Eringus - Hungersnot im Kinzigtal. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия: Eringus
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752924848
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sich die Bauern des weiteren Umkreises zusammen gefunden und den dortigen großen Weiler bis auf den letzten Platz ausgenutzt. In engste Räume haben sich ganze Familien gequetscht.

      „Zuhause wäre es wahrlich bequemer gewesen, aber an ein Überleben dieser Katastrophe wäre nicht zu denken gewesen.“, erklärt einer der Bauern Anschild. „Sagt, Herr, was ist geschehen? Woher kam diese schwarze Wolke mit der hässlichen furchterregenden Fratze darin?“

      Geduldig erklärt der Großkönig die Ereignisse und stellt dabei die Leistung der Zwerge weit über Gebühr in den Vordergrund. Keiner nimmt ihm das übel. Allzu sehr übertreibt er ja auch nicht, als er seine Erzählung mit den Worten beschließt: „Und mit dieser Axt wurde der Alb vernichtet.“

      Leichenblass blickt ihn der Bauer an. Dann verbeugt er sich tief und die ihn Umstehenden tun es ihm gleich.

      „Ihr seid wahrhaftig ein großer Krieger, Herr. Wie können wir euch dafür danken? Was dürfen wir für eure Heldentat und seine gnädige Auswirkung auf uns tun? Wir stehen tief in eurer Schuld.“

      „Es gibt nichts, das ihr tun könnt. Ihr könnt euch glücklich schätzen, euch zusammen getan zu haben. Nur so wart ihr in der Lage, diese Eiszeit zu überstehen. Wie sieht es mit noch eventuellen Vorräten aus? Wie lange könnt ihr so noch weiter machen?“

      Den armen Bauern rutscht das Herz in die Hose. Jetzt nur nicht nach Verpflegung fragen, wo doch keiner weiß, wie lange der echte Winter noch andauern wird.

      „Wir haben nicht mehr viel, Herr.“, lügt er. „Und wir wissen noch nicht, wie wir unser weiteres Leben werden fristen können.“

      „Das dachte ich mir. Habt ihr noch Vieh jedweder Art?“ Jetzt versteht Anschild, wie die Fragen dem Bauern vorkommen müssen. Er lächelt und erklärt: „Ihr braucht keine Angst zu haben. Wir fordern von euch nichts. Wir haben genug für uns dabei. Den wahren Tribut werden wir von jenen verlangen, die nicht unter Freddoris Eiszeit leiden mussten.

      Mir geht es darum zu erfahren, woher ihr eventuell neues Vieh bekommen könnt. Habt ihr da schon einen Plan?“

      „Ah, so ist das. Verzeiht meine Notlüge, Herr. Ich fürchtete, ihr würdet uns den letzten Rest, den wir haben, noch weg nehmen. Tatsächlich haben wir noch ein paar Tiere bewahren können und hoffen, daraus wieder mehr machen zu können. Wir sind nicht begütert und haben nichts, mit dem wir Handel treiben könnten. Also werden wir noch lange verzichten müssen und nur das Allernötigste zum Leben haben. Aber wir sind guten Mutes, auch diese Drangsal überstehen zu können. Die letzten Monate haben wir uns recht gut zusammen gefunden und wollen das auch nach Kräften beibehalten.

      Und mit diesem Heer wollt ihr also für euer Reich neues Vieh und sowas besorgen? Verzeiht meine Neugier, Herr. Diese kleinen Menschen sind aber keine Krieger, stimmt’s? Und ihr selbst seid keine Menschen, wie ich aus eurer Größe schließe. Solch einen Verbund sah ich noch nie. Und erst recht nicht in solch großer Ansammlung.“

      „Das Erste ist richtig, auch wenn dies kein Heer ist. Dazu müsste es noch mindestens zehn Mal so groß sein.

      Ja, wir wollen uns besorgen, was wir brauchen. Soviel länger mussten wir unter Freddori leiden. Doch es ist nicht allein mein Reich. Ich bin nur der Großkönig der Zwerge. Damit habt ihr also auch recht: Ein Mensch bin ich nicht. Und es ist auch richtig, dass die kleinen Menschen keine Krieger sind. Es sind Halblinge und damit also auch keine Menschen. Sie können sehr gut mit Pflanzen und Kleingetier umgehen. Diese zu finden und in die Heimat zu bringen ist ihre Aufgabe. Die Menschen werden das Vieh führen und wir Zwerge sorgen für den Schutz. Wir alle leben gemeinsam in einem Tal weit von hier. So ist es nicht wunder, dass ihr von uns noch nichts gehört habt.“

      „Oh doch!“, überrascht der Bauer. „Von Zwergen hörte ich schon, doch sollen die nicht weiter gen Sonnenuntergang gelebt haben?“

      „Das waren unsere Vorfahren, die einstmals den Wettergau mit den Menschen zusammen bewohnten. Schlimme Zeiten haben uns dann mehr in den Süden verschlagen.

      Doch genug davon. Für heute Nacht wollen wir hier lagern, wenn es recht ist. So könnt ihr, wenn ihr mögt, den Einen oder Anderen etwas näher kennen lernen und mehr über uns erfahren. Ich, für meinen Teil, muss mich nun um meine Leute kümmern. Habt Dank fürs Erste. Wir sehen uns morgen sicher wieder.“

      Anschild wendet sich dem Zug zu und verkündet: „Nachtlager. Spannt die Zugtiere aus und versorgt sie gut. Mit dem ersten Tageslicht ziehen wir weiter.“

      Die Feuer in den Schalen sind sehr verlockend und die Bauersleute gesellen sich gerne dazu, auch wenn es nichts zu essen gibt. Vor allem mit den Halblingen wird gerne gesprochen. Ihre Ratschläge bezüglich Ackerbau sind sehr wertvoll.

      * * * * *

      Kaum dass es dämmert, sind die Ersten schon wieder auf den Beinen. Auch bei nur leichtem Frost ist es nicht sonderlich angenehm, im Freien zu nächtigen. Zusammengekauert und mit dem was man noch wärmendes hat, haben viele im Stehen oder Hocken ein wenig geschlummert. Auf dem Boden zu liegen, steht noch lange nicht als Möglichkeit zur Auswahl. Außerdem hat es in der Nacht gestürmt und stark geschneit.

      Auch wenn Zwerge es im Allgemeinen gerne gemütlich haben, darf man ihre Zähigkeit niemals unterschätzen. Sie sind offensichtlich noch fast so frisch wie zu Beginn des Marsches. Bei den Menschen und den Halblingen aber zeigen sich schon leichte Schwächen. Teilweise sehr mühsam erhebt man sich wieder. Steif sind die Knochen und schmerzend die Muskeln. Darum sind nicht wenige froh, dass sich der Abmarsch nun doch noch ein wenig verzögert. Die Abordnung Ramwolds hat endlich zum Zug aufgeschlossen.

      Angeführt von Walram, dem Sohn Ramwolds, kommen fünfzig Mann angeschnauft. Je Zwei ziehen einen der fünfzehn mittelgroßen Handwagen.

      „Wir haben von der Ferne euer Lagerfeuer erkannt und sind die ganze Nacht hindurch gelaufen. Entschuldigt, wenn wir so spät sind. Es war nicht leicht, alles auf die Reihe zu bekommen.“

      Walram ist direkt auf Anschild zugegangen, der gerade letzte Worte mit dem Bauern wechselt. Von ihm erfährt er, wohin er sich nun am besten wenden könne. Diese respektlose und ungehörige Störung missfällt den Beiden sehr. Das ist dem Tonfall deutlich zu entnehmen, als der Bauer sagt: „Hat euch euer Vater kein Benehmen beigebracht? Ihr stört grußlos in einem Gespräch und solltet lieber in gehörigem Abstand warten, bis man euch auffordert, herzu zu treten. Wer seid ihr und was wollt ihr?“

      Erschrocken über die derbe Reaktion weicht dem jungen Mann die Farbe aus dem Gesicht und er wird sichtlich nervös.

      „Ich bitte meine Unhöflichkeit zu entschuldigen. Ich grüße euch. Ich bin Walram, Ramwolds Sohn. Es ist mit dem Großkönig abgesprochen, dass wir uns seinem Tross anschließen dürfen. Ich wähnte mich willkommen.“

      „Ihr seid auch willkommen, Walram.“, erklärt Anschild geduldig. „Trotzdem solltet ihr die üblichen Gepflogenheiten beachten. Es könnte dies auch ein Gespräch gewesen sein, das nicht für eure Ohren bestimmt wäre. Ich bin sicher, ihr werdet es besser machen, wenn sich eure Aufregung gelegt hat und ihr Herr eurer Sinne seid. Wartet nun bitte.“

      Derart gemaßregelt tritt der junge Mann deutlich zurück.

      Zu dem Bauern gewandt nimmt der Zwerg wieder das Gespräch auf. „Ihr sagtet, wir sollten uns am besten weiter auf dieser Straße halten und gen Norden gehen.“

      „Richtig, Herr. Auf diesem Weg solltet ihr in etwa acht bis zehn Tagen die nächste große Stadt erreichen. Dort wird es dann aber auch wieder gebirgiger und der Weg schwerer.“

      „Soweit im Voraus kann und will ich noch nicht planen. Zu viele Unwägbarkeiten liegen bis dahin noch vor uns. Doch Berg und Höhe sind für Zwerge die wahre Heimat. Habt Dank für euren Rat.

      Und nun wieder