Die Hexe und der Schnüffler. Inga Kozuruba. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inga Kozuruba
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738019360
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„Ach, wie klug und umsichtig war die Mutter gewesen! Wie vorausschauend! Sie hat gewusst, dass ein Träumer eine Anleitung braucht, eine stützende Hand, sonst nimmt alles ein böses Ende. Durch sie hat Elaine uns retten können. Aber hinterher ist man immer klüger. Wir hätten Sie nicht so schnell gehen lassen dürfen.“ Jack warf ihm einen strafenden Blick zu.

      Avera seufzte: „Machen Sie sich keine Sorgen. Das ist keine Invasion. Um genau zu sein ändert sich weder für diese Welt noch für die Hauptstadt etwas. Es ist nur so, dass wir jetzt anders vorgehen müssen, wenn wir Hilfe von einem Träumer brauchen. Und diese simple Tatsache hat auf ein paar andere Dinge einen Einfluss. Aber es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen alles erklären müsste. Ich glaube aber, dass wir gelernt haben, damit umzugehen.“

      Andy nickte langsam. Er war sich nicht sicher, ob er sie verstanden hatte: „Brauchen Sie also noch meine Hilfe oder nun doch nicht mehr?“

      Jack zuckte mit den Schultern: „Ich glaube, wir werden zurechtkommen. Aber Sie sind wegen diesem Mädchen hier, also brauchen Sie wohl unsere Hilfe.“

      Andy nickte: „Ja. Wie gesagt, die Schatten haben dieses Mädchen in ihrer Gewalt, und wenn wir nicht schon bald etwas unternehmen, dann werden sie Alice aus ihr machen. Ich habe so das ungute Gefühl, dass es zumindest den Tod ihrer Persönlichkeit bedeuten würde. Ich kann nur immer noch nicht verstehen, wie ihnen allen entgehen konnte, dass die Schatten noch da und aktiv sind.“

      Wäre Agent Mens’ Blick ein Degen gewesen, dann wäre Andy nun ein toter Mann. So aber spürte er nur eine unangenehme Gänsehaut bei dem eisigen Blick seiner hellblauen Augen: „Mir ist kein Beispiel des menschlichen Organisationsgenies bekannt, das in einem Chaos der Ausmaße eines Weltuntergangs in der Lage wäre, eine Handvoll Personen im Blick zu behalten, bei denen man davon ausgeht, dass sie tot sind, und die sich offensichtlich bedeckt halten. Was auch immer sie bei Ihnen getrieben haben, auf unserem Radar hat es keine Aktivitäten gegeben, die auf ihr Überleben hätten hinweisen können. Und verzeihen Sie bitte, dass wir uns nicht um irgendwelche Kollateralschäden auf Ihrer Seite Gedanken machen konnten, wenn wir ums nackte Überleben kämpften.“

      „Kollateralschäden?!“, Andy war augenblicklich außer sich.

      Doch bevor auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, hauchte Astasia ein kühles Flüstern in die Runde, das seinem Zorn sofort jegliche Grundlage entzog: „Sie haben gezögert, sich auf unsere Bitten einzulassen, weil Sie Ihre Prioritäten gehabt haben, obwohl es bei uns um weitaus mehr ging als ein Leben. Nun hatten wir unsere Prioritäten. Und jetzt beruhigen Sie sich, bevor ich Ihnen vorrechne, dass sie eine einzige entführte Person aus Ihrer Welt höher bewerten als all die vielen Toten auf unserer Seite.“

      Andy atmete tief durch: „Die Schatten gehören dennoch zu Ihnen, und ich denke nicht, dass sie das Recht zu dem haben, was auch immer sie tun.“

      Dannel rollte mit den Augen: „Haben Sie das Mädchen schon gefragt? Vielleicht gefällt es ihr ja. Vielleicht haben die Schatten sie sogar vorher gefragt. Steve hat bei uns auch eine Menge Spaß gehabt, bevor jemand brutal seine Freunde abgeschlachtet hat.“

      Andy fixierte ihn mit seinem Blick: „Ich denke, dass sie nicht sie selbst ist und darum keine Entscheidungen treffen kann. Ich denke auch, dass man sie nicht gefragt hat und dass sie keine andere Wahl hatte. Glauben Sie allen Ernstes, dass die Schatten jemanden um Erlaubnis fragen würden? Das ist kein Spaß, also helfen Sie mir bitte, sie da rauszuholen. Vielleicht kann ich dann noch etwas für Sie tun.“

      Die anderen wechselten die Blicke. Dann wandte sich erneut Agent Mens an ihn: „Also gut. Sobald Sie einen guten Plan haben, wie Sie das durchziehen können ohne in die Spiegel zu gehen, bekommen Sie von mir alle Unterstützung, die ich entbehren kann.“

      Andy sah ihn fragend an: „Sollte es nicht reichen, wenn man da mit einem Dutzend Agenten rein geht? Es sind doch nur vier.“

      Mens schüttelte den Kopf: „Nein. Die Spiegel sind Kraft des Willens von Lady Ellie ihre Domäne geworden. Dort haben wir kaum Chancen, erst recht nicht, wenn das Mädchen sich sträuben sollte. Dann sind wir sowieso erledigt, da ich annehme, dass sie sich eine Träumerin ausgesucht haben.“

      Andy überlegte kurz und sah fragend zu Arina: „Steve ist doch noch irgendwo da draußen. Würde er sich nicht an den Mördern seiner Freunde rächen wollen?“

      Sie seufzte: „Natürlich würde er das, so wie ich ihn kenne. Aber... ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie und wo ich ihn finden kann. Selbst der Herr der Spinnen mit all seinen Netzen könnte Schwierigkeiten haben, nachdem Steve für gewöhnlich seine Vorkehrungen trifft, um nicht von den Anhängern der Gnadenlosen aufgespürt zu werden. Ich könnte natürlich versuchen, ihn auf meine Weise zu erreichen, aber ich habe keine Garantie, dass es klappt. Wir können uns nicht darauf verlassen.“

      Jack zuckte mit den Schultern: „Ich könnte mich auf die Suche nach ihm machen. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich ihn rechtzeitig auftreiben kann, womit wir wieder bei Arinas Schlussfolgerung ankommen. Und außerdem habe ich den Schatten seinerzeit versprochen, dass wir sie nicht an ihn ausliefern werden, wenn sie uns gegen den Schergen helfen, was sie auch getan haben. Ich würde es lieber sehen, wenn er sie weiterhin für tot hält. Er hat außerdem sicherlich genug damit zu tun, die Gnadenlose zu verfolgen.“

      Andy seufzte und sah zu Agent Mens: „Dann würde ich zu meinem ersten Vorschlag mit dem Dutzend Agenten zurückkommen. Wenn ich das Mädchen in Schach halten und sie vielleicht sogar vom Einfluss der Schatten lösen kann, dann müsste es doch erst recht möglich sein.“

      Agent Mens setzte eine nachdenkliche Miene auf und schüttelte dann den Kopf: „Ausgeschlossen. Selbst das Szenario mit dem bestmöglichen Verlauf endet fatal. Ich werde keine Selbstmordmissionen gutheißen.“

      Andy verschränkte die Arme vor der Brust: „Ich kann das einfach nicht glauben.“

      Mens sah ihn ernst an: „Ich würde es Ihnen ja zeigen, aber Sie haben leider eine Abneigung gegenüber unserer Art von Informationsübertragung.“

      Arina schmunzelte: „Ich habe kein Problem damit, zeigen Sie es mir.“ Nach einer kurzen Pause, in der er sie äußerst skeptisch und misstrauisch beäugte fügte sie schelmisch hinzu: „Ich werde auch nicht versuchen, Sie zu verzaubern. Ehrenwort.“

      Der Agent grinste schief: „Das will ich Ihnen auch geraten haben in Anbetracht dessen wozu ich fähig wäre, wenn Sie es versuchen.“

      Sie murmelte: „Nur keine Sorge, auf Schmerzen stehe ich so gar nicht.“

      Er nickte, beugte sich vor zu ihr und zog ihren Kopf an seinen. Seine Lippen legten sich auf ihre. Wenige Sekunden später spannte sich ihr Körper an, ein leidvolles Aufstöhnen entstand in ihrer Kehle. Weitere Augenblicke später riss sie sich los von ihm, die Augen weit aufgerissen und von Tränen glänzend, auf den Wangen fiebrige rote Flecken.

      Einige tiefe Atemzüge später lächelte sie aber wieder – offensichtlich mehr ein Versuch, sich selbst zu beruhigen als jemand anderen – und sah dann mit einem Seufzen zu Andy: „Also, ich glaube ihm. Das wird ein Himmelfahrtskommando, wenn wir da mit Gewalt vorgehen wollen.“ Und dann fügte sie ganz leise hinzu: „Kein Wunder, dass niemand mit einem Agenten knutschen will.“

      Agent Mens rollte mit den Augen und lehnte sich in seinen Sitz zurück, die Arme vor den Körper verschränkt. Er wirkte so, als ob er sich einen bissigen Kommentar verkniffen hatte.

      Der Engel fügte leise hinzu: „Ich würde mich ja als Köder anbieten, um sie aus der Reserve zu locken, aber ich befürchte, dass das keinen Nutzen hätte. Ich habe nichts, was die Schatten wollen würden. Aber wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es mir.“

      Andy nickte. Seine Gedanken wirbelten herum, zusammenhangslos und sprangen mal hierhin, mal dahin. Er konnte nicht sagen, wieso sie schließlich wieder bei Elaines Geschichte landeten – vermutlich weil Alice zu ihr gehört hatte – und da kam ihm eine neue Idee: „Wissen die Schatten eigentlich, was sie tun? Ich meine, gibt es irgendwo ein Regel, die besagt, dass sie in der Lage sind, Alice zurück zu bringen? Sind... geistige Übernahmen deren Spezialgebiet? Könnte