Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738089936
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und ich verbrachten den Rest des Vormittags mit Computerrecherche. Heinz Allwörden gab uns einen Überblick über das Netzwerk des Noureddine-Syndikats. In großen Teilen beruhte dieses Netzwerk aus Firmen, Speditionen, Reedereien und Import/Export-Agenturen auf unseren Vermutungen. Vic Noureddine war eben clever genug, um dafür zu sorgen, dass keine Verbindungen zweifelsfrei zu ihm führten. Aber vielleicht war Talani endlich der Schlüssel dazu, einem gefährlichen Kriminellen das Handwerk zu legen.

      „Irgendetwas muss schief gelaufen sein, sonst wäre es nicht nötig gewesen, Talani zu ermorden“, meinte ich.

      „Du vermutest, dass Noureddines Organisation dahinter steckt?“, schloss Roy.

      Ich zuckte die Achseln. „Es wäre doch eine Möglichkeit! Schließlich wurde Talani doch zu einem Sicherheitsrisiko für alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben.“

      „Ich frage mich, weshalb der Kerl überhaupt noch im Land geblieben ist“, meinte Roy. „Es wäre doch viel klüger gewesen, längst zu verschwinden.“

      „Möglicherweise gab es dafür finanzielle Gründe“, ergänzte Heinz. „Seit er in der Fahndung ist, dürfte es schwierig für ihn gewesen sein, an sein Geld heranzukommen. Es ist ihm zwar gelungen, einen Teil seines Geldes verschwinden zu lassen, bevor wir Zugriff auf die Konten hatten, aber ich persönlich vermute, dass Talani in den letzten Monaten eine andere Identität angenommen hatte, die uns bislang nicht bekannt ist."

      Am frühen Nachmittag kehrten Hansi und Kalle von dem Tatort im Coffee Shop zurück und informierten uns über die bisherigen Ermittlungsergebnisse.

      Gegen vier Uhr nachmittags erhielten wir dann einen Anruf von Harry Käding. Käding war Buchmacher in St. Pauli und versorgte uns hin und wieder mit Informationen. Er hatte hervorragende Kontakte und außerdem die Gabe, förmlich das Gras wachsen zu hören.

      „Ich muss Sie unbedingt sprechen, Kommissar Jörgensen“, äußerte er am Telefon.

      „Worum geht es denn?", fragte ich.

      „Kann ich am Telefon nicht sagen", meinte er. „Wir treffen uns um halb acht in der Selene Bar. Kennen Sie die?"

      „Ich werde da sein", versprach ich.

      Käding legte auf.

      Ich informierte Roy über das Gespräch.

      „Ich kann mir eine schönere Feierabendbeschäftigung denken, als mich mit Harry Käding zu treffen", meinte Roy etwas missmutig.

      „Wieso, hattest du schon was vor?", grinste ich.

      Roy verzog das Gesicht. „Nein, aber ich kann diesen schmierigen Typen einfach nicht leiden."

      „Ich finde es nur seltsam, dass sich der Kerl uns dieses Mal geradezu aufdrängt, wo man ihm ansonsten jede Information einzeln aus der Nase ziehen muss!"

      Roy zuckte die Achseln. „Bin trotzdem mal gespannt, was er zu sagen hat. Schließlich hätten wir ihn im Zuge unserer Aktivierung von Informanten, die sich in der Szene von St. Pauli auskennen früher oder später ohnehin ansprechen müssen. So haben wir es wenigstens etwas schneller hinter uns.“

      8

      Harry Käding war ein übergewichtiger Mann mit glänzendem, schütterem Haar. Wir versuchten etwas früher in der Selene Bar zu sein, aber Käding war noch pünktlicher.

      „Das ist gar nicht seine Art“, raunte Roy mir zu. „Ich sag’s dir, da ist irgendetwas faul an der Sache.“

      „Die Tatsache, dass er dir nicht sympathisch ist, schalte am besten jetzt einfach mal aus“, riet ich meinem Kollegen.

      Allerdings fand ich es ebenfalls merkwürdig, dass ein Mann, der ansonsten dafür bekannt war, meistens etwas spät zu kommen, plötzlich geradezu überpünktlich am Treffpunkt erschien.

      Wir bestellten uns einen Drink und setzten uns zu ihm an den Tisch.

      „Sie sind früh dran, Herr Käding“, stellte ich fest.

      „Ich wollte sicher sein, dass mir niemand gefolgt ist“, erklärte er.

      „Also los“, forderte Roy ihn etwas ungeduldig auf. „Was ist so wichtig, dass wir hier sofort antanzen mussten und Sie meinem Kollegen nicht am Telefon sagen konnten?“

      „Sagt Ihnen der Name ‚Blitz’ etwas?“

      Natürlich sagte uns dieser Name etwas. Einer der gefährlichsten Auftragsmörder aller Zeiten war unter dieser Bezeichnung bekannt geworden. Er hatte mehr als dreißig Morde für verschiedene Syndikate begangen. Seit Jahren war er jedoch nicht mehr aktiv gewesen und es gab Gerüchte, wonach er sich irgendwo unerkannt zur Ruhe gesetzt hatte, um in Frieden sein Vermögen zu genießen.

      Die Kripo Hamburg war seit vielen Jahren hinter ihm her,

      Allerdings erfolglos. Und seit er sich aus dem aktiven Killer-Business zurückgezogen hatte, war es wohl nahezu unmöglich, noch auf seine Spur zu kommen. Vielleicht genoss er das Leben in Rio, Bangkok oder irgendeinem anderen sonnigen Plätzchen.

      „Was ist mit Blitz?“, hakte ich stirnrunzelnd nach.

      „Der Kerl ist wieder aktiv geworden.“

      „Warum sollte er das tun?“, mischte sich Roy ein. „Dieser Mann hat mit seinen Mordaufträgen mehr Geld verdient, als er jemals ausgeben kann. Er müsste schon reichlich dämlich sein, um noch mal zur Waffe zu greifen und damit das Risiko einzugehen, dass die Justiz es doch noch schafft, sich an seine Fersen zu heften!“

      Käding trank sein Glas leer. Er grinste über das ganze Gesicht. Nacheinander musterte er uns kurz und schien dabei abzuschätzen, in wie fern es ihm gelungen war, unser Interesse zu wecken.

      „Wie gesagt, es gehen im Moment eine Menge Gerüchte in der Szene um. Eines besagt, dass Blitz es tatsächlich geschafft hat, sein ganzes Vermögen durchzubringen und jetzt wieder arm wie eine Kirchenmaus ist. Er ist also darauf angewiesen wieder zu arbeiten.“

      „Ich kann nur hoffen, dass dieses Gerücht eine Ente ist“, meinte Roy. „Was sollen wir jetzt machen? Nur auf Grund vager Andeutungen eines Informanten die Fahndung nach einem Mann wieder aufnehmen, der es sich wahrscheinlich irgendwo unter südliche Sonne gut gehen lässt?“

      „Ich habe diese Informationen aus einer brandheißen Quelle“, erklärte Käding. „Wenn ich sie Ihnen nenne, erfahre ich von dort nie wieder etwas. Aber in den letzten Jahren konnten Sie sich auf meine Tipps eigentlich immer verlassen – oder hatten Sie jemals Anlass, sich zu beklagen?“ Er beugte sich vor und sprach jetzt in gedämpftem Ton weiter. „Ich weiß auch, wer als nächster auf der Abschussliste dieses Killers steht!“

      Ich hob die Augenbrauen.

      „So?“

      „Vic Noureddine, der Mann, dessen weißer Weste es niemand ansieht, dass er sich damit im Müll gewälzt hat.“

      In diesem Augenblick gingen mir tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf. Konnte das ein Zufall sein? Ausgerechnet Vic Noureddine der Mann, der vielleicht hinter Mahmut Talanis Machenschaften steckte, wurde uns hier von Käding als potentielles Mordopfer präsentiert!

      „Wer steckt dahinter?“, hakte Roy ziemlich ungeduldig nach.

      „Hey, Kommissar! Ihren Job müssen Sie schon selber machen. Aber einer wie Blitz nimmt Spitzenhonorare für seine Mörderdienste. Selbst dann, wenn ihm das Wasser bis zum Kragen steht und er in Geldnot ist. Sie können sich also an den Finger einer Hand ausrechnen, wer da als Kunde in Frage kommt! Und wenn man dann noch Vic Noureddines rasanten Aufstieg in den letzten Jahren sieht... Er hat ziemlich brutal jeden Konkurrenten aus dem Rennen geschlagen und da sind einige auf der Strecke geblieben. Andere mussten sich mit den hinteren Plätzen im Müll-Business zufrieden geben. Ich wette, da gibt es viele, die ihn die Pest an den Hals wünschen...“

      „Oder eine tödliche Klette wie Blitz“, vollendete Roy Müller den Satz.

      Käding