Janas Entscheidung. Gerhard Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738041118
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lag in ihrem Bett und hielt sich das Handy ans Ohr. „Oh, ich habe dich doch hoffentlich nicht bei der Arbeit gestört. Ich dachte, ich hätte die Zeitverschiebung beachtet. Ich dachte, wenn ich nach 18 Uhr anrufe, dann erwische ich dich vielleicht schon zuhause“, stammelte sie verlegen.

      Aus dem Handy erklang ein schallendes Lachen. „Du bist gut!“, lachte Sören. „Ich arbeite meist bis 24 Uhr und dann schon wieder ab acht. Wenn man nicht hinterher ist und alles unter Kontrolle hat, machen die hier mit einem, was sie wollen. Obwohl, ich glaube, das ist überall so. War jedenfalls so, wo ich bisher war! Aber nicht mit mir, Jana, das kannst du mir glauben. Nicht mit mir!“ Wieder ertönte schallendes Lachen.

      Eine Weile dachte Jana schweigend nach und überlegte, ob sie sagen konnte, was sie dachte. Sie wollte Sören nicht verletzen. Schließlich rückte sie doch mit der Sprache heraus. „Da hast du aber keine Zeit, eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen!“

      Wieder ertönte Lachen aus dem Handy. „Nein, Jana, das habe ich nicht!“ Sören schien sich vor Lachen den Bauch zu halten. „Ich weiß schon wie du tickst, Jana. Frau, Kinder, Familie und so. Glaub mir, ich will das nicht und ich vermisse nichts!“

      „Ich kann mir das nicht vorstellen, so ganz allein!“

      „Ich bin gerne allein. Ich habe keine Nerven für den täglichen Hickhack mit einer Frau oder das Kindergeplärr. Nein, die Nerven habe ich nicht!“

      Er machte eine Pause, weil er hörbar mit einem Stapel Papier hantierte. „Wenn ich hier mit einem Stress habe oder einer nicht spurt, dann werfe ich ihn einfach raus. Das geht mit einer Frau oder seinen Kindern nicht so einfach.“ Er lachte laut, dann schmunzelte er plötzlich süffisant. „Und glaub mir, für alle anderen Bedürfnisse findest du auf der ganzen Welt immer jemanden. Ist auch nicht so langweilig, wie immer mit der gleichen!“

      „Also Sören, hör mal!“, meinte Jana empört.

      „Lass die Heuchelei, Jana. Du weißt, ich mag das nicht!“, entgegnete er nun ernst. „Nein, nein, nein. Ich weiß, dass das die meisten Leute nicht verstehen, aber ich sehne mich nach niemandem! Ich brauche und ich will keine Familie.“

      „Ich glaube, ich würde sterben vor Einsamkeit!“, warf Jana ein.

      „Ich bin hier rund um die Uhr beschäftigt, glaub mir. Ich habe gar keinen Gedanken an Einsamkeit!“

      „Man kann auch einsam sein, obwohl man nicht allein ist. Wie ich so deinen Birdie kenne, kann ich mir nicht vorstellen, dass er all deine Träume erfüllt. War doch früher dauernd unterwegs, das Schlitzohr. Und mit Heirat und Familie ist es doch bei euch auch nichts, oder hab ich was verpasst. Übrigens, ich hätte auch keine Zeit zu eurer Hochzeit zu kommen. Habe hier einfach zu viel zu tun!“

      Jana ärgerte sich ein bisschen und wollte es Sören zeigen. „Und du, du opferst dich für eine Firma auf, gibst dein Leben für die Firma, deren einziges Ziel es ist, noch mehr Profit zu machen. Dann gehst du in Pension, niemand dankt dir deine Arbeit, deine Nachfolger schimpfen auf dich, die Firma macht noch mehr Profit und dein Leben ist verschwendet. Dann sitzt du alt und einsam irgendwo und erkennst, dass dein Leben umsonst war!“, bellte sie ihn an.

      „Hoppla, da hab ich wohl einen wunden Punkt angesprochen, mit dem Thema Heirat, Kinder und Familie. Ist wohl mit Birdie nicht hinzukriegen?“

      „Das geht dich gar nichts an, du Angeber!“, schrie Jana wütend ins Handy.

      Wieder ertönte Lachen aus dem Handy. „Ganz ruhig, Jana! Wenn du mich fragst, ist Birdie auch nicht der Richtige für die Sache. Ist doch ein Taugenichts, der selbst gar kein Interesse hat an Familie und so. Das bildest du dir doch nur ein. Lass die Finger von ihm und suche dir einen anderen!“

      „Das geht dich gar nichts an. Denk lieber über das nach, was ich dir gesagt habe. Du wirst alt und verlassen sterben, das wirst du!“, rief sie verärgert in ihr Handy.

      Wieder lachte er. „Glaub mir, Jana, ich tue das hier gar nicht für die Firma. Und auch nicht für Geld!“, begann er wieder und machte eine geheimnisvolle Pause. „Ich tue es, weil es meine Berufung ist. Und weil ich der Beste sein will. Weil ich einfach der Beste im ganzen Unternehmen sein will. Das, und allein das, ist mir wichtig. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja später noch was in Richtung Familie. Aber im Moment und in den nächsten Jahren, da zählt nur das, weil nur dieses Gefühl, der Beste, der Wichtigste zu sein, für mich zählt. Das ist es, was mich glücklich macht. Das Gefühl, hier der Wichtigste zu sein, dass macht mich glücklich, sonst nichts!“

      „Aber, es kann doch nicht der Sinn des Lebens sein, sich für eine Firma aufzuopfern! Da verpasst man doch alles im Leben!“, warf sie ein.

      „Ich opfere mich nicht für eine Firma auf!“, konterte er. „Ich lebe meine Berufung! Das ist das, was meinem Leben einen Sinn gibt. Und deswegen folge ich dieser Berufung!“

      „Ach, ich kann gar nicht glauben, dass ein Beruf der Sinn des Lebens sein kann. Ich mache mir um dich ehrlich Sorgen!“

      „Das musst du nicht“, erklärte er. „Bei mir ist alles in Ordnung. Aber ich mache mir Sorgen um dich!“

      „Du um mich, was soll denn das nun?“

      „Nun, irgendwie glaube ich, dass du nicht so recht weißt, was du willst!“

      „Also, also …!“ Sie war sprachlos.

      Sie schwiegen eine Weile nachdenklich.

      „Wann kommst du denn wieder nach Hause?“, fragte sie schließlich in die Stille.

      „Du meinst nach Europa? Denn mein Zuhause ist da, wo mein Schreibtisch steht!“, lachte er.

      „Zu uns halt, zu den Eltern und zu mir, du grober Klotz!“, schimpfte Jana nun ebenfalls lachend. „Du wirst es nicht glauben, ich vermisse dich!“, fügte sie sicherheitshalber hinzu.

      „Alle vermissen mich, das ist normal!“, lachte Sören.

      „Angeber, ich könnte dich …!“

      „In diesem Jahr kannst du mir gar nichts, da komme ich sicher nicht heim!“

      „Nicht mal zu Weihnachten?“

      „Weihnachten, was ist das?“

      Sie mussten beide lachen.

      „Und jetzt muss ich leider wieder arbeiten, Jana!“

      „Verstehe. Schön, deine Stimme wieder mal gehört zu haben!“

      Es folgten noch einige Abschiedsfloskeln, dann legte Jana auf.

      14

      „Hallo Carl, schön dich wieder Mal zu sehen!“, meinte Jana und lachte den jungen Mann aus vollem Herzen freundlich an.

      „Ebenso!“, lächelte Carl sie an.

      „Wie lange ist das her, dass wir uns nicht gesehen haben?“, fragte sie und runzelte die Stirn. „Na ja, ein Jahr halt. So lange, wie es her ist, dass wir zusammen gearbeitet haben!“ Sie biss die Lippen verbittert zusammen. „Dann haben sie mich ja leider wegrationalisiert!“

      „Ja, das war blöd!“, bestätigte Carl. „Und das hatte nichts mit mangelnder Leistungsbereitschaft oder schlechter Arbeit zu tun. Du musstest gehen, weil Personal abgebaut wurde und du als letzter gekommen warst. Echt blöd für dich!“

      „Das ist lieb, dass du das sagst!“, freute sie sich über seine Bewertung.

      Sie sahen sich kurz schweigend an.

      „Es war immer so schön, sich mit dir zu unterhalten, daran erinnere ich mich noch gut!“

      „Ja, ich habe mich auch immer auf ein Gespräch mit dir gefreut. Du warst einfach ehrlich und normal, nicht so heuchlerisch und verlogen, wie die meisten Menschen. Und du wolltest einem nicht ununterbrochen beweisen, wie toll du warst und wie schlecht man selber war. Du warst einfach angenehm und nett. Ich habe mich jedes Mal auf ein Gespräch mit dir gefreut!“