkennen. Ein gedrungener Leib, der sich aber zu entfalten schien, während er

      zusammen mit den Schalen in die Tiefe wirbelte.

      »Flieg, Showaa, flieg«, flüsterte Anschudar.

      Es war eine brutale Auslese, die nur den kräftigsten Jungtieren eine

      Überlebenschance gab. Viele stürzten in den Tod und wurden dann betrauert.

      Doch nicht Showaa.

      Sie flog.

      Instinktiv breitete sie ihre noch feuchten Flugschwingen und Steuerhäute

      aus, die im Sturzflug trockneten und offenbar fest genug waren, um den

      Luftmassen Widerstand zu bieten. Aus dem Sturz wurde eine flache Kurve.

      Dicht über dem Boden zog Showaa steil an, und Anschudar stieß einen

      heiseren Jubelschrei aus. »Sie fliegt! Showaa fliegt!«

      »Was sollte sie auch sonst tun?«, brummte Mordeschdar, um seine

      Rührung zu verbergen. »Schließlich ist sie eine Lederschwinge.« Er räusperte

      sich. »Bereite dich jetzt vor. Sie muss dich erkennen und als ihren

      Schwingenreiter akzeptieren.«

      Das Muttertier zog weite Kreise um den Geburtsfelsen und beobachtete

      mit seinem Doppelpupillenauge aufmerksam sein geschlüpftes Junges. Ihre

      Bauchseite hatte sich intensiv rot verfärbt, was ihre Aufregung zeigte.

      Showaa flog, doch nun kam es darauf an, ob sie ihren Reiter auch anerkannte.

      Anschudar nahm den Schwingensattel und trat an den Rand des

      Geburtsfelsens. Showaa gewann an Höhe und kam näher. Obwohl noch ein

      Jungtier, war sie schon jetzt ungewöhnlich groß. Von den beiden kurzen

      Maultentakeln bis zur Schwanzspitze maß ein ausgewachsenes Exemplar gute

      zehn Längen, ein Maß, das von der Spannweite ihrer Schwingen noch

      übertroffen wurde. Der Rumpf einer Lederschwinge war schlank und leicht,

      und die beiden muskulösen Beine wurden im Flug nach hinten an den Leib

      gelegt. Der flache Schädel glich einem stumpfen Dreieck, in dessen breiter

      Vorderseite sich das Auge befand. Es hatte eine elliptische Form und zwei

      schlitzartige Pupillen. Jede von ihnen war mit einem der Maultentakel

      gekoppelt und erlaubte es der Lederschwinge, ihre Beute auf große

      Entfernung zu erkennen und den Brennstrahl zu fokussieren. Die Seiten des

      Schädels liefen in kurze Steuerschwingen aus, die das Flugwesen äußerst

      wendig machten. Unter dem Schädel befand sich der Fressschlitz, an der

      Oberseite die Membranen für die Saugatmung. Der Kopf saß auf einem

      schlauchartigen Hals, der in den schlanken Rumpf überging. Dort setzten die

      dreieckigen Flugschwingen an. Die grau und grün schattierte Haut war ledrig

      und hatte den Wesen ihre Bezeichnung eingetragen. Showaa war ein

      Weibchen, und so schimmerte ihre Bauchseite in einem sanften Rot. Sobald

      sie in die Brunftzeit kam, würde es einen intensiveren Ton annehmen. Ein

      verlockendes Signal für jedes Männchen. Natürlich würde die intensive

      Färbung auch andere Wesen auf Showaa aufmerksam machen, doch für die

      Lederschwingen gab es keine natürlichen Feinde. Nichts konnte ihnen die

      Herrschaft über die Lüfte streitig machen.

      »Präsentiere ihr Sattel und Lenkstab«, raunte Mordeschdar mit heiserer

      Stimme.

      Anschudar hob beides über den Kopf und verkniff sich einen leisen Fluch,

      als einer der schweren Steigbügel schmerzhaft gegen seine Wange schlug.

      Mit der einen Hand den Schwingensattel, mit der anderen den Lenkstab in die

      Höhe haltend, sah er nervös zu der kreisenden Lederschwinge hinüber.

      Showaa schien unentschlossen, zog mit aufgeregten Schwingenschlägen an

      dem Menschenwesen vorbei. Der dreieckige Kopf war ihm zugewandt, und

      die beiden senkrechten Schlitzpupillen im ovalen Auge bewegten sich

      unruhig hin und her. Sie spürte instinktiv, was ihre Aufgabe war. Jede

      neugeborene Lederschwinge wusste es, denn seit Generationen lebten die

      Wesen mit den Menschen des Horstes in enger Verbindung.

      »Showaa!«, rief Anschudar fordernd.

      Showaas Kopf schien sich ein wenig zu neigen, so als lausche sie dem

      Klang der Stimme. Erneut umrundete sie den Geburtsfelsen, und die beiden

      Maultentakel zuckten leicht. Sie waren leer und hielten noch nicht die zwei

      Gelbsteine, die der Lederschwinge die Fähigkeit verleihen würden, ihre

      Feinde zu brennen. Auch die Kammern in ihrem Leib waren kaum mit Gas

      gefüllt. Es reichte gerade aus, Showaa leicht genug zum Flug zu machen. Erst

      später, nach dem Fressen, würden die Verdauungsgase in die Hohlräume

      strömen.

      Dann, endlich, legte sich die junge Lederschwinge in eine sanfte Kurve.

      Ihre muskulösen Beine schoben sich nach vorn, und die noch weichen Krallen

      reckten sich dem Boden des Plateaus entgegen. Die Landung war noch ein

      wenig ungeschickt, und Showaa musste sich mit den Flugschwingen

      abstützen. Aber sie war Anschudars Ruf gefolgt.

      Er wusste, was er zu tun hatte, und trat an sie heran. Showaa senkte ihren

      Kopf, bis dieser fast den Boden berührte, und wendete ihren langen Hals, um

      Anschudar zu beobachten. Ihre beiden Schlitzpupillen schoben sich

      aufeinander zu, als sie auf ihren künftigen Reiter scharf stellte.

      »Leg ihr den Sattel auf. Jetzt«, raunte Mordeschdar.

      »Ja, ich weiß«, erwiderte Anschudar.

      Showaa zuckte leicht zusammen, als der Sattel ihre Haut berührte.

      Anschudar hatte die Handgriffe oft geübt, und seine Bewegungen waren

      schnell und sicher. Er legte Showaa den breiten Sattelgurt um den Hals, direkt

      vor dem Ansatz der Flugschwingen, und strich ihr sanft über die Kehlhaut.

      Instinktiv zog sich Showaas Muskulatur zusammen, und Anschudar konnte

      den Gurt endgültig festziehen. Mordeschdar