Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Gustav Haders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Haders
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752907704
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den Schlafsaal der großen Jungen!“ keuchte er. „Das haben etliche der großen Jungen getan. Wir müssen dort anlangen, ehe sie wieder in ihren Betten liegen, wenn wir sie ertappen wollen. Es wird schon zu spät sein. Hosen sind schnell abgeworfen, und weiter werden die Jungen sich nicht angezogen haben, um uns diesen niederträchtigen Streich zu spielen.“

       Ja, wir kamen zu spät. Als wir im Schlafsaal der großen Jungen anlangten, waren die sämtlichen Betten gefüllt, und alle, die darin lagen, schienen fest zu schlafen. Wenn Sims mit seiner Annahme recht hatte, dass etliche der Jungen die Steinewerfer waren, so stellten sie sich schlafend; Zeit, ihre Hosen abzustreifen und unter ihre Decken zu kriechen, hatten sie bis zum Augenblick unseres Eintritts genügend gehabt.

       Unverrichteter Sache verließen wir den Schlafsaal und gingen langsam dahin zurück, woher wir gekommen waren.

      „Wem galten diese Steinwürfe?“ fragte ich, „dir oder mir?“

      „Wie sollten sie dir gelten können?“ meinte Sims.

      „Wenn ich an das denken, was Dohaschtida mir gesagt hat, so liegt der Gedanke, dass es so sei, nicht außer dem Bereich der Möglichkeit. Die größeren Jungen, die ihr hier habt, sind ja schon halbe Männer. Es wäre nicht unmöglich, dass meine Worte ähnlichen Eindruck auf sie gemacht hätten, wie auf Dohaschtida, und dass sie gleichen Groll wider mich gefasst hätten, wie er ihn fasste.“

      „Mach dir doch nicht solche Gedanken!“ sagte Sims abwehrend. „Die jungen haben sich über irgendetwas geärgert und haben auf diese Weise ihren Ärger gegen uns und die Schule, die sie nun einmal hassen, und von der sie nichts wissen wollen, Luft gemacht. Das ist alles, was dahintersteckt. Es ist gar nicht nötig, die Sache irgendwie tragisch zu nehmen. Wir sind an derartige Ausbrüche des Unwillens der Indianer gewöhnt.“

       Es war ja ganz nett von Sims, dass er so redete, und er meinte auch wohl, was er sagte; aber vollständig überzeugen und beruhigen konnten mich seine Worte nicht.

       Als wir beim Hause anlangten, sagte ich: „Ich denke, wir trennen uns hier. Es ist Zeit, dass wir uns zur Ruhe begeben.“

       Sims erwiderte: „Wir hätten schon noch eine Stunde plaudern können, aber hier draußen ist’s zu kühl, und in meinem Zimmer ist’s jetzt nicht gemütlich.“ Er lachte, reichte mir die Hand, und wir begaben uns zur Ruhe.

       * * *

      Ein Zeitungsausschnitt

       Schon vor Tagesgrauen hatte Sims die sämtlichen großen Jungen aus den Betten geholt, und als er um acht Uhr zum Frühstück erschien, wo wir uns zuerst sahen, denn ich hatte lange geschlafen, konnte er mir berichten, dass die Fenster bereits wieder eingesetzt seien und dass in seinem Zimmer alles in alter Ordnung sei.

      „Hast du keine Spur von den Tätern entdeckt?“ fragte ich.

      „Nein“, sagte Sims, „du kannst gern laut reden, die Herren und Damen wissen bereits alle, was vorgefallen ist. Wir werden die Täter auch nicht entdecken können. Von uns Weißen hat niemand etwas gesehen, und von den Indianern würde niemand etwas sagen.“

       Hiermit war die Sache erledigt.

       Nur einer der anwesenden Herren, der „Disciplinarian“ der großen Knaben, sprach noch die Meinung aus, je weniger man aus der Sache mache, desto besser sei es. Man müsse bei den Jungen den Gedanken wecken, dass sie mit so etwas niemanden ärgern könnten, dann würden sie es weniger leicht wiederholen.

       Am Abend, als Sims und ich wieder in meinem Zimmer zusammen waren, kam unser Gespräch auf Dohaschtida zurück. Die Art, in der ich über ihn redete, mochte wohl etwas übertrieben sein, und die Hoffnungen, die ich in Beziehung auf sein künftiges Verhalten laut werden ließ, etwas weitgehend erscheinen. In meiner schwärmerischen Schilderung verstieg ich mich dazu, zu behaupten, dass in Dohaschtida etwas von der Stärke des Mars und der Schönheit Apollos sei, dass er mich in seinem Wesen an die Härte eines Achilles und die Weichheit Hektors erinnere, und dass ich die feste Hoffnung habe, dass er, herausgerissen aus den Banden des Heidentums, eines Tages unter seinem Volke wirken würde wie der große Täufer in der Wüste, und die der andere Johannes, der an des Herrn Brust lag, den der Herr lieb hatte, und – und der den Herrn und die Menschen liebte.

       Sims hörte mir beständig lächelnd zu. Schließlich sagte er, seine letzten Worte vom vorigen Abend fast wörtlich wiederholend: „Mensch, glaubst du wirklich, es sei möglich, mit einem Menschen, wie dieser Dohaschtida einer ist, etwas anzufangen? Niemals wird etwas aus ihm werden. Niemand, und auch du nicht, könnte den Willen dieses Mannes brechen. Aber so, wie er ist, so sind sie mehr oder weniger alle. Sie haben ihren Kopf darauf gesetzt, dem Weißen nicht zu Willen zu sein. Darum muss man sie zwingen.“

      „Damit ist der Wille nicht gebrochen. Kennst du übrigens diesen Dohaschtida?“

      „Nein, persönlich nicht. Ich habe ihn auch noch nicht gesehen, habe nur von ihm gehört. Wie du weißt, war ich Sonntag verhindert, der Andacht beizuwohnen, und war also nicht Zeuge seines auffallenden Benehmens in der Halle. Ich bin aber überzeugt, dass dein Bekannter ein junger Indianer mit Namen Percy Sottan ist. Percy Sottan ist der Name, den er in der Schule erhalten hat. Du siehst schon seine Feindschaft wider alles, was von uns kommt, aus dem Umstande, dass er dir nicht diesen, sondern seinen Indianernamen Dohaschtida nannte. Percy ist vor etlichen Monaten von einer höheren Indianerschule in Neu Mexiko hierher zurückgekehrt. Er ist 500 Meilen zu Fuß gegangen, obwohl der Schulsuperintendent ihm eine Eisenbahnfahrkarte gekauft und eingehändigt hatte. Ich muss dir das vorlesen. Es stand etwas darüber in einer Zeitung. Ich habe den Artikel ausgeschnitten.“

       Sims stand auf und holte ein Buch, in das er Zeitungsausschnitte eingeklebt hatte. Nach kurzem Suchen und Blättern sagte er: „Hier habe ich es schon.“ Und er las: Albuquerque, Neu Mexiko. Januar 19.. Passagiere eines der hier durchlaufenden Züge erzählten in der Vorhalle des Bahnhofshotels während der einstündigen Wartezeit, die sie daselbst verbrachten, folgende interessante Begebenheit, die ein grelles Licht auf den noch immer ungebrochenen Stolz und Dünkel unserer heutigen Indianer wirft. Ein junger hochgewachsener Indianer trat in den Zug und setzte sich. Der Kondukteur kam zu ihm und bat ihn um seine Fahrkarte, Der Indianer reichte ihm dieselbe. Der Kondukteur machte mit seiner Zange die ordnungsmäßigen Löcher in die Fahrkarte und gab sie dem Indianer zurück. Die Karte musste noch durch die Hände anderer Kondukteure gehen, bevor der Indianer an sein Reiseziel kam, und musste erst in der Hand des letzten Kondukteurs bleiben. Hierauf wollte der Kondukteur dem Indianer einen kleinen farbigen Pappstreifen unter das Band seines Hutes schieben. Jeder Reisende weiß, dass dies allgemeine Sitte ist. Der Kondukteur weiß an der Farbe dieses Streifens, wie weit der Reisende fährt, und kann ihn aufmerksam machen, wenn sein Aussteige-Platz naht. Außerdem weiß er, wenn immer neue Reisende in den Wagen einsteigen, wen er bereits nach seiner Fahrkarte gefragt hat, und braucht niemanden zum zweiten Male belästigen. Diese kleine Karte hat alle ihre guten Eigenschaften. Sie hat dieselben für den Kondukteur sowohl wie für den Reisenden. Als nun der Kondukteur dem Indianer diese Karte an den Hut stecken wollte, sprang der Indianer auf und schrie den Kondukteur an: ‚Wer gibt dir ein Recht, mich anzufassen! Ich bin der alleinige Herr meines Körpers und alles dessen, was an demselben ist!‘

       In aller Ruhe setzte der Kondukteur dem Indianer auseinander, um was es sich handele und bat ihn dann, sich die Karte selber an den Hut zu stecken. ‚Ich bin ein Mensch‘, sagte der Indianer. Ich bin keine Kuh. Ich bin kein Pferd. Kühe werden gebrandmarkt. Menschen werden nicht gebrandmarkt. Ich werde die Karte nicht an meinen Hut stecken.‘ Er sprach nicht ohne Erregung.

       In beschwichtigendem Tone entgegnete der Kondukteur, der Indianer solle sich doch in die allgemeine Sitte fügen. Es sei Anordnung der Bahngesellschaft, dass solche Karten gegeben würden, und dann setzte er hinzu: ‚Sieh doch, alle Leute hier in diesem Wagen tragen solche Karten.“

      ‚Bah,‘