Das Tal der Feuergeister. Franziska Hartmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Hartmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753170428
Скачать книгу
ja. Ich wollte zu Cuinn Lasair. Er wurde heute eingeliefert. Ich habe meine Handtasche auf dem Zimmer vergessen“, erklärte ich.

      „Bist du seine Freundin?“

      Ich nickte eifrig. Kaum zu glauben, wie gut ich lügen konnte. Ohne zu zögern. Ohne mit der Wimper zu zucken.

      „Du musst nur den Gang ein Stück weiter runter gehen und dann links abbiegen. Das zweite Zimmer auf der linken Seite ist seines.“

      „Vielen Dank.“ Und schon zischte ich ab. Der Weg war wirklich nicht so schwer gewesen. Wie peinlich, dass ich danach hatte fragen müssen.

      Bevor ich die Tür zu Cuinns Zimmer öffnete, überlegte ich mir, wie ich reagieren sollte. Ihn einfach ignorieren, die Tasche schnappen und wieder gehen. Das klang gut. Ich drückte die Tür auf, warf einen flüchtigen Blick zu Cuinns Bett und… Sein Bett war leer. Fassungslos betrat ich den Raum und ließ meinen Blick umherschweifen. Cuinns Umhang war weg. Und dann erst fiel mir auf, dass eines der Fenster sperrangelweit offen stand. Mit drei riesigen Schritten stand ich am Fenster und starrte hinunter. Da stand er direkt unter mir. Anscheinend war er gerade erst auf dem Boden angekommen. Aber wie zur Hölle war er da runter gelangt?

      „Cuinn!“, brüllte ich ihm zu.

      Erschrocken sah er zu mir auf. Dann begann er zu rennen, quer durch den Park, der an das Krankenhaus grenzte.

      Ich machte Anstalten, auf die Fensterbank zu klettern. Jedoch ermahnte mein Verstand mich schnell, dass das eine vollkommen hirnrissige Idee war. Ich würde dort nie hinunterklettern können. Eher würde ich mir dabei das Genick brechen.

      „Scheiße“, fluchte ich und stieg wieder hinab auf den Zimmerboden. Ich drehte mich um, griff nach meiner Tasche und rannte auf den Flur.

      „Cuinn ist weggelaufen!“, rief ich über die ganze Station und bezweckte damit den geplanten Aufruhr.

      Eigentlich konnte es mir ja egal sein, dass Cuinn sich davonmachte. Schließlich kannte ich ihn nicht und er war seltsam. Aber er schuldete mir verdammt noch mal Antworten! Zum Beispiel auf die Fragen: Wer bist du wirklich?, Woher kommst du wirklich? und Wie bist du in unser Wohnzimmer gekommen?

      Ich beobachtete, wie eine Krankenschwester zum Telefon griff und einen anderen Angestellten kontaktierte, während ein weiterer Mitarbeiter ins Treppenhaus verschwand und vermutlich die Stufen hinunterhechtete. Ich beschloss, ihm zu folgen.

      Im Erdgeschoss angekommen, rannte ich zum hinteren Ausgang, der zum Park führte. In meiner Eile rempelte ich eine Krankenschwester an, die gerade mit einem Essenstablett aus einem Zimmer kam. Das Tablett fiel samt Geschirr und Essensresten scheppernd zu Boden.

      „He!“, rief sie mir erbost hinterher.

      Ich warf ihr nur ein halbherziges Sorry über die Schulter hinweg zu und lief unbeirrt weiter. Ich durfte keine Zeit verlieren. Cuinn war bestimmt schon über alle Berge. Wo war überhaupt der Krankenpfleger hin, dem ich gerade noch gefolgt war? Ich hatte keine Ahnung und eigentlich konnte es mir auch egal sein.

      Ich erreichte den Hinterausgang, überquerte die Terrasse, die dahinter lag und schon war ich im Park.

      „Cuinn!“, schrie ich, so laut ich konnte. Ich suchte mit meinem Blick die Umgebung ab, aber Cuinn war wie vom Erdboden verschluckt. „Cuinn!“ Meine Stimme versagte. Und mir ging allmählich die Puste aus. Trotzdem gab ich noch einmal Vollgas und preschte an mich mit verwunderten Blicken musternden Patienten und Angehörigen vorbei, die gerade gemütlich durch den Park spazierten. Ich jagte durch den gesamten Park, bis ich einen Wald erreichte, der das Krankenhausgelände begrenzte. Dort blieb ich stehen und japste nach Luft. War er wirklich schon so weit gekommen? Er hatte doch eine Kopfverletzung! Oder hatte der Krankenpfleger ihn schon aufgelesen und wieder ins Zimmer manövriert?

      „Cuinn?“, rief ich nun etwas zaghafter in den Wald hinein. Vor Schreck zuckte ich zusammen, als ich plötzlich ein Vibrieren durch meine Handtasche und meine Jeans hindurch verspürte. Ach verdammt, Mama musste sich schon wundern, wo ich blieb. Ich fischte mein Handy aus der Handtasche.

      „Hi Mama.“

      „Katja, wo bleibst du?“

      „Ähm, ich bleibe noch eine Weile. Ich komme später mit dem Bus nach Hause.“

      „Spricht er endlich?“, fragte meine Mutter.

      „Ähm… also… ja, tut er“, schwindelte ich.

      „Und was sagt er?“

      Bitte nicht jetzt, Mama. Mit jedem Wort, das ich hier mit dir wechsle, entfernt sich Cuinn vermutlich weiter. „Ich erzähle es dir später. Es ist jetzt wirklich unpassend. Bis später.“

      „Du kannst mich auch anrufen, wenn du abgeholt…“

      Da legte ich eiskalt auf. Ich ließ mein Handy wieder in meine Tasche gleiten.

      „Cuinn?“, rief ich erneut und ging dann in den Wald.

      Die Bäume standen dicht an dicht und wo kein Baum stand, machte sich üppiges Gestrüpp breit. Den Wald zu durchqueren, war eine echte Tortur. Ich konnte kaum länger als fünf Minuten unterwegs gewesen sein, als ich aufgab und mich auf einen umgekippten Baumstamm setzte. Er war weg. Und hatte mich mit einem Haufen ungeklärter Fragen zurückgelassen.

      „Ihr müsst mir helfen.“

      Die Stimme aus dem Nichts erschreckte mich so sehr, dass ich vom Baumstamm fiel und ins Gras plumpste. Sofort rappelte ich mich wieder auf. Auf der anderen Seite des Stammes stand Cuinn.

      „Bist du des Wahnsinns, mit dieser Verletzung einfach aus dem Krankenhaus abzuhauen? Aus dem Fenster!“, herrschte ich ihn an.

      „Aber es geht mir schon viel besser“, entgegnete er.

      „Du warst ohnmächtig!“ In diesem Moment fiel mir ein, mit welchen Worten er mich auf sich aufmerksam gemacht hatte. „Wobei brauchst du Hilfe?“, fragte ich.

      „Wenn Ihr mir…“

      „Solange du mich nicht vernünftig ansprichst, werde ich gar nichts!“, stellte ich klar.

      Einen Moment lang sah er mich irritiert an, dann räusperte er sich. „Wenn du mir sagen könntest, wie ich zum Meer komme, wäre ich dir sehr dankbar.“

      Ich spürte, wie mir meine Gesichtszüge entgleisten. „Du willst zum Meer? Warum das denn?“

      „Weil ich so nach Hause komme“, erklärte er.

      „Du wohnst am Meer?“

      „Nein, aber dort gibt es jemanden, der mich nach Hause bringen könnte.“

      Ungläubig blinzelte ich ein paarmal. „Du weißt schon, dass das Meer ziemlich groß ist und es sehr unwahrscheinlich ist, dass du diese Person finden wirst, wenn du mir keine genauere Angabe als am Meer lieferst?“

      „Lass das meine Sorge sein. Ich brauche nur das Meer.“

      „Aber du hast eine Kopfverletzung!“, beharrte ich. „So nehme ich dich doch nicht mit ans Meer!“

      „Das ist schon in Ordnung. Meine Wunden heilen wesentlich schneller als bei…“ Er stockte.

      „Als bei was?“, fragte ich.

      „Nein, vergiss es einfach.“

      Ich war mir ziemlich sicher, er hatte so etwas wie bei euch Erdlingen oder, noch schlimmer, bei Menschen sagen wollen. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Oh mein Gott, wahrscheinlich war er wirklich ein Zeitreisender. Und ein Außerirdischer. Und aus irgendeinem Grund hatte er sich in unsere Wohnung gebeamt. Offensichtlich aus Versehen. War das irgendwie schädlich, wenn er hier blieb? Würde dann das Universum kollabieren oder etwas in der Art? Verwandelte sich mein Leben gerade in einen schlechten Science-Fiction-Film?

      „Okay, ich bringe dich zum Meer“, sagte ich, um meinen Gedankenstrom zu unterbrechen.

      Ein