„Des Eidbruches und Verrathes! Ich bin sein Weib, und er hat mich schändlich und hinterlistig verlassen."
„Und was sagst Du dazu, Patoi?"
„Ich leugne es," erwiderte kalt der Indianer, „sie ist nicht mein Weib."
„Lügner und Meineidiger!" schrie das junge Weib in Schmerz und Entrüstung auf, aber Mahova unterbrach sie.
„Halt!" sagte er, „Deine Scheltworte helfen Dir nichts. Woher stammst Du, und wer sind Deine Eltern?"
„Zwischen Tamai und der Oponuho-Bai auf Eimeo liegt ihre Hütte," sagte das Mädchen und sah den alten Mitonare fest an - „Pemotomo ist der Name meines Vaters - bekannt auf dem ganzen Eiland und einst gefürchtet, denn sein tapferer Arm widerstand den Fremden, die unser Land überschwemmten, und die Götter waren mit ihm."
„Pemotomo," nickte Mahova, „wohl kenn' ich ihn! wohl kenn' ich ihn, und wenn es einen Menschen auf den Inseln giebt," setzte er salbungsvoll hinzu, „der hartnäckig sein Ohr den guten Lehren verschloß und die Sünde des alten Götzenthums nicht abwerfen wollte, so ist er es."
„Und was hat das mit dem Verrath des Mannes zu thun?" sagte das junge Weib finster - „ich bin seine Tochter und trete hier vor Euch, um mein Recht zu verlangen; mein Recht von jenem verrätherischen „Christen", der Treu' und Glauben brach und sich mit schmeichlerischer Lüge in das Herz meines Vaters - in das meine stahl." /88/
„Und hast Du Zeugen?" sagte Mahova ruhig.
„Nein - nicht hier!" rief das junge schöne Weib, indem ihr dunkles Auge wieder den Kreis fremder Gestalten maß - „aber leugnet er, daß ich die Wahrheit rede - will er auch Euer Ohr mit seinen Lügen füllen, so gebt mir ein Canoe - ich bin arm und besitze hier kein eigenes - und in zwei Tagen schaffe ich Euch von Eimeo die Zeugen herüber, die jedes Wort meiner Klage bekräftigen werden."
Noch während sie sprach, war einer der dort ansässigen englischen Missionare - eine lange, magere und bleiche Gestalt, in einen schwarzen Frack eingeknöpft und nach rechts und links freundlich und mit einer außerordentlichen Milde und Sanftmuth grüßend, um den Kreis herumgegangen und hatte sich dem Stuhl Mahova's genähert. Der eingeborene Richter schien nicht übel Lust zu haben, von seinem eigenen Ehrensitz aufzustehen und neben dem bleichen Mann zu stehen; dieser aber, mit dem süßesten Lächeln, winkte ihm nur, seinen Sitz zu behaupten, und blieb hinter seinem Stuhl, um dort, wie es schien, dem beginnenden Verhör beizuwohnen und den Erfolg abzuwarten.
„Aber wie bist Du überhaupt von Eimeo herübergekommen, Wahine?" frug jetzt Mahova. „Wer hat Dich gefahren, wenn Du kein eigenes Canoe besitzest?"
„Fraget den Mann da, er könnte es Euch sagen," rief das junge Weib - „und laßt ihn wagen, auch das Lügen zu strafen, was ich jetzt Euch erzähle. Er kam in meines Vaters Hütte und warb um mein Herz. Er log, daß er in Taiarabu, an der Morgenseite von Tahiti, reiche Besitzthümer habe. Mein Vater willigte ein - ich wurde sein Weib, und er nahm mich - nachdem er Monate lang bei uns gelebt - in sein Canoe, um mich in seine eigene Heimath zu bringen. In Waiuru landeten wir; dort gingen wir an's Ufer, weil er mir sagte, dort wohne noch Jemand, der ihm eine Schuld zu zahlen habe. Ich blieb in einer Hütte am Strand; er verließ mich, und ich wartete dort geduldig Tag nach Tag - aber er kehrte nicht zurück. Die Leute waren freundlich gegen mich, aber die Angst verzehrte mein Herz um den Gatten, den, wie ich damals fürchtete, ein Unglück betroffen haben /89/ mußte. Ich suchte ihn überall, ich stieg in die Berge hinauf und rief angsterfüllt seinen Namen. Nur das Echo antwortete mir, und jetzt, in der Sorge um sein Leben, wollte ich sein Canoe nehmen und nach Taiarabu fahren - aber es war fort. Ein Eingeborener hatte es genommen und, wie er sagte, von Patoi gekauft. Ich verfolgte meinen Weg zu Fuß über den brennenden Korallensand am Strand - aber in Taiarabu war Patoi nicht, und die Leute lachten, als ich sie frug, wo sein Besitzthum läge. Jedenfalls „zu windwärts", meinten sie, denn in Taiarabu habe er keins - nicht eine Cocospalme gehöre ihm - nur eine verfallene Hütte in den Bergen drin, die er erst abbrechen und neu bauen müsse, wenn er darin wohnen wolle.
„Ich kehrte nach Waiuru zurück," fuhr das junge Weib fort, nachdem sie wohl eine halbe Minute, wie erschöpft, inne gehalten. „Ich hoffte noch immer, ihn jetzt dort zu finden - umsonst. Die Frau, bei der ich wohnte, zog ebenfalls Erkundigungen ein - er sollte auf der Straße nach Westen im Innern gesehen worden sei. Dorthin folgte ich und erreichte endlich, zum Tod erschöpft, Papara. Dort wurde ich krank und lag Monate lang in heftigem Fieber - bei fremden Menschen, bis endlich meine Kräfte wiederkehrten und ich beschloß, nach Papetee zu wandern. Ich hoffte kaum mehr, den Verlorenen zu treffen, aber von hier aus wollte ich zurückkehren in die Heimath - zu meinem Vater. Ich glaubte nicht, daß mich Patoi verlassen habe - noch immer fürchtete ich, daß ihn ein Unglück betroffen, und meinen Vater wollte ich bitten, nach Waiuru zu fahren, um dort ihm nachzuforschen. Wie konnte das ein alleinstehendes schwaches Weib? Da traf ihn mein Blick hier in Papetee - seinen Arm um ein anderes Weib geschlungen. Sein Auge begegnete dem meinen - ich sah, wie er erbleichte - aber er leugnete mich zu kennen - er log."
„Halt!" rief da Patoi, der bei der Erzählung nur vergebens gesucht hatte, seine Unbefangenheit zu bewahren, „ich habe nicht geleugnet, daß ich sie kenne, ich habe nur geleugnet, daß sie mein Weib ist - und das leugne ich noch! Kein christlicher Bund ist zwischen uns geschlossen." /90/ „Welcher Mitonare hat Euch getraut, Maita?" sagte der Mahova, „kannst Du ihn nennen?"
„Mitonare!" rief das junge Weib trotzig, „was kümmern mich Eure Mitonares? Weder mein Vater noch ich sind ihrer falschen Lehre beigetreten, mit der sie uns unseren alten Göttern abtrünnig machen wollten. Aber deren Segen haben wir angefleht, und jeder Gebrauch ist beobachtet worden, den die Gesetze vorschreiben; laßt ihn das leugnen, wenn er es vermag, und straft er mich Lügen, so gebt mir Zeit, daß ich meinen Vater herbeirufe. Er wird kommen, so rasch ein Canoe im Stande ist, ihn herüber zu bringen."
„Ich leugne es nicht," sagte Patoi ruhig, dem auch wohl der Gedanke nicht angenehm sein mochte, den alten wilden Pemotomo als Zeugen gegen sich zu haben. „Ich leugne auch nicht," fuhr er mit erhobener Stimme fort, „daß ich selber meine Ohren lange den guten Lehren der weißen Mitonares verschlossen habe und in Blindheit und Unglauben fortlebte, wie es Pemotomo von mir haben wollte. Um mich darin auch für mein ganzes Leben fest zu binden, damit ich nicht schwankend werden sollte, wollte er, daß ich sein Kind zum Weib nehme."
„Lügner!" donnerte ihn das junge Weib an, und wild emporfahrend flog der Tehei von ihrer Schulter zurück, der nackte Arm der Zürnenden streckte sich gegen ihn aus, und wie sie so, majestätisch und zu ihrer vollen Größe emporgerichtet, mit in der Brise wehenden Locken, mit blitzenden Augen vor ihm stand, glich sie einer zürnenden Göttin ihrer Heimath, die nieder gestiegen war, einen Abtrünnigen zu strafen.
Mahova hatte indessen mit dem hinter ihm stehenden Missionär geflüstert, und dieser wandte sich jetzt an Patoi mit der Frage:
„Und weshalb hast Du die Frau verlassen, die doch mit Dir von Eimeo gekommen? Wäre es nicht ein gutes Werk gewesen, wenn Du versucht hättest, sie von ihren Irrthümern zu überzeugen und dem Glauben des rechten Gottes zu gewinnen?"
„Das habe ich gethan, Mitonare," sagte Patoi, „an jedem Gotteshaus, an dem wir vorüber kamen, bat ich sie, mit mir /91/ einzutreten und zu hören, was die guten Männer sagten - sie weigerte sich; ja als ich mehr und mehr in sie drang, verspottete sie mich und höhnte, ich sei schlimmer als ein Weib, daß ich den Lügen lauschen wollte, die von den Lippen der schwarzen Männer kämen."
„Ist das wahr, Maita?"
„Es ist wahr," erwiderte trotzig das junge Weib, indem sic ihren Tehei wieder um sich herzog. „Meines Vaters Tochter wird nie den Glauben ihrer Eltern abschwören."
Der hinter dem Stuhl des Richters stehende Missionar hob seufzend