Sklavenauktionshaus in Atlanta, Georgia
„Oh Massa, Massa!“, bat der Unglückliche, oben im Baume mit matter, flehender Stimme. „ W a s habe ich denn getan, dass Ihr mich hier durch den Wald mit den schrecklichen Hunden hetzt, als ob ich einen Menschen totgeschlagen hätte – was habe ich denn getan, was verbrochen?“
„Was Du verbrochen hast, mein Bursche?“, rief der junge Harper, indem er jetzt ebenfalls mit seinem Revolver unter dem Baume Posto fasste. „Hast Du nicht den Aufruhr unter unseren Negern in Belleville gepredigt; hast Du ihnen nicht erzählt, dass sie frei wären und machen könnten, was sie wollten, also auch ihre bisherigen Herren totschlagen und ihre Pflanzungen plündern?“
„Oh no, no, no, Massa!“, rief der Mulatte entsetzt aus. „Gepredigt habe ich zu ihnen gestern, am heiligen Sonntag, aber nur gute Worte. Ich habe ihnen gesagt, dass die weißen Männer im Norden erklärt hätten, sie sollten frei sein.“
„Nun siehst Du, Schuft!“, schrie Taylgrove voller Wut. „Und Du fragst noch, was Du getan hast?“
„Aber ich habe sie ermahnt, Massa, dass sie ruhig ausharren und gehorsam ihre Arbeit tun sollten, bis das Gesetz im Land geregelt ist.“
„Das lügst Du, Schuft!“, rief da der junge Harper. „Du hast ihnen gesagt, es könnte sie Niemand mehr z w i n g e n zu unbezahlter Arbeit.“
„Aber trotzdem sollten sie sie verrichten, Massa, habe ich ihnen gesagt“, rief der arme Teufel in Todesangst, „um keine Ursache zur Klage zu geben und in Frieden mit ihrem bisherigen Herrn zu leben.“
„Und brauchen wir D i c h dazu, Lump!“, rief einer der anderen Pflanzer. „Um unsere Leute gegen uns aufzuhetzen und ihnen Albernheiten und Lügen vorzuerzählen? Kümmert u n s das, was die schuftigen Yankees droben im Norden befehlen? Verdammt der Neger, der seinen Gehorsam weigert – an dem nächsten Baum hängt sein Strick, und gerade solche Kanaillen, wie Du eine bist, sind es, die unsere Leute zu Rebellen machen wollen.“
„Oh, Massa, Massa“, bat der Unglückliche, „ich habe es ja nicht so bös’ gemeint und gerade geglaubt, dass ich Gutes damit stifte. Ich sprach ja doch auch zu ihnen vom lieben Gott, wie der so lange die Sklaverei geduldet habe, und dass sie nicht mit eigener, frevelnder Hand seinem Willen und Endziel vorgreifen sollten.“
„Herunter mit Dir, Schuft!“, schrie Taylgrove, den Revolver wieder gegen ihn hebend. „Oder ich schieße Dich dort herunter wie ein faules Coon.“8
Die Hunde hatten, wie der Mulatte nur den ersten Laut von sich gab, in wilder Wut, wenn auch nur vergebliche Versuche gemacht, an dem Baum hinauf zu springen; jetzt kratzten sie die Rinde, bissen vor Ingrimm in die Wurzeln und verrieten deutlich genug, wie sie den Verfolgten behandeln würden, wenn er in ihren Bereich käme.
„Oh, Massa“, bat da der Mulatte, „ich will ja herunter kommen; ich weigere mich ja nicht, aber nehmt nur erst die schrecklichen Hunde fort.“
Über Taylgroves Züge zuckte ein verächtliches Lächeln, und seinen Revolver wieder in den Holfter zurückschiebend, sagte er:
„Wir müssen den Burschen lebendig mit nach Belleville hineinbringen; so nehmt Eure Hunde an die Leine, Sherard, oder sie reißen ihn in Stücke und wir haben nachher nicht den Spaß, ihn hängen zu sehen.“
„Und sollen wir uns mit der Bestie noch lange herumschleppen?“, rief Urguard, einer der anderen Pflanzer.
„Schon des Beispiels für unsere Leute wegen“, erwiderte Taylgrove, „wenn er vor ihren Augen gehangen wird, macht das einen viel besseren Eindruck auf sie, als wenn wir ihn hier am Wald abfertigen, so dass sie ihn nicht mehr sehen und es am Ende nicht einmal glauben.“
„Es wird schwer sein, die Hunde jetzt zurückzuhalten“, meine Sherard. „Wir haben sie gehetzt und angefeuert, und wenn man ihnen dann einmal ihren freien Willen lässt, gehen sie das nächste Mal auch um so viel feuriger auf eine frische Fährte.“
„Das geht uns aber nichts an, Mr. Sherard“, sagte Taylgrove finster; „wir sind nicht hier herausgekommen und zahlen Euch nicht dafür, um Eure Hunde zu dressieren, sondern wir wollen so handeln, wie es unseren Interessen am besten zusagt, und die erfordern diesmal, dass wir den Burschen lebendig nach Belleville hineinschaffen. Hätten sie ihn im offenen Walde erwischt und niedergerissen, nun gut, dann ließ’ sich eben an der Sache nichts mehr ändern, und wir würden uns mit dem Kadaver begnügt haben, jetzt aber ist’s besser so, und ich bitte Euch deshalb, die Hunde festzunehmen.“
Die Bitte war mit einem so befehlenden Ausdruck gegeben, dass sie keinen Widerspruch duldete. Sherard, der nur ärgerlich die Zähne zusammenbiss, wusste recht gut, dass die hochmütigen Pflanzer mit Verachtung auf ihn herabsahen, und es wäre z.B. keinem von ihnen allen eingefallen, ihn je in ihr Haus einzuladen und an ihren Tisch zu ziehen. Er wurde nur benutzt, wenn man ihn brauchte – aber gleiches Interesse leitete ja auch ihn. Was kümmerte ihn das stolze, eingebildete Aristokratenpack, wie er es nannte; stak denn auch nur für einen Cent Wert republikanischer Geist in ihnen? Gott bewahre, die hätten am liebsten einen Kaiser oder König für das ganze Reich gehabt, wenn sie nur den richtigen Mann gefunden, der sie in ihren Privilegien schützte – aber auch er brauchte und benutzte sie zu seinem Zweck: Geld zu verdienen, und die Gelegenheit dafür war jetzt überhaupt nicht mehr so günstig, als dass er ihnen gerade in dieser Zeit hätte den Stuhl vor die Tür setzen dürfen.
Einen Moment zögerte er allerdings noch, aber er sah auch keinen anderen Ausweg; und endlich langsam von seinem, mit weißem Schaum bedeckten, Tier absteigend, warf er dessen Zügel um einen Busch, knüpfte dann von seinem Sattel die darangeschnürten Leinen los und suchte jetzt die Hunde wieder fest zu bekommen, was sich aber als eben kein so leichtes Stück Arbeit zeigte. Die Bestien waren in voller Aufregung und Wut; sie witterten ihre Beute da oben in den Zweigen und sie wussten, dass er von da oben herunter musste, denn wie viele unglückliche Opfer hatten sie schon so gestellt. Die bereitgehaltenen Leinen kannten sie aber eben so genau, und als sich Sherard dem ersten, Nigger, näherte, wandte sich dieser gegen ihn, fletschte die Zähne und nahm eine entschieden drohende Haltung ein – und wie ingrimmig die blutunterlaufenen, tückischen Augen dabei den eigenen Herrn anblitzten!
Sherard wandte sich jetzt zu dem anderen und es gelang ihm endlich den etwas mehr phlegmatischen Bull fest und an die Leine zu bekommen. Nigger wollte sich aber trotzdem noch nicht fügen, und der Yankee musste zuletzt wirklich erst in den Sattel steigen und Bull mit fortführen, wonach dann endlich dessen Gefährte, wenn er auch noch verlangende Blicke nach dem Baum hinaufwarf, folgte und später, eine Strecke weit drinnen im Wald und aus der Sicht seines Opfers, ebenfalls angelegt werden konnte. Es war ein gefährliches Hantieren mit diesen Bloodhounds.
Der Mulatte getraute sich indessen noch immer nicht herunter, denn der Hund konnte noch zurückkehren; Taylgrove hatte aber die Geduld verloren und auf seine erneute Drohung ließ sich denn endlich der unglückliche Neger, der sich rettungslos in der Gewalt seiner erbarmungslosen Feinde sah, an einer der an dem Baum niederhängenden Reben zu Boden nieder, wo er ohne Weiteres von Zweien der Abgesessenen gefasst und gebunden wurde und jetzt mit auf den Rücken geschnürten Armen seinen Heimweg zwischen zweien der Pferde antreten musste.
Allerdings rissen die Hunde, als sie von ihm die Witterung bekamen, wieder heftig an der Leine und Sherard selber wäre im Sattel wohl kaum imstande gewesen, die starken Tiere, die mit vereinter Kraft anzogen, zurückzuhalten, hätte er nicht schon gleich von vornherein die Vorsicht gebraucht, das Ende der Leine in dem großen Ring seines spanischen Sattelgurts zu befestigen. Jetzt lehnte sich das Pferd selber gegen den Druck, und die beiden Tiere waren nicht mehr imstande, auch nur einen Fuß breit Raum zu gewinnen.
Für den Augenblick war der gefangene Mulatte der Gefahr entgangen – aber auch nur für den Augenblick, denn was ihn in Belleville erwartete, wenn er dort eingebracht und von einer Jury der Sklavenhalter abgeurteilt wurde, wusste er gut genug. Was lag diesen Herren des Südens an einem Menschenleben, wo in der Sklavenfrage ihre ganze