In Amerika. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753136028
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       Liddy, das älteste der beiden kleinen Negermädchen, warf der Schwester einen scheuen Blick zu und schauderte zusammen; Polly, die Jüngste, aber sah still und zitternd vor sich nieder und eine Träne hing ihr an den langen Wimpern.

       „Nein, das glaube ich nicht“, sagte die Mutter, mit dem Kopf schüttelnd, „da hätte Euer Papa doch jedenfalls erst zu uns herausgeschickt, und auch ein paar von unseren Leuten dazu beordert, damit sie sich ein Beispiel daran nehmen konnten. So heimlich und rasch darf etwas Derartiges nicht abgemacht werden, oder es verfehlt entschieden seine Wirkung.“

       „Da kommen sie, Mama!“, rief Jenny, rasch von dem Schaukelstuhl, auf den sie sich in ihrer Ungeduld geworfen hatte, empor springend. „Ich höre Pferdegetrappel. Sie bringen ihn gewiss gleich mit.“

       Die Mutter horchte auf und sah dabei auf die Straße hinaus.

       „Oh nein, Kind“, sagte sie, „die Pferde kommen ja ganz von der entgegengesetzten Seite, die Lane herunter, dahinten kannst Du auch schon die Staubwolke sehen, das wirbelt ja nur so in die Höh. Wer kann denn das nur sein?“

       Die harte Straße dröhnte von den donnernden Hufen und aus der Staubwolke heraus blitzte es hier und da und funkelte es, wenn ein Sonnenstrahl dazwischen durchdrang.

       „Das sind Soldaten!“, rief Jenny, wie sie nur eine kurze Zeit da hinübergeschaut. „Ich kann ihre Säbel in der Sonne glänzen sehen, eine ganze Truppe, aber wo kommen die her?“

       „Ja, wahrhaftig! Das müssen Soldaten sein“, rief auch jetzt die Mutter, „jedenfalls eine Abteilung unserer Kavallerie, die nach Savannah vorrückt, um eine mögliche Landung des Feindes zu verhindern.“

       „Das ist ein gutes Zeichen, Mama“, lachte Lucie, „denn in dem Fall sind sie auch mit jenem Mr. Sherman und seiner Bande fertig geworden. Vielleicht bringen sie gar ein paar Dutzend gefangene Yankees mit, aber die Uniform kenn’ ich gar nicht.“

       „Da weht auch eine kleine Fahne in der Mitte, Mama“, rief Jenny, „aber das – das ist doch nicht – allmächtiger Gott, das ist die Unionsflagge!“

       „Die sie erbeutet haben“, sagte die Mutter, indem ein verächtliches Lächeln um ihre Lippen spielte. „Du bist doch nicht töricht genug zu glauben, Kind, dass von dort her und aus dem inneren Lande heraus der Feind gegen uns anrücken könnte?“

       „Das ist Unionskavallerie, Mama!“, rief aber Lucie entsetzt. „Ich kenne sie aus den Abbildungen, die wir hierher bekommen. Um des Himmels Willen, der Feind! Jetzt sind wir alle verloren.“

       Mrs. Taylgrove war leichenblass geworden, und für den Augenblick schien es in der Tat, als ob sie, starr vor Schrecken, das Furchtbare mehr über sich hereinbrechen sah als fühlte. Aber es sollte ihr keine lange Zeit, um sich zu sammeln, gegeben werden, denn wenige Sekunden später erschallte ein Kommandoruf, und mit demselben zugleich zügelten die ersten Reiter ein – unmittelbar vor der kleinen, niedrigen Gartenpforte und kaum zehn Schritte von der Veranda entfernt, auf welcher sich die Damen befanden. Ein Offizier – die Uniformauszeichnung ließ sich freilich kaum durch den Staub, der ihn bedeckte, erkennen – ritt dicht an die kleine Tür heran, und militärisch, aber sehr artig grüßend, sagte er:

       „Ladies, ungemein erfreut, nach einem langen heißen Ritt endlich wieder einmal menschliche Wohnungen und so holde Gesichter zu finden, das ist ein gutes Zeichen; aber eine Bitte hätte ich: Ist es wohl möglich, hier ein Glas frische Milch oder kaltes Wasser zu bekommen? Die Zunge klebt uns allen am Gaumen an.“

       Mrs. Taylgrove war in der Tat durch den ersten Schreck momentan gelähmt gewesen, aber das dauerte nicht lange. Ihrer ganzen Natur nach eine äußerst resolute Frau, die überdies von Jugend auf nur gewohnt gewesen war, zu befehlen und über zahlreiche Sklaven zu gebieten, sammelte sie sich bald wieder. Das Blut schoss ihr in einem plötzlichen Strom in die Schläfe zurück. Das war der Feind, der freche Feind, der mit ihr sprach, der ihnen ihre Sklaven nehmen und selber über ihr Land gebieten wollte. Ihre großen, schwarzen Augen blitzten ihn an, ein trotziges, verächtliches Lächeln zuckte um die immer noch schönen Lippen und mit schneidender Stimme erwiderte sie, indem sie sich zu ihrer vollen Höhe emporrichtete:

       „Das Hotel ist vorne in der Stadt, Sir. Truppen mit d e r Flagge können nicht erwarten, dass sie von den Bewohnern des Südens verpflegt werden sollen.“

       „Oh?“, lachte der Offizier leise vor sich hin. „Stehen wir auf einem s o l c h e n Fuß miteinander, Mylady? Ja, da wird’s wohl nicht bei einem Glas Milch bleiben. Sam“, wandte er sich dann an einen hinter ihm haltenden Neger, „wie weit ist es bis in die S t a d t, wie die Dame sagt, und zum Hotel?“

       „Oh Massa“, rief der Neger, der barfuss, nur mit Hemd, Jacke und Hose bekleidet und selbst ohne Hut, sein Tier rasch an die Seite des Offiziers trieb, „kaum zehn Minuten scharf zu reiten, können die Häuser schon da drüben durch die Bäume sehen.“

       „Gut, Sam. Mr. Sight, haben Sie die Güte, Ihren Zug in die Stadt zu führen und dort Quartier zu besorgen, nehmen Sie in Beschlag, was Sie finden, und schlagen Sie Ihr Hauptquartier gleich im Courthouse auf, es ist doch eines dort, Sam?“

       „Mächtig groß, Sir“, sagte der Neger vergnügt.

       „Also gut, ich komme dann in etwa einer Stunde nach und will hier der Dame nur erst Respekt vor unserer Flagge beibringen. Die Proklamationen haben Sie bei sich, wie?“

       „Gewiss, Captain“.

       „Well. Sie wissen, was Sie zu tun haben. Quartier für den General in dem besten Haus, was Sie finden – selbstverständlich.“

       „Ay ay, Sir!“ rief der junge Offizier – laut gegebene Befehle folgten, und wenige Minuten später trabten etwa zwei Drittel dieser Vorhut scharf die Straße entlang und gegen Belleville zu, während die Zurückgebliebenen, auf Kommando ihres Hauptmanns, jetzt absaßen, die Gartentür, die ungehalten nicht aufbleiben wollte, ohne weiteres aus den Angeln hoben und dann ihre Pferde in langer Reihe um das Haus herum auf den Hof führten, der aber auch mehr einem Garten als einem solchen Raum glich.

       Der Captain war so lange zurückgeblieben, bis er alle seine Leute dort drinnen wusste – und sechs oder acht Neger hatte er ebenfalls in seiner Begleitung – dann folgte er nach. Kaum betrat er aber den inneren Raum, als er sich Mrs. Taylgrove gegenüber sah, die aus ihrem Haus kam, um dem Feind keck die Stirn zu bieten.

       „Sir“, redete sie ihn hier mit finster zusammengezogenen Brauen an, „wer gibt Ihnen das Recht, das Eigentum eines freien Bürgers ohne seine Erlaubnis, ja ohne seine Anwesenheit zu betreten? Sind Sie ein G e n t l e - m a n, dass Sie es wagen, hier von unbeschützten F r a u e n ein Haus zu nehmen und Ihre ganze Mannschaft hineinzulegen. Ich habe wahrlich bis jetzt noch keinen hohen Begriff von den Yankee-Truppen gehabt, aber es scheint mir fast, als ob sie sich selber übertreffen.“

       Der junge Offizier hatte ihr lächelnd zugehört, ohne sie auch nur durch ein Wort oder eine Bewegung zu unterbrechen; jetzt, nachdem sie geendet, erwiderte er mit derselben spöttischen Höflichkeit:

       „Madame, ich selber habe nie daran gedacht, dass uns der Süden guten Willen und Gastfreundschaft entgegenbringen sollte, denn wir sind eben damit beschäftigt, seinen Stolz und Übermut zu brechen, und das ist stets ein undankbares Geschäft. Ich habe aber wenigstens geglaubt, dass die Bewohner dieser Gegenden die gewöhnliche Klugheit beachten und sich in das Unvermeidliche fügen werden; aber auch das scheint nicht der Fall zu sein, und wir werden es deshalb übernehmen müssen, den südlichen Herrschaften nicht allein unsere Gesetze, sondern auch unsere Sitten aufzuzwingen.“

       „Eher könnten Sie das Land zu einer Wüste machen“, rief die Frau erregt und leidenschaftlich aus.

       „Vielleicht doch nicht“, lächelte der Offizier, „aber Sie wissen, Madame, dass nur Erfahrung – und oft eigene bittere Erfahrung den Menschen klug macht, und davon möchte ich Ihnen jetzt eine Probe geben. Sie wären mich vorhin mit etwas Milch, ja nur mit ein paar Eimern frischen Wassers losgeworden, sobald Sie es nur freundlich und sich den Umständen