„Lauter Unsinn, Herz“, sagte Dürrbeck. „Zitate aus Tasso und Shakespeare – damit stieg er augenblicklich auf den Kothurn und ging von dem durch die benutzte Versenkung in die Unterwelt ab. Ich sage dir, Hans Solberg war mit mir und konnte sich nachher noch wohl eine halbe Stunde lang nicht zufrieden geben, er lachte in einem fort vor sich hin.“
„Was ist dieser Hans von Solberg für ein Mann?“ fragte Constanze.
„Ein lieber, prächtiger Mensch“, rief Dürrbeck. „So natürlich und herzlich, dass man es ihm auf den ersten Blick ansieht, dass er nicht in unseren gedrechselten und so oft leider vollkommen unnatürlichen Verhältnissen aufgewachsen ist.“
„Er war lange in Amerika?“
„Ja, ich traf ihn heute unerwartet auf der Straße; ich hatte keine Ahnung, dass er zurückgekehrt war.“
„Du bist mit Solbergs selber nicht befreundet?“
„Ich – war früher oft im Hause“, sagte Dürrbeck ausweichend.
„Und seit deiner Verlobung mit mir haben sie sich von dir zurückgezogen“, sagte Constanze mit leiser, aber tief bewegter Stimme. „Wie viele Opfer hast du bringen müssen, Bernhard, mir und deiner Liebe!“
„Und nennst du das ein Opfer, wenn sich hier und da eine adelsstolze Familie wirklich von mir zurückgezogen hätte?“ rief der junge Offizier mit leuchtenden Blicken. „Nennst du das ein Opfer, wo ich d i c h dafür gewann, Constanze? Aber es ist das nicht einmal der Fall, denn Hans erzählte ich augenblicklich von dir, und er blieb so herzlich, wie er je gewesen. Nur in dem alten Kammerherrn und der eingebildeten Dame, seiner Frau, steckt noch der alte Dünkel.“
„Und die Tochter? Ich begegnete ihr neulich und grüßte sie artig, aber sie hielt es nicht der Mühe wert, mir zu danken.“
„Sie hat dich vielleicht gar nicht erkannt.“
„Das wäre allerdings merkwürdig“, lächelte Constanze, „aber, lass es gut sein, Bernhard, glaube nicht, dass ein derartiges Nichts auch nur einen Schatten über meine Seele werfen oder mein Glück mit dir mit einem Hauche trüben könnte. Ich habe dich, Bernhard, ich liebe dich aus vollen, reinem Herzen – ich weiß, du liebst mich wieder, und sind wir uns selber genug, was kümmert uns dann die Welt, die Gesellschaft?“
„Meine liebe, liebe Constanze!“ rief Dürrbeck, indem er sich zu ihr niederbeugte und ihre Stirn küsste. „Wie glücklich fühle ich mich in deinem Besitz! Aber glaube oder fürchte auch nicht, dass dir, wenn du erst mein liebes Weib bist, irgendjemand den Stolz entgegentragen wird, mit dem dir jetzt noch einige begegnen. Du bist bis jetzt nur meine Braut, und leichtsinnig gegebene Versprechen sind schon öfter gebrochen worden – die haute volée will sich aber nichts vergeben, bis sie ihrer Sache vollkommen sicher ist; dann trittst du jedoch ebenbürtig in ihre Reihen, und du sollst sehen, wie freundlich man dir überall begegnen wird.“
„Lass das, Bernhard“, lächelte das junge Mädchen. „Es ist das meine kleinste Sorge. Sag mir lieber, was du jetzt bestimmt hast, denn auf den Direktor rechne nicht mehr.“
„Auf den Direktor?“ lachte Dürrbeck. „Nein, mein Schatz. Jemand, dem solche Mittel zu Gebote stehen, sich einem lästig werdenden Besuch zu entziehen, möchte wohl schwerlich auf Unterhandlungen eingehen. Aber was tut das? Noch habe ich eine andere Hoffnung und werde darüber erst einmal mit einem tüchtigen Advokaten sprechen. Ich weiß nämlich nicht, ob er dich durch eine solche, dem Gesetz gerade zuwiderlaufende Klausel wirklich binden kann; ist das aber trotzdem der Fall, nun, dann ist das Schlimmste, was mir passieren kann, dass ich die Konventionalstrafe zahle, und das macht mich auch noch nicht arm. So viel verspreche ich dir gewiss: Ende nächsten Monats ist meiner Eltern silberne Hochzeit, und an dem Tage feiern wir auch unsere Verbindung – genügt dir das?“
„Mein Bernhard!“
„Aber jetzt muss ich fort. Die Dämmerung bricht an, und ich möchte der liebenswürdigen Nachbarschaft, die hier an den Fenstern zu wohnen scheint, nicht Stoff zu boshaften Bemerkungen geben, deinetwegen, Constanze.“
„Die beiden jungen Damen da drüben“, lächelte Constanze, „haben sich schon fast den Nacken abgedreht, um unser Fenster nicht aus den Augen zu verlieren.“
„Es sind Klingenbruchs“, nickte Dürrbeck. „Und wie man sich in der Stadt erzählt, leben sie, fast ohne jede andere irdische Nahrung, nur von Skandal und Neuigkeiten – doch gute Nacht, mein Herz, halte dich jetzt und noch die kurze Zeit tapfer, und bald, recht bald schlägt für uns die glückliche Stunde, von der an wir vereint und nicht mehr getrennt die Dämmerung erwarten und uns ihrer freuen können. Gute Nacht, mein liebes, süßes Herz!“ Und sie noch einmal fest umschlingend, wandte er sich ab und verließ, selig in der Erinnerung an diese Stunde, der ersten fast, in der er ungestört mit der Geliebten hatte plaudern können, das Haus.
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