Totenwache 2.Teil. Tonda Knorr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tonda Knorr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742795571
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erinnern, dass das ganze Dilemma von mir und meinem Gehöft ausging. Also wenn überhaupt, dann habe ich dich da mit reingezogen. Hättest du mal auf Kuntz gehört und nicht geschossen. Obwohl…, wenn ich ganz ehrlich bin, war schon gut so. Hast mir was abgenommen. Es wird schon nicht so schlimm werden. Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert.“

      „Eben. Das macht mir ja Sorgen. Früher hat man sich auf einer Wiese, weit vor der Stadt, gegenübergestanden. Da hat dann jeder den anderen abwechselnd mal schießen lassen und am Ende wurde gezählt, auf welcher Seite noch mehr Leute übrig waren. Wenn es dann, wie meistens der Fall, so ungefähr die gleiche Anzahl waren, dann sind sie mit einem Holzknüppel aufeinander losgegangen. Mann gegen Mann. Von Angesicht zu Angesicht. Keine Intrigen, keine Geheimdienste, keine hochtechnologisierten Waffen und schon gar kein Internet.“

      „Tja, so ist die Zeit. Heute werden Kriege nur noch durch Geld und Informationen gewonnen. Wenn man denn überhaupt einen Krieg jemals gewinnen kann. Aber glaub mir mal, Intrigen gab es schon immer.“

      Frank drehte sich ab und starrte aus dem Fenster. Er schien das Besprochene zu verarbeiten. Sarah knabberte an ihrem vertrockneten Croissant und beobachtete ihn dabei.

      „Sage mal, darf ich dich was fragen?“

      Frank wandte sich ihr wieder zu ohne zu antworten.

      „Woher kennst du eigentlich Kuntz so gut? Oder anders gefragt, warum habt ihr so einen guten Draht zueinander? Ich meine, schließlich ist er ja ein ziemlich hohes Tier in Berlin und du…“

      „Ich bin nur ein kleiner Kommissar. Einer von vielen“, unterbrach er sie.

      „Nein, oder doch. Ich meine, du bist ja scheinbar nicht gerade der Verfechter der Dienstvorschriften und in der Hierarchie ist ja da ne ganze Menge Luft zwischen euch.“

      „Ach die Dienstvorschriften. Ich glaube Kuntz kann das ganz gut abwägen. Über den Sport haben wir uns kennengelernt. Ich war mal eine ziemliche Sportskanone. Ich wurde gefördert und wie das so ist, bei Wettkämpfen auf Bundesebene war er ab und zu mal da. Eigentlich, wenn ich’s mir recht überlege, eigentlich immer. Ihm war das ganz angenehm und das war mir wiederum ganz angenehm.“

      „Dass er da war? Solche Leute wollen sich doch dann immer nur in den Vordergrund rücken?“

      „Naja, er eben nicht. Beim ersten Mal habe ich gar nicht gewusst, wer er eigentlich ist. Er war wirklich interessiert und hat förmlich mitgefiebert, mitgelitten, je nach dem. Hat nicht den Chef raushängen lassen. Er hat solche Treffen auch immer genutzt, um zu erfahren was draußen so los ist. Er hat mich irgendwann mal beiseite genommen und ganz belanglos gefragt, ob es was zu meckern gibt. Im Polizeidienst, im Alltäglichen und so. Was draußen los ist. Wie die Stimmung in der Truppe, auf der Straße ist. Da habe ich ihn angeschaut und gefragt, ob er das wirklich wissen will oder ob ich ihm das sagen soll, was er hören will.“

      „Und?“

      „Klartext Junge! Arschkriecher habe ich die ganze Woche um mich. Sag was zu sagen ist. Ich habe Angst, in meinem Ledersessel den Gestank der Straße zu vergessen. Als Kapitän kann man nicht immer nur auf dem Sonnendeck nach dem Rechten sehen, ab und an muss man auch mal in den Maschinenraum. Das waren seine Worte. Na dann habe ich ihm alles gesagt, was mir so quer liegt und er hat sich das Wort für Wort angehört. Und so hat sich das dann im Laufe der Zeit zu einem ganz guten Verhältnis zwischen uns entwickelt.“ „Du warst also sein Geheimagent? Sein Spitzel? Sein Draht zur Basis?“, fasste Sarah mit einem spitzbübischen Lächeln zusammen.

      „So in etwa. Ich war sein IM…, obwohl…, inoffiziell war das ja gar nicht.“

      „Und? Hat sich was geändert?“

      „Eigentlich nicht. Hat er mir aber auch nicht in Aussicht gestellt. Wir haben manchmal drüber diskutiert und er hat mir manche Sachen von seinem Standpunkt aus erklärt. Hauptsächlich wollte er eben wissen was los ist. Hat er dich denn nie gefragt?“

      Sarah überlegte.

      „Vielleicht. Habe ich jetzt nicht so auf dem Schirm. Meistens hat er sich mehr für die Arbeit von meinen Eltern interessiert. Von meinem Vater. Was wir so geredet haben, das war mehr oberflächlich. Glaube ich jedenfalls. Kann mich natürlich auch täuschen. Er kann ja sehr geschickt fragen ohne das man es so richtig mitbekommt. Wir kennen uns halt eine Ewigkeit. Außerdem war meine Karriere bei der Polizei ja ein rotes Tuch für meinen Vater, und da wollte er halt nicht noch den Finger in die Wunde legen. Er war ja froh, dass er mich hatte.“

      „So gut warst du also?“

      Ein wenig verlegen schaute Sarah zu Frank.

      „Ich glaube, dass ich den Job ganz ordentlich gemacht habe.“

      Behutsam streichelte Frank Sarahs Wange.

      „Oh nein, du machst ihn immer noch gut. Sonst würden wir doch jetzt nicht hier sitzen und gegen dubiose Banken und Compagnien ankämpfen.“

      „Ankämpfen? Meinst du? Ich will nicht mehr kämpfen.“

      „Naja, wie gesagt, die Zeiten des Säbelrasselns sind vorbei. Dort in Bern werden wir wohl an’s Eingemachte müssen.“

      Sarah schmiegte sich für die letzten Minuten ihres Fluges in Franks Arm und ließ das Gesagte unkommentiert.

      *

      „Also wenn hier alles so überschaubar ist wie der Flughafen, dann könnte mir Bern vielleicht doch gefallen. Eine Landebahn…, wehe hier kommen mal zwei Flieger gleichzeitig an.“

      „Ich glaube eher nicht.“

      Während Frank Sarah beiläufig antwortete, ließ er seinen Blick suchend umherschweifen.

      „Wie geht’s weiter?“

      „Wir werden abgeholt, da…, da steht so ein Schilderhochhalter.“

      „Können wir nicht die Frau mit dem Schild daneben nehmen. Die sieht netter und nach Reisegruppe aus.“

      „Kloster St. Berthold? Die sieht nicht nach Reisegruppe aus, die sieht wie ne Nonne aus.“

      „Naja, besser als Banque pour l’art und so ein Zweimeter Riese von Chauffeur.

      „Ich denke du stehst auf so was? Philipp sieht doch auch so aus.“

      „Ja, aber Philipp ist nett. Der da sieht nicht nett aus. Heute sind die Chauffeure alle so ´ne Jason Statham-Typen. Früher waren die alt und gediegen, hatten ´ne Nickelbrille, einen Zylinder, weiße Handschuhe…“

      „…und ne Pferdekutsche. Wach auf Sarah. Wir sind im 21. Jahrhundert. Außerdem sieht Jason Statham doch nett aus.“

      „Ja, im Film. Kuck dir doch den da an, wer weiß, wo der uns hinfährt?“

      Mit einem Schmunzeln quittierte Frank Sarahs Sorgen.

      „Ich bin ja bei dir. Komm…, hey, hey, hey.“

      Gerade als Frank seine Tasche hochheben wollte, wurde er unsanft angerempelt. Es war so ein typischer Anrempler der sich genau an der Grenze zum Schmerz bewegte. Man ist sich nicht sicher, ob es absichtlich war oder nur ein Versehen. Ein kurzer Blick über die Schulter, des vorbeihastenden Mannes, ein kurzes „pardon, excusez-moi“ und schon schien die Sache vorbei. Trotzdem schauten sich die Männer für einen kurzen Augenblick genauestens in die Augen, ehe der Mann hastig den Ausgang anpeilte. Frank ließ ihn nicht aus den Augen. Alt war er, aber die Wucht des Zusammenpralls war für Frank immerhin so spürbar, dass man durchaus auf eine gute körperliche Konstitution schließen konnte. Ihm entging auch nicht der Blickkontakt zwischen dem, man kann fast schon sagen, flüchtenden Mann und dem Chauffeur der sich langsam auf sie zubewegte.

      „Alles in Ordnung?“

      Frank reagierte nicht auf Sarahs Frage. Sein Blick klebte so lange es ging an dem davonlaufenden Mann.

      „Frank? Hast du dir wehgetan?“

      „Keine Ahnung, nein…, hast du den Blick gesehen?“

      „Welchen