„Angreifen.“ Custer brauchte nicht lange zu überlegen. „Wir kommen den Rebellen zuvor, überqueren den Rappahanock und greifen Stuart an.“
„Stuart angreifen…“ Hooker sah den jungen Captain düster an. “Bisher hat unsere Kavallerie dann Prügel bezogen, Mister Custer. Warum sollte das diesmal anders sein?“
„Weil die Rebellenreiterei uns bislang meist überrascht hat“, gab Custer unumwunden zu. „Außerdem waren unsere Regimenter aufgeteilt, da sie Patrouille reiten oder Eskortdienst für Wagenzüge durchführen mussten. Die Rebellen sind in der Regel von Vornherein in der Übermacht und zudem hat ein Konföderierter in der Regel zwei oder drei Revolver, während unsere Reiter nur einen einzigen besitzen. Allein die Feuerüberlegenheit der Rebellen ist für uns verheerend. Aber im Augenblick ist die Situation anders, Sir. Wir haben hier ein volles Kavallerie-Corps verfügbar. Eine geballte Faust, mit der wir Stuart eine Tracht Prügel verabreichen können.“
„An Selbstsicherheit scheint es Ihnen nicht zu fehlen“, stellte Hooker fest.
„Dennoch hat Custer recht“, pflichtete Pleasonton seinem Captain bei. „Die Gelegenheit, nun unsererseits einen Schlag gegen Stuart zu führen, war noch nie so günstig. Zumal keiner der Rebellen damit rechnen wird.“
Hooker nippte an seinem Glas, betrachtete die Karte und nickte dann bedächtig. „Na schön, Gentlemen, Sie haben mich überzeugt. Packen wir den Stier Stuart bei seinen Hörnern. General Pleasonton, Sie erhalten hiermit Befehl, einen Plan auszuarbeiten, um die konföderierte Reiterei jenseits des Flusses auseinander zu treiben. Ferner werden Sie Ihr Möglichstes tun, um Wagen- und Eisenbahnzüge der Rebellen zu zerstören und ihre Vorräte zu vernichten.“
„Ich werde mein Bestes tun, Sir“, versprach der Kavallerie-General. Man spürte, wie schwer die Verantwortung auf seinen Schultern ruhte. Custer´s Gesicht hingegen zeigte reine Zufriedenheit. Für ihn zeichnete sich eine Gelegenheit ab, sich zu bewähren.
Tatsächlich hatte Custer nicht ganz unrecht. Corps und Regimenter der Unions-Kavallerie waren aufgesplittert und wurden als Kundschafter, Kuriere, Patrouillen und Eskorten eingesetzt. Es bestand kein größerer Verband, der für offensive Fernaufklärung oder eigene Raids eingesetzt werden konnte. Unter Joseph Hooker begann sich dieses Bild langsam zu verändern. Er sorgte für bessere Ausrüstung und Pferde sowie besseres Training für seine Kavalleristen. Er sortierte schonungslos unfähige oder kampfesunwillige Offiziere aus und gruppierte die Regimenter zu geschlossenen Corps. Im März des Jahres 1863 hatte sich die Unionskavallerie erstmals bei einer Überquerung des Rappahanock bewährt, doch in der Schlacht von Chancellorsville wiederum ein eher klägliches Bild geboten.
Pleasonton war gewillt, dies nun zu ändern.
Kapitel 3 Der Schlachtplan
Major-General Alfred Pleasonton war nun Befehlshaber der Unionskavallerie und hatte von Hooker Befehl erhalten, der Konföderation eine Niederlage beizubringen. Ausschließlich mit der Kavallerie der Union, was für Pleasonton eine einzigartige Herausforderung darstellte, die er bereitwillig annahm. Er hatte sein Hauptquartier in einem schönen Haus in der Stadt Knox eingerichtet, die in der Nähe zur Rappahanock Bahnstation lag. An diesem sonnigen Tag lud er die Generäle der Kavalleriedivisionen zu sich ein, um mit ihnen die aktuelle Lage zu beraten. Man hatte gut gespeist und saß nun bei Wein und Zigarren zusammen, bei denen lediglich Buford verzichtete, da er seine geliebte Pfeife bevorzugte.
Pleasonton war in mittleren Jahren, mit leicht gelocktem Haar und gepflegtem Vollbart. Er galt als ein wenig eitel und von sich eingenommen. Fraglos war er ein fähiger Kavallerieführer, doch in dieser Überzeugung neigte er gelegentlich zu Selbstüberschätzung. Zudem nutzte er jede mögliche Gelegenheit, die Leistungen anderer Offiziere behutsam anzuzweifeln und die seinen ins „rechte Licht“ zu rücken.
Alfred Pleasonton brachte einen Toast auf die Union aus und kam dann ohne Umschweife zur Sache. „Gentlemen, die Schlacht von Chancellorsville war ein Desaster. Vom 30. April bis zum 06. Mai kämpften wir mit rund 133.000 Mann gegen knapp 60.000 Rebellen. Den Ausgang der Schlacht kennen wir alle zu Genüge. Wir verloren rund 17.000 Mann und die Rebellen 13.000. Wie schon so oft hat unsere zahlenmäßige Überlegenheit uns nicht den Sieg gebracht. In manchen Dingen mag es an widrigen Umständen gelegen haben, doch man muss auch berücksichtigen, dass die Rebellen oft die fähigeren Führer haben. Bei Chancellorsville wollten wir zum ersten Mal die neue Kavallerietaktik der Union umsetzen. Keine kleinen Regimenter und Brigaden, die sich mit den starken konföderierten Reiterverbänden herumschlagen müssen, sondern starke Divisionen, die es mit den Rebellenreitern aufnehmen können. Wir alle sind mit dem Ausgang unzufrieden. Hochwasser behinderte den Vormarsch unserer Kavallerie und…“ Pleasonton machte eine kurze Pause und lächelte hintergründig. „Nun, jedenfalls sah sich unser General gezwungen, meinen wenig glückhaften Vorgänger abzulösen und durch mich zu ersetzen.“
„Mit Verlaub, Sir, ich halte das für eine gute Entscheidung“, warf Captain Custer ein. „Man darf beim Anblick der Rebellen nicht zögern, sondern muss ihnen entschieden begegnen.“
„Hört, hört“, kam es leise von John Buford.
Bufords Kompetenz als Brigade-General war unbestreitbar. Ein fähiger und besonnener Kavallerist. Im Augenblick litt er unter einer leichten Lungenerkrankung, was ihn jedoch nicht am Dienst und schon gar nicht am rauchen seiner Pfeife hinderte. Der große schmale Schnauzbart in seinem hageren Gesicht war an einem Ende etwas kürzer, da er dort der Pfeife zu nahe gekommen war.
Buford nahm die Pfeife aus dem Mund und sah die anderen nachdenklich an. „In gewisser Weise stimme ich Captain Custer durchaus zu. Männer wie Stuart haben von vorneherein erkannt, dass die besondere Stärke der Kavallerie in ihrer Fähigkeit liegt, schnelle Bewegungen durchzuführen und beim Feind, wenn sie massiert genug auftritt, Verheerung anzurichten. Die Raids der Südstaatler führen sie immer wieder weit hinter unsere Linien, wo sie Schrecken verbreiten und unseren Nachschub vernichten. Meist gelingt es ihnen sogar, jede Menge Beute und Gefangene zu machen, und mit ihnen sicher heimzukehren. Unsere Fußtruppen sind viel zu langsam, um gegen sie operieren zu können und unsere eigene Kavallerie viel zu weit verstreut, um wirksam zu sein.“
„Glücklicherweise hat man das endlich erkannt“, knurrte Brigade-General Duffie. Duffie war hager, trug Schnauz- und Kinnbart und hatte als Colonel mit der 1sten Rhode Island Kavallerie bei Bull Run gekämpft. Gegenüber dem üblichen langen Uniformrock eines Generals bevorzugte er ein kurzes Shell-Jackett, an dem die Schulterstücke mit dem einzelnen Stern befestigt waren. „Bei Chancellorsville war unsere Kavallerie zum ersten Mal massiert.“
„Wie ich bereits erwähnte“, zog Pleasonton das Wort wieder an sich. „Der Misserfolg bei Chancellorsville hat uns keine guten Kritiken eingetragen, Gentlemen, und wir brauchen dringend einen Erfolg, um der Union und den Rebellen endlich zu zeigen, was die Unionskavallerie zu leisten imstande ist.“
„Hört, hört“, kam es erneut von Buford.
Pleasonton warf ihm einen irritierten Blick zu, dann nickte er. „Ja, man wird uns hören, John. Diesmal werden wir den Spieß umdrehen. Diesmal werden wir es sein, die ins Gebiet der Rebellen vorstoßen und mit unserer massierten Reiterei Schrecken verbreiten. Werfen wir einen Blick auf die Karte, Gentlemen.“
Die Militärkarte zeigte einen Ausschnitt des Gebietes entlang des Rappahanock River. Entlang seines nördlichen Ufers befanden sich Stellungen und Lager der Union, im Süden die der Konföderation.
„Jetzt, so kurz nach der Schlacht von Chancellorsville, sind beide Armeen dabei, sich zu reorganisieren und die Verluste auszugleichen“, führte Pleasonton aus. „Es steht außer Frage, das Chancellorsville unseren Leuten zugesetzt hat, während die Rebellen ihrerseits begierig sein werden, den Sieg zu nutzen und bald erneut gegen uns vorzustoßen. Ich gedenke jedoch, mit Zustimmung unseres Befehlshabers, dem Feind zuvorzukommen. Ich werde das Kavallerie-Corps der Army of the Potomac in mehrere Divisionen teilen, die den Rappahanock