„Nein, ein Geschenk für dich, weil ich dich liebe!“
„Ich liebe dich auch, Cherry, aber ich habe kein Geschenk für dich!“
Nun konnte Hazel es kaum erwarten, dass Valentin das Geschenk auspackte. Sie setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn beiläufig die Wange. Dann wurde sie unruhig und drückte ihm das Geschenk in die Hand, half ihm, riss die üppige Schleife weg und löste das Papier. Valentin musste nur noch den Deckel vom Karton heben. Er zog ein gelbes Strampelhöschen heraus. Verwundert sah er sie an.
Aufgeregt sprang Hazel von seinem Schoß, trippelte von einem Bein auf das andere und schrie: „Valentin, Valentin, wir erwarten ein Baby! Ein Baby! Verstehst du?“
Sieben Jahre später
Valentin sah in den Spiegel, als er den Rasierschaum in sanften Strichen auftrug. Dampf von der Feuchtigkeit der Dusche erfüllte das Badezimmer. Er wischte mit dem Handtuch über den beschlagenen Spiegel. Das Licht brach sich darin, und der Wasserdampf, der durch den Raum wirbelte, wurde sichtbar. Konzentriert spannte er mit den Fingern die Haut, um sich geübt, mit leichtem Druck, gegen die Richtung des Haarwuchses zu rasieren.
Hazel sah ihm zu. Sie sah ihrem Mann gern beim Rasieren zu. Seine Schlafanzughose hing knapp über die Hüften, sein Oberkörper war nackt. Er sah sexy aus. Sie umarmte ihn von hinten. Der herbe Geruch des Rasierschaumes durchströmte den Raum.
Leise fragte sie: „Valentin, könntest du heute etwas früher vom Büro kommen? Victoria feiert ihren Geburtstag. Sie hat Freundinnen eingeladen. Victor kommt auch zum Kaffee. Er kümmert sich sehr um sein Patenkind, du hast ihr einen guten Paten ausgesucht!“
„Victor war stets ein guter Freund, deshalb war es nicht schwer, ihn auszuwählen. Hazel, du weißt, ich habe sehr viel zu tun. Ich kann wirklich noch nicht versprechen, früher nach Hause zu kommen. Natürlich werde ich es versuchen, aber wartet nicht auf mich“, antwortete Valentin, während er sich mit dem Handtuch Schaum vom Gesicht wischte.
Sie löste ihre Umarmung. „Valentin, du gehst jeden Morgen um sieben aus dem Haus und kommst nicht vor neun zurück. Fünf Tage in der Woche, und samstags arbeitest du auch noch! Ich denke, du darfst einmal das Büro ein paar Stunden früher verlassen. Davon wird die Welt nicht untergehen“, sagte sie aufgebracht, während sie die Hände in die Hüften stemmte und sich vor die Tür positionierte, um ihm den Ausgang zu versperren. „Ich bitte dich nicht meinetwegen! Ich bitte dich für Victoria, verstehst du? Ich will, dass du am Familienleben teilnimmst, dass du nicht nur für die Arbeit lebst!“
„Ich werde sehen. Aber ich rufe die Geburtstagsmaus auf jeden Fall an. Bis dann, mein Schatz“, erwiderte Valentin, gab ihr eilig einen Kuss, schob sie durch die Tür und verließ kurz darauf das Haus.
Um zehn rief er an.
„Hallo, Liebes! Alles Gute zu deinem sechsten Geburtstag! Ich habe dir dein Geschenk auf den Küchentisch gestellt. Pack es schon mal aus, ich weiß noch nicht genau, wann ich heute kommen kann. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag mit deinen Freundinnen!“
„Danke Papa!“, erwiderte Victoria wohlerzogen.
Valentin blieb wie immer zu lange im Büro. Er kam nach Hause, als die Geburtstagsgäste alle gegangen waren und Victoria schon schlief.
Professor Krumschnabel
Valentin hielt immer noch regen Kontakt mit Professor Krumschnabel. Er besuchte ihn zu verschiedenen Anlässen. Der alte Herr war ihm irgendwie ans Herz gewachsen, denn er hatte für jede Lebenslage einen guten Rat. Das letzte Gespräch vor ein paar Wochen, als sie sich zum Essen auf der Steinburg getroffen hatten, ging Valentin nicht aus dem Kopf. Er beschloss, ihn zu besuchen. Er beauftragte seine Sekretärin, Schnupftabak und eine gute Flasche Wein zu besorgen und schaute nach Büroschluss bei ihm vorbei.
Es war ein ruhiger Frühlingstag. Das Gras war saftig grün, die Bäume blühten, und erste Frühlingsboten sprossen. Rote und weiße Rosen und Tulpen zeigten ihre Fülle. Das Haus war in den Hang gebaut. Ein Stück des Gartens war als Weinberg angelegt.
Jetzt erblickte er den Professor, wie er Reben schnitt. Abgeschnittene verholzte Ruten hatte er sorgfältig aufgetürmt und aus dem Weinberg entfernt, und die wenig Ruten, aus denen die neuen Triebe treiben sollen, bog er vorsichtig um den Draht und befestigte sie daran mit Weiden. Fasziniert beobachtete Valentin den Professor bei der Arbeit, bis dieser ihn bemerkte und rief: „Hallo, Valentin, ich bin gleich soweit! Nur einen kleinen Augenblick!“
Valentin sah seine Liebe zu den Weinbergen. Wie vorsichtig er die Reben berührte, damit sie nicht brachen! Er trug einen Strohhut und eine beigefarbene Hose. Die Hosenbeine waren sorgfältig hochgewickelt, und dazu trug er ein grünes Hemd und braune Hosenträger. Valentin hatte den Professor noch nie so entspannt gesehen. Er erledigte seine Arbeit mit Sorgfalt und Ruhe. Langsam kam er die Weinbergszeile herunter.
„So ein Weinberg macht viel Arbeit! Aber wenn man dann die Ernte sieht, entschädigt das für ein ganzes Jahr, das man hart gearbeitet hat. Weißt du, Junge, diese Technik des Anbindens hat den Vorteil, dass im Frühjahr jede Knospe gleichmäßig mit Mineralsalzen und Kohlenhydraten aus dem Stammholz versorgt wird und jeder Trieb nahezu ein gleich schnelles Wachstum erreicht. Und der Winterschnitt, den ich da noch liegen gelassen habe (dabei zeigte er auf die alten verholzten Ruten), der lässt sich dann gut verbrennen oder als Holzschnitzel in den Boden einarbeiten, als Dünger. Meine Eltern waren Winzer. Deshalb habe ich mir einen eigenen kleinen Weinberg angelegt. Das Grundstück am Hang eignet sich perfekt dafür. Die Arbeit war für mich auch ein Ausgleich zur Uni. Bis heute mache ich die Garten- und Weinbergsarbeit selbst, und es macht mir viel Spaß. Seit jeher baue ich mir den Wein selber aus, und der Vorrat reicht für mich. Du weißt, ich bin allein. Meine Frau ist vor zehn Jahren gestorben.“ Er hielt inne und dachte nach.
„Die Kinder besuchen mich regelmäßig. Deshalb bin ich hier geblieben, in diesem Haus. Wenn ich Besuch bekomme, habe ich für alle Platz. Aber genug von meinem Hobby! Gehen wir rein!“ Er zog die Schuhe aus und öffnete die Tür. Bedächtig ging er in den Keller, um eine Flasche gut temperierten Wein zu holen.
Valentin genoss die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse, die sein Gesicht wärmten. Die Vögel zwitscherten. Der Garten war ein Paradies. Der Professor pflegte die Anlage natürlich, auf seine Weise. Er beneidete ihn wegen der Ruhe, Ausgeglichenheit, und Zufriedenheit, die er ausstrahlte.
Pfeifend, einen Bocksbeutel unter dem Arm und zwei Gläser in der Hand, kam der Professor zurück.
„Hier habe ich uns einen feinen Tropfen mitgebracht!“, trällerte er und schenkte ein. Genüsslich trank er einen Schluck.
„Ja, der lässt sich trinken! Ein Domina, aus dem Barriquefass.“
Nun schenkte er in beide Gläser ein. „Dem Boden und dem milden Klimas hier am Main verdanken wir diese mineralstoffhaltigen Weine mit ihrem würzigen Geschmack. Ich baue nur zwei Rebsorten an: den typischen Silvaner, einen meiner Lieblingsweine. Und eben den Domina.“
Während er von den Rebsorten plauderte, ging er hinein, setzte sich an den Flügel und spielte eine Passage aus Don Giovanni. Valentin lauschte von der Terrasse aus. Schließlich nahm er sein Glas, ging hinein, setzte sich neben den alten Mann und hörte ihm zu.
„Don Giovanni ist ein berühmter, schöner und grausamer Frauenheld. Er tötet einen Ritter, nachdem er seine Tochter entführt hat. Der Sage nach soll Don Giovanni später die Statue des von ihm Getöteten auf dessen Grabmal beleidigt haben. Darauf schnappt die steinerne Figur ihn sich und zieht ihn hinab in die Hölle! Mozart hat den Stoff in einer Oper verarbeitet, wie du bestimmt weißt. Die Uraufführung damals in Prag war ein überwältigender Erfolg. Mozart, dieses musikalische Genie, das trotz aller Erfolge früh starb und dann in einem Armengrab verscharrt wurde. Eine wunderbare Musik, nicht wahr?“
„Ja, wunderbar“, bestätigte Valentin.
„Valentin,