Zwischenräume im Tagebuch von Jeannine Laube-Moser. Wilhelm Kastberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Kastberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742775511
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hatte schon letzten Winter bei mir auch ausgeschi … So was von Überheblichkeit muss man über sich ergehen lassen, nur weil man höflich zu erwidern versucht. In etwa so: `Schau net so bled, i zoi dir des nia`.

      In Wahrheit habe ich die paar Worte mit einer lieblichen Tonmelodie, ja beinahe leise ihm vorgesungen, obwohl ich im Singen in der Schule nie über drei gestanden bin. Aber das weißt Du ja schon längst. Eine Gesangstalentierte bin ich beileibe nicht. Und geschrien, wie von dem hinter dem Schreibtisch Geschützten behauptet worden war, habe ich schon überhaupt gar nie nicht.

      Na ja, was soll´s. Der Heinrich Otto Stormhänger ist bei Weitem kein Steuereintreiber. Ganz im Gegenteil! Er tut sich halt sehr schwer beim Teilen. Es ist ihm egal, was wir, sozusagen als Durchschnittsmenschen, gerne bereit sind, mit anderen zu teilen. Ich teile gerne mit jemandem. Beispielsweise eine Buttermilch. Ja ich würde mich sogar herablassen, ein volles Glas von diesem Gesöff, das ich nicht ausstehen kann, zu teilen. Mehr noch zu verschenken.

      Heinrich Otto Stormhänger ist obendrein noch mit sich selbst geizig. Er lässt es nicht einmal zu, dass irgendwer seinen dreiteiligen Namen vollständig aussprechen, geschweige denn, niederschreiben darf. Er besteht hartnäckig darauf, dass der zwischendrin herumlungernde Otto, von wem auch immer, nicht ausgesprochen werden soll. Aber ansonsten ist er ganz handsam.

      Also wie gesagt, ich darf den Heinrich Stormhänger im vertrauten Du ansprechen. Allerdings muss ich Heinrich zu ihm sagen, weil Heini wäre auch eine Beleidigung gewesen.

      Bei einer schon länger zurückliegenden Caféhausdiskussion hatte er sich bemüßigt gefühlt, ein Vorwort zu meinen Geschichten schreiben zu wollen. Er wollte sich quasi revanchieren, weil ich in seinem letzten Buch Zwischen Heinrich und Jeannine mit meinen frechen Bemerkungen ihm dazwischen hineingepfuscht hatte. Klar und unmissverständlich habe ich damals schon meine Ablehnung kundgetan, um hier im Sprachmodus von Heinrich zu bleiben. Ich konnte mir nämlich bildlich vorstellen, wie seine Revanche ausgefallen wäre.

      Nämlich unteilbar und boshaft!

      Vielleicht zum Abschluss noch einen klärenden Hinweis! Allein nur für Dich. Du wirst Dich auch schon gefragt haben, wie kommt die Schani bloß auf dieses Buchtitel. Ja das ist ganz einfach. Es gibt in meiner natürlichen Umgebung noch so ein Schwergewicht von einem Mann, der nur so umgeben wird von wirren Vorahnungen und ebensolchen Prophezeiungen.

      Bertram Reinprächter heißt er. Von Beruf ist er Meisterregisseur bei den Festspielen und das nicht nur in Salzburg.

      Um es kurz zu machen: Dieser Bertram Reinprächter hatte die unvorstellbare Gabe mich als Jeannine Laube-Moser (mit Bindestrich) so zuzusetzen, dass ich zu dem Buchtitel, der ja eigentlich vorne draufstehen sollte, wenn ihn der Verlag nicht zwischenzeitlich ausradiert hat, zustimmend genickt haben soll.

      Das reichte wiederum den Regisseur und ich konnte den Buchtitel auch gar nicht mehr ändern.

      02 Am Brunntrog bei der Zwischenscherzerlalm

      Dunkel kann ich mich noch erinnern. Ich glaube es dürfte im August gewesen sein. Jedenfalls war es ein Samstag. Gut, ich kann mich auch irren und möchte mit Dir nicht streiten, aber ein Montag war es auf keinen Fall. Nach vierzehn Uhr dreiundzwanzig war es schon. Das stimmt und das weiß ich noch sehr genau, weil um diese Zeit betrat ich das Lokal. An der Uhr, die über der Tür aufgehängt war, konnte ich die Zeit ja gut ablesen. Leider standen die Zeiger nach gut einer Stunde immer noch an derselben Stelle. Daraus schließe ich, dass die Zeitangabe nicht unbedingt korrekt war. Wurscht!

      An diesem Tag waren alle meine zwei Freundinnen, nämlich die Margot und die Anita Reisenhübner sowie außerdem noch ein paar Bekannte rund um den Stammtisch versammelt. Mehr oder weniger war es halt der kleine harte Kern. Nicht der Bundeskanzler, den meine ich nicht, sondern die Stammtischler. Sie versuchten wieder einmal, eine der berüchtigten Caféhaustratschereien in Gang zu setzen.

      Jeder und jede redete mit jeden und bei dieser Gelegenheit habe ich wohl die freudige Kunde hinausposaunt. Das Wort Kunde streichen wir besser wieder weg, weil es gar zu mittelalterlich klingt. Du musst das so sehen: In meiner Niedergeschlagenheit, nämlich nur so am Tisch zu hocken, am lauwarmen Kaffeehäferl zu schnuppern und ein nichtssagendes Gesicht aufzusetzen, das wollte ich auch nicht. So entschloss ich mich halt, etwas Hochintelligentes am Tratsch-Markt beizutragen.

      Ob es nun richtig war oder falsch, was ich mit leicht angehobener Stimme in die Runde hineingeworfen habe, das sei dahingestellt. Keinesfalls wird das je das Los entscheiden. Ich hatte nämlich etwas zu feiern. Einen Jahrestag!

      Als Entschuldigung möchte ich freilich gleich einmal anmerken, dass ich schon ein bisschen zu gutgelaunt gewesen bin, als ich das Lokal betreten hatte. Schuld an meiner überdurchschnittlichen Fröhlichkeit war gewiss nicht der Standardkaffee vom Cafetier Walter Winkelmeier.

      Eher war es die zwanglose Plauderei bei der Herfahrt mit der Schaffnerin von der Pinzgauer Bahn. Sie erzählte mir nämlich hinter fast vorgehaltener Hand, sodass auch die rundumsitzenden Fahrgäste ihren Spaß gehabt haben mussten, zwei angeblich nigelnagelneue, sehr freche Blondinen Witze. Frauenbeauftragte von Greenpeace hätten nicht hinhören dürfen. Wenn beispielsweise nur eine davon anwesend gewesen wäre, hätte es einen scharfen Protest gehagelt, womöglich begleitend von einem Skandal und wir wären unter Umständen alle wegen Diskriminierung des schwachen Geschlechts vor den Richter zitiert worden. Es war keine dieser militanten Damen im Zug und kommen daher diese hier auch nicht zum Zug.

      Ich habe mir sowieso nicht alle Einzelheiten von dieses Witzen gemerkt. Einer davon lautete etwa so: Was macht eine Blondine am Computer, wenn es brennt? Die Pointe habe ich bereits beim Erzählen des Witzes verschluckt. Die Schaffnerin lachte sich selbst bei jeder ihrer Pointen einen Holzfuß und steckte uns Fahrgäste mit ihrem herzhaften, tränenzubodenfallenden Lachen an. Bei diesem Lachtiramisu hätten wir beinahe vergessen, den Ausstiegwunschknopf zu drücken. Das wär dann ein Lacher mehr gewesen.

      Also zurück ins Caféhaus. Da saß sie dann am Stammtisch. Allerdings ein wenig abgerückt von den anderen und keine Spur einer Heiterkeit im Gesicht. Daneben stand ein leerer Sessel, auf den ich dann platzgenommen habe. Ich weiß nicht, ob Du diese ein wenig trübsinnig aussehende Frau überhaupt kennst. Gesehen habe ich sie schon ein paar Mal hier im Lokal. Nur die Chance, ein Gespräch mit ihr zu führen, das ist mir bislang noch nicht gelungen.

      Einige am Stammtisch und auch der Walter Winkelmeier kannten sie nur unter dem Allerweltskosenamen Cherie. Sie war blond und hatte halblange Haare. Rechts und links am Scheitel hatte sie horizontal zarte geflochtene Zöpfe. Wie mir schien, waren die mit irgendwelchen verdeckten Befestigungsinstrumenten an der Kopfhaut festgenagelt. In der Mitte von ihrem Hinterkopf wuchs ein kräftig geflochtenes Kunstwerk über ihren Nacken hinunter. Der untrügliche Blick einer Frau, also meiner, erkannte schon beim ersten Mal Hinschauen, dass man hier von einer natürlichen Verblondung nicht ausgehen darf. Da wurde mit chemischen Keulen getrickst. Aber wie! Geht mich ja eigentlich gar nichts an.

      Freilich erinnerte ich mich wieder augenblicklich an den Blondinen Witz von der Schaffnerin. Nur die Pointe wollte und wollte nicht freiwillig aus meinem Gedächtnis hervorkommen.

      Cherie redete mit mir, aber erst der vertrauten Du Umwandlung, ihren vollständigen Namen. Marianne heißt sie! Das weiß ich. Ihren Nachnamen kann man sich bei bestem Willen nicht so mir nichts dir nichts merken. Der ist viel zu kompliziert, um ausgesprochen zu werden. Irgendwas mit Grillsinger am Anfang und witsch zum Schluss. Vielleicht Grillsingerwitsch – kann sein.

      Cherie sagte ich nie zu ihr, das klang zu doof. Nur Marianne. Und sie ist, wie gesagt, eine Blondine. Eine Gebleichte allerdings.

      Weil ich gerade vorhin vom Los geredet habe. Damit Du es auch richtig einordnen kannst. Ich spiele nur ab und zu, wenn ich zufällig bei uns im Dorf in die Trafik gehe, um mir eine Wochenzeitung zu kaufen. Jedoch nur dann, wenn ich vor dem Geschäftseingang einen Plakatständer sehe, auf den ein Zusatzzettel klebt und darauf mit Filzstiften der Vermerk angebracht wurde:

      „Bei der nächsten Ziehung gewinnen sie neunundzwanzig Millionen!“ Oder weniger! Dann kaufe ich mir halt um ein paar Euro so ein EURO-Millionenlos.

      Gewonnen