Andererseits hätte sie so die Gelegenheit, im Englischen drinzubleiben. Die Stadtführungen fanden zwar meist auf Englisch statt. Aber dabei übte sie sich nur im Mündlichen. Die Übersetzungen für Frankreich und zehn der Unterrichtsstunden waren auf Französisch, die restlichen Stunden auf Spanisch. Und sie wusste, wie schnell man eine Sprache verlernte, wenn man sie nicht ständig praktizierte. Wenn sie für den Trust übersetzte, wäre auch Englisch repräsentiert.
Sie duschte und zog sich an, nahm ihre Sommerjacke mit und ging zur Bushaltestelle weiter vorne, wo sie den Bus ins Zentrum nehmen würde. Sie rannte die letzten paar Meter, weil er gerade ankam. Sie setzte sich auf einen Platz hinter dem Fahrer und dachte: Und wie reagiere ich, wenn die mir nicht genug zahlen? Wussten sie überhaupt, was Übersetzungen kosteten? Vielleicht konnte sie mit ihnen einen Pauschalpreis aushandeln.
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Sie bummelte ziellos durch die Straßen und landete schließlich bei der Buchhandlung. Sie drückte sich die Nase am Fenster platt, ging aber nicht hinein. Zum einen plauderte Ruth gerade mit einem Kunden und hatte keine Zeit für sie. Zum anderen hatte sie ja bisher nur einen der Romane gelesen, die sie zwei Wochen zuvor hier gekauft hatte. Sie war abends meist mit Erin unterwegs gewesen, sobald sie Feierabend hatte. Im Kino, im Pub, einmal waren sie essen gegangen.
Sie ging weiter, hatte kein bestimmtes Ziel, stand aber mit einem Mal vor der Tourist Info und sah durchs Fenster, wie Erin mit einem Mann und einer Frau sprach. Spontan ging sie hinein.
Als Erin sie sah, rief sie erleichtert: „Du kommst wie gerufen! Die beiden scheinen kein Englisch zu verstehen. Kannst du mir mal helfen?“
Sarah nickte den beiden zu und fragte sie auf Englisch, woher sie denn kämen.
„From Dschörmenie“, sagte der Mann mit starkem deutschem Akzent.
Sarah lächelte. „Da komme ich auch her. Was wollen Sie denn wissen?“
In der folgenden Viertelstunde half sie den beiden, so gut es eben ging, mit Rückfragen an Erin. Immerhin gewann sie dadurch neue Gäste für das eine leerstehende Cottage, das die beiden dankbar für fünf Tage buchten. Als sie Sarah jedoch fragten, ob sie gegen Bezahlung für die kommenden Tage ihre Reiseführerin sein wolle, lehnte sie ab. Sie kannte sich selbst nicht aus in dieser Gegend, konnte nicht Auto fahren und hatte weder Zeit noch Lust, mit den beiden tagelang unterwegs zu sein. Mit Erins Hilfe machte sie ihnen einige Vorschläge, was sie sich auf jeden Fall ansehen sollten.
Als sie gegangen waren, sagte Erin: „Siehst du, für die beiden wäre es gut gewesen, wenn wir eine allgemeine Broschüre auf Deutsch hätten, wo die wichtigsten Sehenswürdigkeiten mit einer kurzen Erklärung dazu enthalten wären.“
Kurz darauf hatte sie Feierabend. Sie schloss die Tourist Info und die beiden gingen gemütlich zu Sinèad, um im Pub ein wohlverdientes Guinness zu trinken. Allerdings blieben sie nicht lang, denn Erin musste am nächsten Vormittag einiges an Essen für die Feier vorbereiten und Sarah den Salat rechtzeitig anmachen, damit er bis abends gut durchgezogen wäre.
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Samstags fuhren sie nach Tain, wo in diesem Jahr das Sommerfest stattfand. Als sie kurz nach vier dort ankamen, waren schon etliche Gäste auf dem Rasen vor dem Gemeindehaus versammelt.
Die beiden Frauen trugen ihre Schüsseln in die große Küche, wo die Lebensmittel für das spätere Abendessen aufbewahrt wurden. Dort hatten sich die meisten Frauen versammelt, weil sie die Essenslieferanten waren, sozusagen. Die Männer standen draußen zusammen und plauderten; sie hatten ihre Getränkekisten im Kühlhaus abgestellt und ihre Hauptaufgabe käme abends: Sie würden sich ums Grillen kümmern.
Erin hatte sich in diesem Jahr nicht in die Liste derer eingetragen, die die Tische und Bänke aufbauten. „Das sollen mal schön die jungen Männer machen, die haben mehr Kraft als ich“, hatte sie zu Sarah gesagt. „Ich habe im Vorfeld einiges organisiert, zwei Salate gemacht, und außer Kaffee ausschenken und Kuchen auf Teller legen arbeite ich heute nichts.“
So gingen sie nach draußen, schnitten zusammen Kuchen auf, kochten Kaffee und füllten ihn anschließend in Warmhaltekannen, um wieder frischen kochen zu können.
„Ah, da sind Sie ja!“ Sarah schaltete noch schnell die Kaffeemaschine ein, dann drehte sie sich um. Vor ihr stand Duncan Clair. Er musterte sie von oben bis unten. „Hübsch sehen Sie aus!“
Sie errötete und betrachtete ihn sich ihrerseits genauer. Er hatte sich herausgeputzt in einem Hemd mit Sakko und einem Kilt. Hellgrüne Karos wechselten sich mit hellblauen ab, dazwischen verliefen doppelreihige dünne Striche in Gelb.
Er sah ihren Blick und sagte: „Der Tartan von Clan Clair!“
Sarah schaute ihn verwundert an. „Jeder Clan hat seinen eigenen Tartan?“
„Aber sicher doch! Wir Clairs haben diverse Muster, aber sie sind sich alle ähnlich. Und je nachdem, aus welchem Teil des Clans wir kommen, ist das Muster leicht verschieden.“
„Das heißt also, Sie können sich nicht dafür entscheiden, irgendwann einmal einen Kilt mit einem anderen Muster zu tragen?“
Er lachte amüsiert. „Nein, das geht nicht. In den alten Tagen, als noch gekämpft wurde, waren die Muster lebensnotwendig, damit man im Kampf nicht versehentlich jemandem aus dem eigenen Clan den Kopf abschlug.“
Er grinste, als er ihren schockierten Blick sah, nahm sie leicht am Arm und sagte: „Lassen Sie mich Ihnen meine Frau vorstellen. Jamie kennen Sie ja schon; ob Logan es schafft, heute schon zu kommen, bezweifle ich. Er hat sich die letzten Wochen in den USA herumgetrieben, ein bisschen auf Urlaub machen, bevor er seine Arbeit bei uns aufnimmt.“ Er zwinkerte ihr vergnügt zu. „Wahrscheinlich muss er sich zuerst erholen, bevor er unter den gestrengen Augen seines alten Herrn arbeitet.“
Sarah lachte. Sie mochte diesen Duncan Clair, aber sie konnte ihn sich auch sehr gut als dickköpfigen, unnachgiebigen Mann vorstellen, bei dem es schwer wäre, sich gegen seinen Willen zu behaupten. Erin hatte ihr erzählt, dass man den Schotten nachsagte, sie seien stur. Sie selbst würden das zwar nie so sehen, aber ein Körnchen Wahrheit mochte darin stecken.
Duncan steuerte sie auf eine Gruppe von älteren Damen zu, die auf den Tischen bunte Blumen in Vasen verteilten. „Teresa, darf ich dir Erins Freundin Sarah aus Deutschland vorstellen?“
Eine Frau, die Sarah auf etwa Ende fünfzig schätzte, kam lächelnd auf sie zu. Sie war schlank und trug ein zweiteiliges Kleid mit ähnlichen Folkloremustern wie die auf Sarahs Bluse. Sie hatte rötliche Haare wie ihr Sohn Jamie und offensichtlich denselben Charme. Sie war eine hübsche Frau, und Sarah mochte sie auf Anhieb.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen! Darf ich Sarah sagen?“
Sie streckte Teresa ihre Hand hin und lachte sie an. „Aber gerne, Mrs. Clair!“
Sie nahm sie leicht am Arm und führte sie etwas von den anderen Frauen weg, während ihr Mann sagte: „Ich stelle Sie nachher einigen anderen vor“ und im Getümmel der Menschen, die inzwischen recht zahlreich den Rasen bevölkerten, verschwand.
„Wir haben doch noch Glück mit dem Wetter heute; vor einigen Tagen war ich dessen nicht so sicher.“
Sarah schaute in den Himmel hinauf, der bis auf wenige Lücken wolkenverhangen war.
Teresa Clair lächelte nachsichtig. „Wenn Sie länger hier sind, werden Sie es zu schätzen wissen, wenn es zumindest trocken ist. Sonnenschein ist bei uns eher selten.“
Sie setzten sich an einen leeren Tisch im vorderen Bereich. „Erzählen Sie mir doch ein wenig von sich. Mein Mann sagt, Sie seien Übersetzerin?“
Sarah begann, von ihrem Studium zu erzählen und von ihren diversen beruflichen Aktivitäten. Teresa hörte aufmerksam zu, ohne sie zu unterbrechen. Dann erkundigte sie sich nach ihrer Familie und war zutiefst betrübt, als sie erfuhr, dass Sarah keine hatte.
„Es tut mir sehr leid, wenn ich das gewusst