verursacht hat, und wir sind ihm nun endlich auf der Spur.«
»Fünf oder sechs Tage. Eine recht kalte Spur, alter Freund.«
Kormund zuckte die Achseln. Er sah die anderen Reiter an. »Wir sehen
uns erst einmal hier um, ob wir in der Nähe noch andere Spuren finden.
Achtet auf den Krallenabdruck eines Pelzbeißers.« Er blickte zu der Leiche
hinüber. »Und begrabt den Mann in Ehren.«
Natürlich war es Parem, der noch unerfahrene Pferdelord, dem die
undankbare Aufgabe zufiel, ein Grab vorzubereiten. Er saß mit den anderen
Männern ab und zog seinen Dolch, um am Rand des Pfades eine flache Grube
auszuheben, die man danach mit Steinen bedecken würde. Der Rest der Schar
schwärmte aus und suchte nach Spuren. Aber der Boden war hart und steinig,
sodass es nicht leicht war, etwas zu finden. Doch das waren die Männer der
Hochmark gewohnt, und sie brauchten nicht viel, um Hinweise zu finden. Ein
Stein, der umgedreht worden war und dessen mit Moos bewachsene Seite
nach oben zeigte, ein paar helle Kratzer auf den Felsen, vielleicht sogar ein
Abdruck an den wenigen weichen Stellen im Boden … Wenn es etwas gab,
würden es die erfahrenen Männer auch finden. Es war ihre Aufgabe, denn die
Wolltiere stellten den Reichtum der Hochmark dar. Die Wolltiere und das Erz, das man hier reichlich fand. Aber Erz konnte man nicht essen, und der Verlust
von Wolltieren bedeutete eine große Gefahr. Nein, die Männer nahmen ihre
Aufgabe ernst.
Der schlaksige junge Parem, dessen rotblonde Haare unter dem Rand
seines Helmes herausschauten, hatte mittlerweile eine flache Grube fertig
ausgehoben und blickte angewidert, als ihm nun auch noch die unangenehme
Aufgabe zufiel, die Leiche dorthin zu schaffen. Kormund sah zu ihm hinüber
und verzog das Gesicht. Doch er konnte dem jungen Mann keinen ernsthaften
Vorwurf machen. Also ging er zu Parem hinüber, um ihm zu helfen.
»Ich weiß, es ist keine angenehme Pflicht«, knurrte er und packte mit an.
»Aber ein Pferdelord verdient auch im Tode eine ehrenvolle Behandlung.
Keiner der Unseren bleibt für das Raubzeug liegen. Atme stärker durch den
Mund ein, das macht es etwas leichter.«
Sie legten die Leiche in die flache Grube, und Kormund war erleichtert, als
ihnen dies auf Anhieb gelang. Er hatte schon anderes erlebt. Damals, als es
noch Kämpfe und große Schlachten gegen den Feind gegeben hatte, hatte
man für manchen Toten mehrere Handreichungen machen müssen. Sie
hüllten die Leiche notdürftig in den zerfetzten grünen Umhang mit dem
goldenen Saum der königlichen Wache ein. Der Scharführer sah Parem
zögern. »Was ist?«
»Seine Waffe«, murmelte der junge Pferdelord verwirrt. »Ich kann keine
Waffe finden. Wir müssen ihm doch seine Waffe in die Hand geben, nicht
wahr? So will es doch die Tradition.«
Kormund fluchte unterdrückt. Warum war ihm das nicht aufgefallen? Ihm
als altem Krieger und erfahrenem Pferdelord hätte dies sofort auffallen
müssen. Wo waren die Waffen des Toten? Kein Pferdelord ging ohne Waffen
durchs Leben, und kein Pferdelord ging ohne Waffen zu den Goldenen
Wolken. Wo waren die Waffen?
Kormund richtete sich auf und erhob seine Stimme. »Seine Waffen fehlen!
Lukan, wie weit kann einem Mann im Kampf ein Schwert aus der Hand
geschleudert werden?«
»Vier, vielleicht auch fünf Längen«, kam Lukans Antwort.
»Dann sucht auf zehn Längen um die Fundstelle herum«, rief Kormund.
»Seine Waffen müssen zu finden sein. Zumindest eine Waffe.«
Denn wenigstens eine Waffe mussten sie dem Toten in die Hand geben,
damit er als Pferdelord ehrenvoll zwischen den Goldenen Wolken
voranstürmen konnte. Also begannen die Männer nach dem Schwert, der
Lanze oder dem Bogen des Mannes zu suchen. Doch sie fanden nicht einmal
seinen Dolch. Nach einer Weile erfolglosen Suchens rief Kormund die
Männer zu sich zurück.
»Kein Raubtier entwendet Waffen«, knurrte Lukan grimmig. »Also muss
jemand vorbeigekommen sein und sie dem Toten abgenommen haben.«
»Und wer es auch war, dieser Jemand war kein Pferdelord, denn kein
Pferdelord würde einem Toten jemals die Waffe nehmen«, bestätigte
Kormund mit finsterem Gesicht. »Ein Dieb ist in der Hochmark. Vielleicht
ein Geächteter oder Plünderer aus den fernen Ländern.«
»Oder Orks«, wandte Parem ein.
Lukan musterte den jungen Reiter auflachend. »Orks. Seit einem
Menschenalter sind keine Orks mehr in die Marken des Königs eingedrungen.
Wer von euch, außer Kormund und mir, hat denn überhaupt schon einmal
einen Ork zu Gesicht bekommen?« Lukan spuckte aus. »Orks. Vor vielen
Jahren haben wir sie niedergeritten, und wir taten es ruhmreich. Nie wieder
werden Orks das Land der Pferdelords beschmutzen. Sie gehören ins Land
der Sage.«
»Wie die Elfen«, knurrte ein anderer Reiter.
»Das ist etwas anderes«, erwiderte Lukan. »Elfen gibt es noch.« Er zuckte
die Achseln. »Sagt man jedenfalls«, schränkte er ein. »Irgendwo in den
westlichen Landen und im Norden. Der Pferdefürst selbst hat einst einige von
ihnen am Hofe des Pferdekönigs gesehen. Nein, Elfen gibt es noch. Aber
Orks? Unsere Klingen haben sie in die Flucht geschlagen, und die Hufe
unserer Pferde haben sie in den Boden gestampft.«
»Das ist wohl wahr«, sagte Kormund leise. »Dennoch mag es noch welche
geben. Aber sie würden es nicht wagen, jemals wieder unser Land zu
betreten. Doch es gibt mehr als genug Söldner, Plünderer und Barbaren, die
auf dem Raubzug sein könnten. Hinter dem Tod des Mannes vom Hofe des
Königs scheint mir mehr zu stecken, als ich zunächst gedacht habe.« Der