Feinde der Ashari. Lina-Marie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lina-Marie Lang
Издательство: Bookwire
Серия: Die Ashara-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075151
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Überreichen des Abzeichens, war er dann ein vollständiges Mitglied der Wache. Es war für Darec eine große Ehre. Seine Eltern waren einfache Bauern, die einen Hof einige Wegstunden von Seraint entfernt hatte. Darec hatte sich aber nie auf dem Hof gesehen. Er konnte sich nicht vorstellen Getreide anzubauen und Vieh zu züchten.

      Zum Glück hatte er mehrere Geschwister. Diese würden den Hof eines Tages übernehmen und Darec war somit nicht gezwungen, diesen Weg zu gehen. Er hatte schon immer davon geträumt, Soria zu bereisen und Abenteuer zu erleben. Er liebte Geschichten von Helden und Kämpfern und Reisen und Abenteuern. Schon als Kind hatte er gewusst, dass er irgendwann einmal selber Abenteuer erleben und Reisen unternehmen würde.

      Die Wache hatte Patrouillen in beinahe ganz Alluria. Stark bewacht waren nur die Städte und die nähere Umgebung, außerdem die Hauptstraßen zwischen den Städten. Aber es gab auch Patrouillen, die weiter abgelegene Gebiete gelegentlich besuchten.

      Der Hof von Darecs Eltern lag nicht weit von einer großen Handelsstraße entfernt. Deshalb hatte er dort immer wieder Wächter patrouillieren sehen. Eines Tages hatte er seinen ganzen Mut zusammengenommen und einen dieser Männer angesprochen. Der Wächter war freundlich gewesen und hatte Darec von seinem Leben bei der Wache erzählt. An diesem Tag hatte Darec beschlossen, dass er eines Tages ebenfalls ein Mitglied der Wache werden würde. Heute war der Tag, an dem sich dieser Wunsch erfüllen würde.

      Hauptmann Selius war nun bei Darecs Nachbar. Darec lies seinen Blick durch den Raum schweifen, studierte die Gesichter der anderen Anwesenden. Er konnte keine Abneigung entdecken. Einige schienen sogar stolz auf ihre neuen Kameraden zu sein. Sie waren hier als Zeugen; Zeugen des Mutes und der Taten der Neulinge; Zeugen, die bestätigen sollten, dass die Neuen es wert waren, in die Wache aufgenommen zu werden.

      Plötzlich entdeckte Darec ein vertrautes Gesicht, eine Frau. In dem Moment trat Hauptmann Selius auf Darec zu und versperrte ihm den Blick. Als Darec versuchte das vertraute Gesicht wiederzufinden, gelang es ihm nicht. Aber er hatte jetzt auch keine Zeit dafür.

      Hauptmann Selius drehte sich um, um einen Blick in die Richtung werfen zu können, in die Darec geschaut hatte. „Stimmt etwas nicht?", fragte er.

      „Nein Hauptmann. Alles in Ordnung. Ich glaube nur, ich habe eine Freundin gesehen."

      „Das kann sicher noch ein paar Minuten warten", sagte der Hauptmann mit einem Grinsen im Gesicht.

      „Natürlich Hauptmann."

      „Darec", sagte Hauptmann Selius jetzt, mit fester Stimme, sodass jeder im Saal ihn hören konnte. „Schwörst du dem Reich Alluria die Treue? Schwörst du die Dynari und die Bürger des Reiches zu schützen, mit deinem Leben?"

      „Ich schwöre", sagte Darec.

      „Dann willkommen in der Wache." Hauptmann Selius überreichte Darec sein Abzeichen. Es hatte die Form eines Schildes und war aus Metall. Es war klein und fühlte sich für seine Größe schwer an. Auf der Vorderseite war in kunstvollen Buchstaben der Schriftzug „Wache von Seraint" eingraviert. Auf der Rückseite stand sein Name. Das Abzeichen hing an einem Lederband, mit dem man es sich um den Hals hängen konnte. Darec betrachtete es einen Moment lang voller Stolz, dann legt er es an. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass Hauptmann Selius gerade dem letzten Mann sein Abzeichen überreichte.

      „Ein Hoch auf unsere neuen Brüder", rief der Hauptmann und der ganze Saal fiel ein und lies die Männer hochleben.

      Als der Lärm verebbt war, flog eine der Seitentüren auf. Alle Gesichter wandten sich dorthin. Eine Dienerin betrat den Saal. Darec erkannte sie sofort, es war das bekannte Gesicht, das er eben noch in der Menge gesehen hatte. Sie trat zur Seite und eine weitere Person betrat den Saal.

      Es war eine weitere Frau, eine Dynari. Sie trug ein weißes Kleid, das sie ein wenig unwirklich erscheinen lies. Sie schien nicht so recht in den Saal zu passen, der düster und trist wirkte. Die Dynari hingegen strahlte regelrecht. Ihre schwarzes Haar fiel in Wellen über ihre Schulter. Die Differenz zwischen dem weißen Kleid und ihren schwarzen Haaren lies sie noch ein wenig unwirklicher wirken, wie ein Wesen aus einem Traum. Dann erkannte Darec sie.

      ***

      Nadira ging unruhig vor der Türe auf und ab. Sie wusste, sie hatte nur eine Chance, wenn sie Darec nicht verlieren wollte. Sie wusste, dass sie gegen die Regeln, oder zumindest gegen die Traditionen verstieß, aber es war ihr egal. Darec war wichtiger als die Tradition.

      Die Türe öffnete sich, und Aurel schlüpfte heraus. „Er ist an der Reihe. In ein paar Sekunden bekommt er sein Abzeichen und ist dann offiziell ein Mitglied der Wache."

      „Dann ist es soweit." Nadira atmete tief ein, ihr Herz schlug so stark, dass sie ihren Herzschlag hören konnte.

      „Nach ihm kommt nur noch Einer. Du solltest warten, bis die Zeremonie ganz zu Ende ist."

      Jetzt war von drinnen Jubel zu hören, sie ließen die neuen Wächter hochleben. Nadira nickte Aurel zu. „Los."

      ***

      Alle Augen waren auf Nadira gerichtet. Sie versuchte möglichst würdevoll und elegant zu wirken, aber sie hatte das Gefühl, dabei vollkommen zu versagen. Ihr war danach zumute im Boden zu versinken. Aber sie riss sich zusammen und schritt auf die Bühne zu.

      „Dyna", rief der Hauptmann ihr zu. „Gibt es ein Problem? Droht Gefahr?"

      „Nein", sagte Nadira. „Seid unbesorgt." Nadiras Blick war fest auf Darec gerichtet. Er trug die Uniform der Wache, er sah erwachsener aus, gereifter, und stolz; und entsetzt. Er starrt sie an und Nadira hatte das Gefühl unter seinem Blick zu erröten. Dann erreichte sie die Bühne.

      „Dyna, was können wir für Euch tun? Es muss wichtig sein, wenn Ihr hier hereinkommt und unsere Zeremonie stört." Die Worte des Hauptmanns waren höflich und sorgfältig gewählt, aber es schwang auch eine kaum hörbare Warnung mit.

      „Natürlich ist es wichtig, Hauptmann." Nadira ging am Hauptmann vorbei, lies ihn einfach links liegen, und trat vor Darec.

      „Nadira", sagte dieser leise und Nadira lächelte ihm zu.

      Offenbar hatte Brancus bemerkt, dass etwas nicht so lief, wie er sich das Ganze vorgestellt hatte. Plötzlich flog die Haupttüre auf und er stampfte in den Saal. Als er Nadira bei Darec stehen sah, blieb er abrupt stehen und sah sie mit offenem Mund an.

      Nadira genoss noch einem Moment den Anblick ihres Konkurrenten, dann sagte sie: „Ich möchte, dass ihr alle meine Zeugen seid, wie ich meinen Hüter wähle." Dann drehte sie sich wieder zu Darec um. „Ich wähle dich."

      ***

      „Dyna, das ist sehr unkonventionell", erklang eine Stimme hinter Nadira.

      „Ja. Das ist es. Aber wichtige Dinge benötigen manchmal ein unkonventionelles Vorgehen."

      „Ihr könnt einen Hüter erst wählen, wenn er offiziell in die Wache aufgenommen wurde."

      Nadira drehte sich langsam herum und sah den Hauptmann an." Er ist doch bereits Mitglied der Wache." Darec hob sein Abzeichen an, um Nadiras Aussage zu stützen.

      „Ich lege Widerspruch ein", rief Brancus. „Ich war zuerst hier und ich wollte Darec ebenfalls als meinen Hüter wählen."

      „Du warst zu langsam, Brancus", sagte Nadira.

      „Ich verlange, dass Dyn Arthos in dieser Sache entscheidet."

      „Ich denke, wir haben die Zeremonie schon genug gestört", sagte Nadira. „Wir sollten jetzt gehen und die Wächter feiern lassen." Den letzten Satz hatte sie laut ausgesprochen, sodass jeder im Saal sie hören konnte. Und diese Worte kamen bei den anderen Wächtern gut an. Sie fingen an zu jubeln, ließen Nadira und auch Darec hochleben, und dann konnte sie niemand mehr daran hintern, mit der Feier zu beginnen.

      „Dyna. Ich werde mich bei Dyn Arthos beschweren. Ich finde dieses Verhalten zutiefst beleidigend", sagte Hauptmann Selius, drehte sich um und ging weg, ohne eine Antwort abzuwarten.

      Brancus stand noch eine Weile da, wusste nicht, was er tun sollte; dann warf