„Ganz wie Sie wünschen, Vic.“
„Sehen Sie, es wird immer schwieriger, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union geeignete Lagerstätten zu finden. Die Gegenseite schläft ja nicht. Die Masche mit den von Strohmänner gemieteten Häusern hat sich längst herumgesprochen und es wird immer schwieriger, so eine Nummer durchzuziehen, ohne dabei als Investor selbst ein erhebliches juristisches Risiko einzugehen.“ Vic Noureddine beugte sich vor. „Russland ist das größte Land der Erde. Da gibt es doch mehr als genug einsame Gegenden in denen man etwas vergraben kann, was danach garantiert zwanzig oder dreißig Jahre lang nicht gefunden wird.“
Makarow grinste schief.
„Da ließe sich auf jeden Fall etwas machen“, war er überzeugt. „Vorausgesetzt natürlich, Sie könnten die Verschiffung der in Frage kommenden Giftmüllmengen diskret veranlassen.“
„Das geht. Die nötigen Kontakte habe ich längst. Bislang habe ich Afrika als ausländisches Ziel bevorzugt, aber es könnte durchaus lohnend sein, sich auch mal anderswo umzusehen.“
„Ich werde Ihnen eine vollständige Kalkulation zukommen lassen, dann können Sie beurteilen, ob sich das für Sie lohnt“, meine Makarow. „Von meiner Seite aus sehe ich da keinerlei Probleme. Das könnte ein glänzender Deal werden.“
„Das sehe ich auch so... Peter!“
Vic zögerte, ehe er die deutsche Form von Makarows Vornamen aussprach. Der Chef des Noureddine-Syndikats war eigentlich ein eher förmlicher Mensch, der jede Form der Anbiederung hasste, von einem lockeren Umgangston hielt er nichts, er bevorzugte militärische Strenge, denn anders, so sein Credo, konnte ein Syndikat einfach nicht zusammengehalten werden.
„Es freut mich, dass Sie unseren Ideen so aufgeschlossen gegenüberstehen, Peter“, sagte Vic etwas gedehnt.
17
Anderthalb Stunden später verließen zunächst Makarow und sein Gefolge und später die Noureddines und ihre Leute das Lokal „Chez Pierre“.
Der Chef persönlich verabschiedete die Gäste.
Eine dunkle Stretchlimousine fuhr genau im passenden Moment vor. Vic Noureddine wollte nichts dem Zufall überlassen. Dazu fühlte er sich einfach zu stark bedroht. Als er ins Freie trat, griff er in die Westentasche seines dreiteiligen Anzugs und holte eine silberne Tablettendose hervor. Er nahm ein paar Dragees daraus und schluckte sie trocken herunter. Vic hoffte, dass ihn das ein wenig beruhigen würde.
Die Limousinentür wurde ihm aufgehalten. Seine Leibwächter schirmten ihn so gut es ging ab. Das Fahrzeug selbst war gepanzert. Schon seit geraumer Zeit traute sich Vic Noureddine nicht mehr, ein ungepanzertes Fahrzeug zu benutzen.
Die Nachricht, nach der er auf der Todesliste jenes Superkillers namens Blitz stand, hatte ihn in dieser Ansicht nur bestärkt.
Sie werden alle teuer bezahlen!, durchzuckte es ihn. Alle, die glauben, mich aus dem Weg räumen zu können!
Ein roter Punkt tanzte durch die Luft. Der Laserstrahl eines Zielerfassungsgewehrs brach sich für einen Sekundenbruchteil an der Radioantenne der Limousine.
Ein Ruck durchlief Vic Noureddines Körper, als er noch etwa drei Meter von der offen stehenden Limousinentür entfernt war.
Eine Kugel riss ihm das Hemd knapp unterhalb des Halses auf. Ein zweiter Schuss traf ihn. Aber trug darunter eine Kevlarweste. Die Bodyguards schoben ihn auf die Limousine zu und umringten ihn dabei mit ihren Waffen im Anschlag. Einer der Leibwächter schrie auf, als eine Kugel seine Wange steifte und anschließend an Vic Noureddines Schulter vorbeistreifte. Der Anzug, den er trug wurde aufgerissen. Blut quoll hervor.
„Oh, nein, nicht auch noch das!“, schimpfte Vic.
„Er muss da drüben sein!“, rief einer der Bewaffneten und deutete auf ein fünfzehnstöckiges Gebäude, das sich ein paar Straßen entfernt befand und über mehrere Reihen niedrigerer Häuser hinausragte. Es handelte sich um den Rohbau eines Kaufhauses. Kräne und Gerüste ragten an den Fassaden empor.
Maik saß inzwischen neben ihm auf der Hinterbank der Stretch-Limousine. Vic saß mit schmerzverzerrtem Gesicht daneben und versuchte mit seiner Hand die Blutung an der Schulter zu stillen. Rot rann es ihm zwischen den Fingern hindurch.
Endlich stiegen auch die Leibwächter zu.
Die Stretch-Limousine raste mit quietschenden Reifen davon.
„Bist du in Ordnung, Onkel Vic?“, fragte Maik.
„Was heißt hier in Ordnung! Um ein Haar hätte eine der Kugeln meinen Hals durchschlagen und im Moment fühle ich mich, als wäre eine Dampframme über mich drüber gegangen!“, rief Vic aufgebracht.
Einer der Leibwächter kümmerte sich um die Verwundung des Bosses und sorgte dafür, dass sie notdürftig verbunden wurde.
„Was denkst du?“, fragte Vic. „Hat dieser Kommissar Jörgensen Recht, der mich vor Blitz warnte?“
„Scheint so“, murmelte Maik Noureddine, an den diese Frage gerichtet war. Aber der zweite Mann des Noureddine-Syndikats blickte fast gedankenverloren durch die getönten und mit Spiegelglas versehenen Scheiben der Stretch-Limousine.
„Glaubst du, Timothy Kronewitteck und seine Meute haben von unserer Zusammenkunft mit Makarow und seinen Leuten gehört und wollte eine Übereinkunft verhindern?“
„Onkel Vic, was soll ich dazu sagen? Ich kann mich unmöglich in das kranke Hirn dieses Mannes versetzen, der sich Blitz nannte“, versetzte er ziemlich genervt.
„Vielleicht sollte ich handeln und diesen Kronewitteck und seine Brut aus dem Weg räumen“, brummte er.
18
„Wir werden die Spuren verfolgen, die Sie uns mitgebracht haben, Uwe“, versprach Kriminaldirektor Hoch, nachdem er sich endlich gesetzt hatte. Wir saßen im Büro unseres Chefs und tranken einen Becher Kaffee. Außer uns waren noch eine Reihe weiterer Kommissare unseres Polizeipräsidiums anwesend, darunter Stefan, Selcuk, Kalle und Hansi. Kriminaldirektor Hoch fuhr fort: „Allerdings glaube ich nicht, dass es uns besonders weiterhilft, wenn wir alle Speditionen heraussuchen, die in ihrer Fahrzeugflotte einen Atego 500 haben.“
„Es wäre immerhin ein Anfang“, meinte ich. „Und wenn man noch weitere Raster anlegt, könnte man die Zahl der Treffer einschränken. Zum Beispiel indem man erstmal nur Speditionsfirmen berücksichtigt, von denen bekannt ist, dass sie chemische Abfälle transportieren.“
Kriminaldirektor Hoch hob die Augenbrauen. Er wirkte immer noch ziemlich skeptisch, nickte schließlich aber dennoch. „Unsere Innendienstler werden sich darum kümmern, Uwe. Und vielleicht finden sie ja sogar die Identität dieses Obdachlosen heraus... Aber wir werden darauf nicht unsere Prioritäten ausrichten können. Dazu hält uns ein anderer Bursche zu sehr in Atem.“
Kriminaldirektor Hoch schaltete einen Beamer an, mit dessen Hilfe ein Bild an die Wand projiziert wurde.
Das Gesicht eines jungen Mannes war zu sehen. Er war Mitte zwanzig, hatte dunkles Haar und trug eine Uniform der Bundeswehr.
„Das ist – oder war – Arvid Lennart Alexander, Leutnant bei den Kommando Spezialkräften der Bundeswehr. Das Foto ist allerdings schon fünfundzwanzig Jahre alt. Alexander verschwand unter mysteriösen Umständen. Er wird noch heute als fahnenflüchtig geführt, aber inzwischen gilt es als ziemlich sicher, dass er mit dem Killer namens Blitz identisch ist. Die drei ersten Morde, die Blitz zugeschrieben werden, wurden mit Waffen begangen, die er aus einem Bundeswehr-Depot entwendete, bevor er untertauchte. Fast fünfzehn Jahre lang war er seitdem als Profi-Killer aktiv, bis er sich wahrscheinlich vor fünf Jahren mit einem geschätzten Vermögen von zehn Millionen Dollar zur Ruhe setzte. Jedenfalls ist seitdem keine Tat mehr bekannt geworden, die die Handschrift dieses Mannes getragen hätte. Außerdem sind einige frühere Auftraggeber