„Schnell rein, hart zuschlagen und schnell wieder raus“, kam es von Custer.
Pleasonton nickte seinem Protege lächelnd zu. „Genau das ist der Plan. Die Rebellen rechnen nicht mit einem Vorstoß unsererseits. Nach den Informationen unseres Nachrichtendienstes hat Stuart viele Regimenter in die Etappe verlegt, wo sie regenerieren sollen. Sicherlich weil er beabsichtigt, sie bald wieder in einem massierten Raid gegen uns einzusetzen. Oberkommandierender Robert E. Lee und die Masse der konföderierten Infanterie lagern ebenfalls in der Gegend von Culpepper. Doch wir alle haben aus bitterer Erfahrung gelernt, wie schwerfällig Infanterie auf Kavallerie reagiert. Nur dass wir diesmal den Spieß umdrehen“, brachte Pleasonton in Erinnerung. „Es gibt sechs Furten entlang des Rappahanock. Sie ziehen sich ungefähr im Halbkreis vom Norden zum Osten.“ Er tippte auf die jeweilige Markierung auf der Karte. „Welford´s Furt, Beverly´s Furt, Rappahanock Furt, die auch als Cow Furt bezeichnet wird, da sie von Rinderherden und schwerem Gerät passiert werden kann. Dort befindet sich auch die Brücke der Eisenbahnlinie. Dann folgen die Furten von Norman, Wheathy und Kelly. Diese sechs Furten verteilen sich auf ungefähr sechs Meilen der Länge des Rappahanock und liegen somit dicht beieinander.“
„Die Rappahanock Furt sollten wir meiden, Alfred“, meinte John Buford. „Sie wird sicherlich besonders gut gesichert sein, da sie die einzige ist, an der man auch schweres Gerät und Artillerie rasch übersetzen kann. An den anderen Furten müssten wir für Gespanne allerdings Pontonbrücken errichten oder Niedrigwasser abwarten.“
„Natürlich werden die Rebellen die Furten im Auge behalten. Dazu werden sie, wie üblich, kleine Vorposten und Kavalleriepatrouillen nutzen. Ich denke nicht, dass diese besonders stark sind. Die Rebellen wissen sehr genau, dass wir eine Menge Zeit und Vorbereitung benötigen würden, um eine Armee überzusetzen und solche Vorbereitungen blieben nicht unbemerkt. Das gäbe den Rebellen ihrerseits ausreichend Zeit, Verstärkungen aus Culpepper heranzuführen und die Furten zu schützen. Doch diesmal kommen wir mit schneller und massierter Reiterei. Damit nehmen wir dem Feind die Möglichkeit, sich auf uns vorzubereiten.“
Zum ersten Mal meldete sich David McMurtrie Gregg zu Wort, ein Brigade-General mit sehr üppigem Vollbart und weitem Schlapphut, der aus Pennsylvania stammte. „Bei allem Respekt, Sir, aber die Rebellen werden die Furten auch durch Infanterie und vor allem Artillerie sichern. Knapp drei Meilen jenseits der Furten von Welford und Beverly liegt der bewaldete Fleetwood Hill. Trotz der dichten Bewaldung bietet er eine ausgezeichnete Artillerieplattform. Von dort aus könnten uns die Rebellen beharken.“
„Dieser Hügel wird eines der ersten Angriffsziele sein“, versicherte Pleasonton. „Zudem werde ich der Kavallerie zwei Eliteregimenter unserer Infanterie und berittene Artillerie beigeben. Ich weiß, Gentlemen, Fußtruppen sind nicht so schnell und beweglich wie die Reiterei, können aber hervorragend als Wellenbrecher fungieren, wenn die Rebellen Verstärkungen heranführen wollen.“
„Nun, Alfred, vielleicht sollten wir die Einzelheiten angehen“, schlug Buford vor. „Welche Einheiten sollen eingesetzt werden und mit welchem Auftrag?“
„Sie, John, werden mit der ersten Kavallerie-Division die Furt von Beverly nutzen. Ihr Ziel ist es, möglichst schnell in südlicher Richtung auf den Fleetwood Hill vorzustoßen, die Rebellen von dort zu vertreiben, den Hügel mit eigenen Truppen und Artillerie zu sichern und die beiden anderen Divisionen nach Kräften zu unterstützen. Ich werde Sie begleiten, da man vom Hügel aus sicher einen ausgezeichneten Überblick über das Gefechtsfeld hat. Duffie und Gregg werden mit der zweiten und dritten Kavallerie-Division Kelly´s Furt, ganz im Süden, nehmen. Duffie wird auf den Ort Stevensburg vorrücken, während Gregg sich von ihm trennt und Brandy Station zum Ziel nimmt. Ihr aller Auftrag dürfte klar sein, Gentlemen: Den Feind und möglichst viel seines Nachschubs vernichten und sich dann wieder über den Rappahanock zurückziehen.“
„Hört sich nach einem guten Plan an“, stimmte Gregg zu.
„Gentlemen, das Gebiet, in dem wir operieren werden, umfasst vielleicht vierzig Quadratmeilen. Ein eher kleines Gefechtsfeld, auf dem sich schon bald Tausende von Reitern begegnen werden. Wir werden rund 8.000 Kavalleristen, 3.000 Infanteristen und 700 Artilleristen mit 30 oder sogar 40 Geschützen in Marsch setzen.“ Pleasonton erhob sich und nahm sein Glas auf. „Bevor wir die letzten Einzelheiten besprechen, sollten wir einen Toast auf unser Gelingen ausbringen. Mister Custer, hätten Sie die Freundlichkeit?“
Custer erhob sich mit freudigem Lächeln. „Gentlemen, auf die sicherlich größte Reiterschlacht, die der Bürgerkrieg bis dahin gesehen hat. Wir werden Geschichte schreiben.“
Kapitel 4 Zuversicht
Culpepper Court House lag ungefähr acht Meilen vom Rappahanock entfernt. Hier hatten der Oberkommandierende der Armee von Nord Virginia, Robert E. Lee, und der Reitergeneral J.E.B. Stuart ihre Hauptquartiere. Ganz in der Nähe lagen die Camps der Generäle Longstreet und Ewell.
Tatsächlich erholten sich die konföderierten Truppen von der Schlacht von Chancellorsville. Der erneute Sieg bekräftigte ihre Zuversicht, der Union noch in diesem Jahr einen erneuten und endgültigen Schlag versetzen zu können.
„Noch in diesem Jahr, Gentlemen“, führte Lee aus, „werde ich einen massiven Vorstoß nach Norden führen. Ich beabsichtige den Feind zu täuschen und ihn glauben zu machen, dass wir hier am Rappahanock auf seinen Vorstoß warten. In Wahrheit werde ich jedoch den größten Teil unserer Truppen in einer Umgehung nach Norden und dann nach Osten führen. Über West Virginia und Maryland bis nach Pennsylvania, mit dem vorläufigen Ziel der Gegend um die Stadt Gettysburg, da dort mehrere Straßen und Verbindungslinien zusammenführen. Von dort aus können wir in südlicher Richtung direkt gegen Washington marschieren. Die Gentlemen aus dem Norden haben sich auf eine Verteidigung zum Süden vorbereitet und werden nicht damit rechnen, ausgerechnet von Norden angegriffen zu werden.“
„Die Kavallerie wird ihren gebührenden Anteil haben“, versicherte Stuart mit breitem Grinsen. „Unsere Reiterei war noch nie so stark. Im Augenblick haben wir hier 24 Regimenter mit fast 11.000 Mann, verstärkt durch 20 Geschütze mit rund 500 Artilleristen. Bei Gott, alleine diese Truppe würde schon ausreichen, die gottlosen Yankees zu werfen.“
Heros von Borcke, ein deutscher Adliger, den Abenteuerlust und Spielschulden in den Süden getrieben hatten, lachte selbstgefällig. „Diese Yankees werden es niemals lernen, wie Männer zu kämpfen. Jetzt sitzen sie auf der anderen Seite des Rappahanock und lecken ihre Wunden. Wir sollten einfach hinüber reiten und der Sache endlich ein Ende bereiten.“
„Und künftig auf den Spaß einer zünftigen Rauferei mit den Gottlosen verzichten?“ Stuart stimmte in das Lachen seines preußischen Freundes ein. „Auch wenn sie nicht kämpfen können, die Balgerei mit ihnen hält uns wenigstens ein wenig in Bewegung.“
„Gentlemen, ich muss doch bitten.“ Robert E. Lee sah seine beiden Gäste missbilligend an. „Sie sollten den Gegner niemals unterschätzen. Auch wenn wir ihm bislang immer wieder schwere Niederlagen beigebracht haben, so ist sein Kampfeswille noch lange nicht gebrochen. Der Norden verfügt über die weitaus größeren Ressourcen an Menschen und Material. Zudem dürfen unsere Erfolge nicht darüber hinweg täuschen, dass die Blockade der Unionsflotte zunehmend ihre Wirkung zeigt.“
Lee respektierte die kämpferischen Qualitäten des Preußen, fand dessen Überheblichkeit jedoch unangemessen. Doch auch Stuart neigte zu einer gewissen Großspurigkeit in der Einschätzung der Fähigkeiten des Gegners. Bislang mochte dies auch gerechtfertigt sein, doch Lee war bewusst, dass dies vor allem daran lag, auf welche Weise die Union ihre berittenen Verbände einsetzte. Sie zersplitterte diese in Patrouillen und Eskorten und kleinere Verbände, die gegenüber den massierten konföderierten Reitern keine Schlafkraft besaßen. Doch Lee hatte bei Chancellorsville die ersten Anzeichen erkannt, dass die Union ihre Taktik änderte.
„Gentlemen,