Fast egal. Kadhira del Torro. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kadhira del Torro
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738080599
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      Bevor es jedoch soweit war, musste sie erst einmal an der Anmeldung in der prunkvollen, beeindruckenden Eingangshalle vorbei. Hier herrschten grauer Marmor, Glas und Stahl vor. Es sah bestimmt toll aus, wenn man eine kühle Ausstrahlung bevorzugte. Ekelhaft, wenn man warme, weiche Töne bevorzugte. Samantha schloss die Hand um den Aktenkoffer fester, trat entschlossen an die halbrunde Glaskanzel und trug ihr Anliegen vor.

      „Es tut mir leid, Miss Martin, aber zur Zeit stehen bei Mister Richmond keine Termine zur Verfügung. Ich könnte aber in seinem Büro anrufen und nachfragen, wann er Zeit für Sie hat.“

      Klar doch. Olympischer Gedanke. Er wird dir den Kopf abreißen, wenn er erfährt, dass ich hier war und abgewiesen wurde. „Seien Sie so nett“, antwortete sie. Ihre ganze Hoffnung lag nun bei der Fee in seinem Büro. Wenn er wirklich überzeugt war, dass sie in ihren Job zurückkehren musste, dann hatte er ihren Namen bei seiner Sekretärin hinterlassen. Mit einem entsprechenden Vermerk. Ansonsten hatte er nichts weiter von sich gegeben als heiße Luft.

      „Miss Martin? Miss Carlson kommt herunter und wird Sie zu Mister Richmond begleiten. Wenn Sie bitte in der Sitzgruppe dort warten möchten?“

      „Danke, ich bleibe lieber stehen“, lehnte sie ab und wandte sich den in der Halle verstreut stehenden, glänzenden Marmorsäulen zu. Wenn man von der Marmorierung mal absah, waren alle Säulen gleich hoch, hatten den gleichen Umfang und zweifellos bestanden sie auch aus dem gleichen Material. Und trotzdem hatte Sam das Gefühl, das eine der Säulen anders war. Aber wie anders, konnte sie auch nicht sagen. Sie ging um die Säule herum, sah sie sich von allen Seiten an, dann zum Vergleich eine andere. Kein Unterschied. Sie trat ein paar Schritte zurück, verglich ihre Säule mit allen anderen. Doch, da war ein Unterschied. Sie war anders. Aber wie anders?

      „Miss Martin?“

      Samantha drehte sich um und wandte sich der schon älteren Sekretärin zu. Sie hatte ihre blonden Haare hochgesteckt, trug ein sparsames Make-up und ein freundliches Lächeln durch die Gegend, das Sam automatisch erwiderte. Die Frau gehörte zwar zur Konkurrenz, war ihr aber trotzdem sympathisch. „Ja.“

      „Bitte, folgen Sie mir. Mister Richmond hat Sie bereits erwartet.“

      „Wann?“ Die Frage war raus, bevor sie es verhindern konnte.

      „Er sagte mir am Montag, dass Sie kommen würden. Aber er war sich nicht ganz sicher, wann genau Sie eintreffen. Deshalb hat er mich angewiesen, Sie zu ihm zu bringen, wann immer Sie uns besuchen.“

      „Dann hat er jetzt vielleicht gar keine Zeit? Ich möchte Ihren Terminplan nicht durcheinanderbringen, Miss Carlson.“

      „Er ist gerade in einer Konferenz.“ Die Türen des Lifts schlossen sich und er begann seine Fahrt. Miss Carlsons Lächeln wurde eine Spur breiter, ihre Stimme bekam einen verschwörerischen Unterton und sie beugte sich etwas vor. „Aber glauben Sie mir. Er wird froh sein, wenn er da mal ein paar Minuten rauskommt.“

      „Langweilt er sich etwa bei seinen Konferenzen?“

      „Da ist er nicht anders als Sie.“

      Sam sah sie verblüfft an.

      Und das schien die Sekretärin ernsthaft zu erheitern. „Oh, Sie waren schon damals, vor Mister Richmond junior, Gesprächsthema in diesem Haus. Ich persönlich habe immer gern die neuesten Gerüchte über Sie gehört, auch wenn man nur die Hälfte glauben kann. Und bei Ihnen wird es mit der Familie Richmond auch nicht anders gewesen sein.“

      Ein dezenter Gong kündigte das Ende der Fahrt an und Sams Blick zuckte kurz zur Anzeige, richtete sich dann wieder auf die Sekretärin. „Ehrlich gesagt, habe ich mich nie dafür interessiert, was über mich gesagt wird. Und Mister Richmond senior war selten Gegenstand einer Unterhaltung, an der ich teilnahm. Mich interessieren immer nur die Leute, mit denen ich unmittelbaren Kontakt habe. Um alle anderen sollen sich meine Mitarbeiter kümmern.“

      Die Türen glitten auseinander und gaben den Blick auf einen langen Gang frei, von dem linkerhand einige Türen abgingen. Rechts befand sich so ziemlich in der Mitte eine riesige Anmeldung; wahrscheinlich das Reich der Sekretärinnen. Am Ende des Ganges befand sich eine imposante, in Schwarz und Gold gehaltene Tür, die alles in den Schatten stellte, was Sam bisher gesehen hatte. Noch protziger ging es ja nun wirklich nicht.

      „Und Mister Richmond junior? Ist der interessant?“, unterbrach die Sekretärin Sams eingehende Musterung.

      Sie hielt Miss Carlson am Arm zurück, kaum dass sie den Flur betreten hatten. „Brauchen Sie diese Informationen für den Büroklatsch oder will Mister Richmond das wissen?“

      Ein breites, offenes Lächeln. „Sowohl, als auch.“

      „Hat er Sie tatsächlich angewiesen, mir diese Frage zu stellen?“

      „Nicht direkt. Er meinte, dass es interessant wäre, zu erfahren, was Sie von ihm denken.“

      „Dann sagen Sie ihm in einer stillen Stunde, dass ich ihn für einen miesen, kleinen Gauner halte, der das Ansehen ehrenwerter Geschäftsleute in den Dreck zieht. Ich halte ihn für einen respektlosen Rüpel.“

      „Okay. Und was halten Sie wirklich von ihm?“

      Sam lachte. „Er ist der attraktivste, aufregendste, charmanteste und heißeste Mann, der mir in den letzten hundert Jahren begegnet ist.“

      „Ja, das kommt hin. Und weil Sie so ehrlich zu mir waren, will ich Ihnen auch etwas verraten.“

      „Was?“

      „Als der Junior mit seinem Vater abends noch im Büro war, sagte er zu ihm, dass Sie die Frau seien, mit der er den Rest seines Lebens verbringen will.“

      Sams Herz tat einen Hüpfer. Na so was. Trotzdem, es war nicht nur seine Entscheidung. Und was er wollte, wollte sie garantiert nicht. „Das kann er haben. Unsere Auseinandersetzung wird er nämlich nicht überleben.“

      „Dann kann ich mich schon mal auf Überstunden einrichten?“

      „Das wäre nicht verkehrt. Aber wenn es Sie tröstet, bei uns sieht es auch nicht viel anders aus.“

      Miss Carlson deutete in den Gang und ging vorweg. „Er hat heute übrigens sehr schlechte Laune. Jedenfalls bisher.“

      „Versprechen Sie sich von meinem Besuch nicht, dass seine Laune besser wird. Im Gegenteil.“

      Die Sekretärin erkundigte sich bei ihrer Kollegin, wo sich Mister Richmond aufhielt, bekam einen Fingerzeig auf die Protzertür und bedeutete Sam einen Moment zu warten. Sie klopfte an und betrat den Raum. Kaum fünf Sekunden später öffnete sie sie etwas weiter und bat Samantha herein.

      Sam hörte Brendons Stimme, bevor sie ihn sehen konnte. Anscheinend telefonierte er. Es war wohl kein angenehmes Telefonat, denn er klang wütend und wurde laut.

      Samantha hielt den Griff ihres Aktenkoffers mit beiden Händen fest, weil sie nicht wusste, welche mehr zitterte. Die linke oder die rechte. Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen und starrte auf seinen Rücken, den er in einem perfekt sitzenden Anzug versteckte.

      Plötzlich drehte er sich zu ihr um und sah sie an. In seinen Augen blitzte es auf und ohne ein weiteres Wort legte er auf. „Miss Carlson? Keine Störung, oder Sie sind gefeuert.“

      Die Sekretärin lächelte einfach nur und verließ den Raum.

      „Schön dich zu sehen, Sammy.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß, schien zufrieden und kam um den Schreibtisch herum. „Kaffee?“

      „Tee, bitte.“

      Er bestellte über die Gegensprechanlage Tee und Kaffee und wies dabei mit der Hand zu der Ledergarnitur in der anderen Ecke seines riesigen Büros. Samantha wählte den Zweisitzer, ließ sich in die überraschend bequemen Polster sinken und entspannte sich etwas.

      „Du siehst nicht gut aus“, meinte Brendon leise und nahm ihr gegenüber auf der Couch Platz.

      Sam meinte, so