„Nein, besser nicht. Aber es ist nur Geld, die Menschen nehmen das viel zu wichtig. Hier, stecke die Scheine ein und am besten so, dass die Polizisten das nicht bemerken.“
Er reichte ihm ein dickes Bündel Euro-Banknoten. Karim ließ dieses unverzüglich in einer Jackentasche verschwinden.
„Sehr gut“, sagte Karim. „Damit werde ich auf den Busch klopfen.“
„Hä? Ich verstehe nicht, was das bedeutet.“
„Es gibt in meiner Heimat ein Sprichwort“, erklärte Karim. „Wenn du nur häufig genug auf den Busch klopfst, dann kommt irgendwann die Beute hervor.“
„In meiner Welt heißt das anders“, antwortete Labolas. „Wenn du auf den Busch klopfst, dann überzeuge dich vorher, dass kein blutgieriges Monster darinsitzt.“
„Ich werde mich bemühen, aufzupassen“, meinte Karim. „Aber wie willst du das Monster erledigen, wenn du es nicht jagst?“
Labolas zuckte mit den Schultern und seufzte. „Aber pass gut auf. Ich werde in der Nähe sein, und bei Bedarf einschreiten.“
Karim betrat wieder das Hotelzimmer und schritt zum Fenster.
„Hat Labolas etwas herausfinden können?“, wollte der Kommissar wissen.
„Nein, leider gar nichts“, log Karim, der dem Polizisten noch immer nicht völlig vertraute.
Laskari hatte sich inzwischen vom Fenstersims heruntergeschwungen. Er warf einen raschen Blick zu dem Polizeifotografen hinüber, der seine Apparaturen einpackte.
„Haben Sie keinen Verdacht, wer hinter der Sache steckt?“, wollte Selma wissen.
„Einen Verdacht schon, aber keine Beweise. Und in der Welt der Menschen genügt ein Verdacht nicht.“
„Was sind Ihre Vermutungen?“, hakte Karim nach.
„Es wird sich wohl um einen Schergen gehandelt haben, der im Dienst von König Leviathan stand.“
Der Kommissar ließ sich Feuer geben und sog tief den Rauch der Zigarette ein. Sein Gesicht entspannte sich etwas.
„Danke. Ich habe mein Feuerzeug verloren“, sagte Laskari. „Ich werde mich mit einigen Freunden besprechen, wie wir Sie in Athen besser beschützen können.“
„Tun Sie das. Ich bin über das Handy immer erreichbar“, antwortete Karim.
Die Gefährten sahen dem Kommissar nach, als er das Zimmer verließ.
„Was hast du jetzt vor, Karim?“, erkundigte sich Selma.
Der Bruder erklärte seinen Plan, allein das Café Melina aufzusuchen. Selma wollte anfangs protestieren, ließ sich dann jedoch überzeugen, als Karim versicherte, dass Labolas immer in seiner Nähe bleiben würde.
Die Fahrt in die Lisiou 22 war für Karim anstrengend. Er war übermüdet und körperlich erschöpft. Das Taxi fuhr quer durch die Innenstadt. Solange sie die normale Straße benutzten, kamen sie zügig voran. Dann ließ sich der Taxifahrer einfallen, einen Umweg zu machen, um die Strecke abzukürzen, wie er Karim – in den Rückspiegel grinsend – mitteilte.
Und im Nu steckten sie hilflos verkeilt in einem Gewirr enger und überfüllter Gassen. Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter und fluchte in einem grässlichen griechischen Dialekt. Aber in Athen kümmerten sich nur die Hunde um den Krach, sie bellten und verstärkten den Lärm nur noch. Drohend wurden Fäuste gegen den Taxifahrer geschüttelt.
Irgendwie kamen sie aus dem Chaos wieder heraus. Nach einer weiteren Stunde Fahrzeit parkte der Fahrer gegenüber dem Café Melina.
Karim stieg aus und bezahlte. Er überquerte die Straße und betrat das Café. Die Gerüche von frischem Kaffee und griechischer Küche strömten ihm entgegen. Der Raum war größer, als er angenommen hatte. Überall standen kleine Tische herum.
Ein Kellner kam auf Karim zu und geleitete ihn zu einem freien Tisch.
„Sie wollen essen, Herr?“, fragte er.
„Ja. Außerdem würde ich gern mit dem Inhaber sprechen.“
„Mit Georgios Karamanlis?“, hakte der Kellner nach.
„Ja, bitte.“
„Wen darf ich melden?“
„Mein Name ist Karim Al Sayed.“
„Ich werde es ausrichten“, sagte der Kellner, reichte Karim eine Speisekarte und verschwand anschließend in der Küche.
„Muss es Georgios Karamanlis sein?“, fragte eine Frauenstimme hinter Karim. „Glauben Sie nicht auch, dass wir uns besser unterhalten können, wenn er nicht hier ist?“
Karim drehte sich überrascht um.
Es war das erste Mal, dass er Sofia Vangelis sah, aber manchmal sieht man ein Bild, das sich einem wie mit Feuerlinien ins Gedächtnis gräbt.
Sie sah blendend aus: sensibler, schöner Mund, warme, klare Augen, samtige, gepflegte Haut, weiblicher, schlanker Körper. Die blauschwarzen Haare waren offen und fielen wild auf den Rücken. Sie hatte volle Lippen mit dem Ausdruck einer hungrigen Sinnlichkeit. Die hohen Jochbeine gaben ihrem Gesichtsoval einen rassigen, fast hochmütigen Anschein. In den großen, von seidigen Wimpern überdachten Augen drückten sich Wärme und Freundlichkeit aus.
Das Herz von Karim machte einen Sprung, der ihm eine Goldmedaille im Stabhochsprung eingebracht hätte.
Die junge Frau hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit Faizah, seiner großen Liebe, die derzeit in einem Flüchtlingslager in der Türkei lebte. Woher kam diese verblüffende Ähnlichkeit? Fast glaubte er, diese Frau wäre eine Schwester von Faizah, aber das war doch unmöglich.
Die Unbekannte trug ein schwarzes Kostüm, das ihre wunderbare Figur betonte. Der Rock war seitwärts geschlitzt und zeigte die schlanke Form ihrer Schenkel. Schwerer Silberschmuck klirrte an ihren Handgelenken, als sie dem Kellner einen Wink gab und dann zu Karims Tisch kam.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte sie mit einem kleinen, spöttischen Lächeln.
„Äh ... gerne ...“, stammelte Karim verlegen.
„Ich heiße Sofia Vangelis“, stellte sich die Schwarzhaarige vor.
„Hm ... angenehm ... Karim Al Sayed ... so ist mein Name.“
„Es freut mich, Sie kennenzulernen. Sie wollen mit dem Besitzer dieses Cafés sprechen?“
„Ein Freund hat ihn mir empfohlen“, antwortete Karim ausweichend.
Irgendetwas war an Sofia Vangelis, das ihn vorsichtig stimmte. Sie war wie einer jener schwarzen Panther, die man hinter den Gittern eines Käfigs beobachten kann, schön und anmutig, aber in der Tiefe ihrer Augen brannte ein lockendes, gefährliches Feuer.
„Ich komme regelmäßig hierher. Der Kaffee ist fantastisch und das Essen lecker und preisgünstig. Und ich sitze dann immer an diesem Tisch hier. Ich sage das nur, damit Sie nicht glauben, dass ich ... dass es zu meinen Gewohnheiten gehört, junge Männer so einfach anzusprechen.“
„Ich freue mich darüber.“
„Es hat nichts zu bedeuten. Ich möchte mich gern mit Ihnen unterhalten. Wie lange sind Sie schon in Athen?“
„Erst kurze Zeit“, antwortete Karim wahrheitsgemäß. „Ich habe hier geschäftlich zu tun.“
„Aber doch nicht den ganzen Tag. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen Athen zeigen. Es hat viele Sehenswürdigkeiten, und ich kenne jeden Winkel in dieser Stadt. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“
„Ich habe heute Abend nichts vor.“
„Ich arbeite abends“, erwiderte Sofia und sah ihn prüfend an. „Ich tanze im exklusiven Yacht Club Istioploikos.“
„Was