Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753132426
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      „Hab' keine Furcht," sagte das junge Weib demüthig - „bei meinen Göttern schwöre ich Dir, daß ich auf dem ganzen Weg von hier bis Eimeo, und bis ich dort an's Land gestiegen bin, kein Wort, keine Silbe zu Dir reden werde. Genügt Dir das?"

      „Ja," sagte Patoi nach kurzer Pause - es war auch in der That das Aeußerste, was er erwarten konnte. - „So komm, ich werde Dich nach Eimeo rudern. Du sollst nicht sagen können, daß ich Dich hier auf der fremden Insel ohne Hülfe gelassen."

      „Das ist gut, das ist recht gut von Dir," sagte die junge Frau leise und schaute still zur Erde nieder, und Patoi blickte stolz im Kreis umher, als ob er fragen wollte: „Handle ich nicht edel? - ich thue es, ehe mich der Mitonare dazu gezwungen." Er sah nicht das bittere Lächeln, das um Maita's Lippen zuckte. - Er kannte überhaupt die Frau noch nicht, /96/ die da so demüthig und wie in ihr Schicksal ergeben vor ihm stand, und welche Leidenschaften in ihrem Herzen glühten. Ihres Vaters heißes Blut rollte in ihren Adern, und nur unwillig fügte sie sich jetzt dem Zwange.

      3.

      Maita' s Rache.

      Mahova, der Richter, schien mit der gütlichen Beilegung dieses Streites außerordentlich zufrieden, denn daß viele der Eingeborenen, besonders fast alle Frauen, auf Seiten des verlassenen jungen Weibes standen, konnte ihm nicht gut entgehen, und doch durfte er als Mitonare nicht heidnischen Gebräuchen irgend ein Recht über christliche zugestehen, noch dazu da der weiße Mitonare an seiner Seite in solchen Dingen keinen Spaß verstand. Jetzt war das Alles erledigt, und er bot Patoi denn auch rasch sein eigenes Canoe an, um damit über den, etwa anderthalb deutsche Meilen breiten Seearm, der Eimeo von Tahiti trennt, hinüber zu rudern. Ja mit der jetzt wehenden Brise konnte er vielleicht sogar hinüber segeln, und dann noch an dem nämlichen Abend oder in der Nacht zurückkehren. Die See war still und ruhig, und eine Gefahr nicht zu fürchten.

      Die Vorbereitungen nahmen nicht viel Zeit weg. Allerdings wollten fast alle Frauen Maita erst in ihrer Hütte haben, um sie mit Speise und Trank zu erfrischen, aber sie schlug Alles ab. - Nur etwas gebackene Brodfrucht, ein paar Orangen und Cocosnüsse nahm sie an, welche ihr die Kinder hineintrugen.

      Dann schritt sie zum Strand hinunter und kauerte sich, ohne von irgend Jemand Abschied zu nehmen, vorn im Bug des Canoe nieder. Sie war eine Ausgestoßene, wer kümmerte sich um sie - um wen brauchte sie sich zu kümmern? /97/ Patoi säumte ebenfalls nicht, das Canoe in Stand zu setzen; das leichte Mattensegel wurde gebracht und gehißt, und mit der von Osten am Ufer hinwehenden Brise glitt das schlanke Fahrzeug rasch durch das stille Binnenwasser der Bai, immer der Nordküste Tahitis folgend, bis sie eine mehr westlich gelegene Durchfahrt durch die Riffe erreichten und dann Eimeo gerade gegenüber hatten.

      Das Canoe war eins der hier stets gebräuchlichen Fahrzeuge, einfach aus einem Stamm ausgehauen und mit rundem Boden. Dadurch segelte es rascher, wäre aber auch leicht umgeschlagen, wenn nicht ein sogenannter „Ausleger" (outrigger) ihm volle Sicherheit gewährt hätte.

      Diese Ausleger bestehen in zwei, fest an dem Canoe, und zwar querüber befestigten Stangen oder Hölzern, die nach rechts hinaus einen leichten, kufenartig geschnittenen Balken halten. Dieser schwimmt dadurch, etwa vier Fuß vom Rande des Canoe entfernt und mit diesem parallel, auf dem Wasser, und ist natürlich fest mit Bast an die Querhölzer geschnürt. Ein Umschlagen des Fahrzeuges, ja selbst ein Schaukeln wird dadurch unmöglich gemacht, denn nach links hinüber kann es nicht, weil es dann den ganzen, noch dazu vier Fuß abstehenden Balken aus dem Wasser heben müßte, und nach rechts zu eben so wenig, da sich der Balken von leichtem Holz nicht auf die Entfernung und mit den Stangen unter Wasser drücken läßt. Selbst bei unruhiger See fahren deshalb diese Canoes außerordentlich sicher. Ohne den Ausleger freilich würde man sich nur sehr vorsichtig darin bewegen müssen, da der runde Boden der geringsten Neigung des Körpers folgt.

      Patoi wußte, wie alle Insulaner, vortrefflich mit einem solchen Canoe umzugehen, und wie das Segel nur erst einmal gesetzt war, hatte er auch weiter nichts zu thun, als eben nur sein kurzes Ruder als Steuer in das Wasser zu halten, wobei er bequem hinten im Stern seines kleinen Fahrzeugs, und fast ausgestreckt ruhen konnte.

      Vorn im Bug saß Maita, ihres Versprechens eingedenk. Kein Wort kam über ihre Lippen, die Hände um das rechte Knie gefaltet, suchte sie nicht einmal mit dem Blick den Un-/98/getreuen und Abtrünnigen, sondern schaute nach dem lieblichen Bilde, an dem sie jetzt rasch und leicht vorbei getragen wurden.

      Noch konnte sie, da sie rückwärts im Bug saß, die freundlichen und selbst reichen Wohnungen erkennen, die rings am Strand von Papetee standen und die schöne Bai fast einschlossen. Dahinter stieg ein dichter Laubwald von Fruchtbäumen empor, über dem die stolzen Palmen ihre Wipfel neigten, und hinter dem Ganzen thürmten sich die dicht bewaldeten Hänge des Gebirgsrückens auf mit seiner scharf eingeschnittenen Schlucht, mit seinen Abhängen und schroffen Wänden, über welche hier und da ein kleiner Wasserfall herniederschoß, während selbst dort oben einzelne Cocospalmen Wurzel gefaßt und ihre zarten Blattwipfel deutlich gegen den blauen Himmel abzeichneten.

      Und dann zur Linken die herrliche Bai mit den vielen bewimpelten Schiffen, und darinnen die prachtvolle kleine Insel Motu Otu, der alte Königssitz der Pomaren, mit ihren Palmen und schattigen Büschen. - Es war ein Paradies, an dem sie vorüber glitten, und doch trug das junge Weib die Hölle im Herzen. - Aber sie sprach trotzdem kein Wort; sie rührte und regte sich nicht, und nur ihr Athmen, ihr funkelndes Auge verrieth, daß sie lebe.

      Das Canoe glitt indessen rasch in dem Binnenwasser der Riffe am Ufer hin - die Palmen traten weiter davon ab - das Ufer wurde sandiger, und nur Guiavenbüsche deckten es hier. - Weiter und weiter verfolgte das schlanke Fahrzeug seinen Weg, und jetzt hatten sie die westliche Einfahrt erreicht, die einen breiten Kanal, der See zu, öffnete - und dort drüben lag Eimeo, Maita's Heimathland. Aber sie beachtete es nicht - keinen Blick warf sie hinüber, und wie in's Leere starrte ihr Auge, den ganzen langen Weg.

      Selbst Patoi wurde das Schweigen zuletzt peinlich, und er war selber ein paar Mal nahe daran, es zu brechen; aber er bezwang sich doch. Es war besser, sie verfolgten so ihren Weg. Was hätten sie sich auch sagen können, welches andere Wort konnte von den Lippen der Armen, Verrathenen kommen, als nur ein Vorwurf über ihr zerstörtes Glück. Aber sie gab /99/ dem keinen Laut, und wie abgeschlossen mit dem Leben saß sie im Canoe.

      Die Brise hielt wohl noch an, wurde aber immer schwächer, und als Patoi den Meeresarm endlich gekreuzt und in die Einfahrt der Eimeo-Riffe biegen wollte, starb sie ganz weg. Er mußte das Segel niederlegen und zu dem Ruder greifen, um nicht durch die Strömung gefährdet und gegen die Brandung getrieben zu werden.

      Vorn im Canoe lag noch ein Ruder, und er hätte gern Maita aufgefordert ihm zu helfen, desto schneller wären sie vorwärts gekommen - aber er wagte es nicht, und das junge Weib selber bemerkte wohl kaum, daß eine Veränderung mit dem Segel vorgenommen worden, so stier hing ihr Blick jetzt an der über die Riffe stürzenden Brandung, zwischen der sie hinglitten. Der Weg lag ja aber nun auch nicht mehr weit. Allerdings war die Sonne schon hinter den kühngerissenen Felskuppen Eimeos verschwunden, aber die Entfernung zwischen der Einfahrt und dem Land auch nur gering, und schon ließen sich deutlich die einzelnen, in schattigen Fruchtbäumen halb versteckten Bambushütten Afareaitas erkennen.

      Patoi schien indessen nicht gesonnen, gerade an dem Hauptort der Insel zu landen, wo, wenn auch nicht die Wahrscheinlichkeit, doch die Möglichkeit vorlag, daß er den am entgegengesetzten Theil der Insel wohnenden Pemotomo treffen konnte. Der Gefahr durfte er sich natürlich nicht aussetzen. Er hatte überdies auch nur versprochen, Maita in Eimeo an's Land zu setzen; ja sie nicht einmal mehr von ihm verlangt. Hütten lagen hier überall zerstreut am Ufer hin, und sie konnte allerorten ein Unterkommen finden. Früchte gab es ebenfalls im Ueberfluß, mehr noch als selbst auf Tahiti, er erfüllte also vollkommen sein gegebenes Wort, wenn er sie an einer der etwas abgelegenen Stellen landete, und Maita schien auch nicht das Geringste dagegen einzuwenden, als ihr die neue Richtung nicht mehr entgehen konnte, die das Canoe verfolgte.

      Immer seichter wurde hier das Wasser; schon seit sie die Einfahrt passirt, konnte man überall deutlich aus dem Grunde die wunderlich geformten Korallen erkennen, aus denen alle diese Riffe, ja ein großer Theil der Südsee-Inseln selber, be-/100/stehen. Hier