Cuinn legte den Kopf schief. „Und auf was? Darauf, dass wir dank eines unfähigen Magiers vor dieser Mauer festsitzen?“, fragte er grimmig.
„Auf Cuinn Lasair, den todesmutigen Magier, der nicht zurückschreckt vor lebensenergiesaugenden Waldfeen, den gefährlichen Krallen der Aquare und erbarmungslosen Jägern. Habe ich etwas vergessen?“ Ich legte nachdenklich Zeigefinger und Daumen ans Kinn. „Ach ja“, fuhr ich dann fort. „Seinen verrückten Bruder habe ich noch nicht erwähnt. Du hast mich in den letzten Tagen so oft gerettet, ich könnte mir keinen besseren Beschützer wünschen.“
Cuinns Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln. Ich stieß meinen Becher gegen seinen und wir nahmen beide gleichzeitig einen großen Schluck. Allmählich gewöhnte ich mich an den Geschmack. Dann stellte ich den Becher wieder aufs Tablett, riss das Stück Brot entzwei und nahm einen Teil davon gemeinsam mit einer der Suppenschalen auf meinen Schoss. Ich schlürfte die bereits etwas abgekühlte Suppe vom Löffel und stippte hin und wieder mein Brot hinein. Nach einer Weile bemerkte ich, dass Cuinn seine Suppe immer noch nicht angerührt hatte. Verwundert schielte ich zur Seite und stellte fest, dass Cuinn mich beobachtete. Ich hasste es, wenn Leute mich beobachteten. „Willst du nichts essen?“, fragte ich, um ihn dazu zu bewegen, damit aufzuhören.
„Doch“, sagte er und beugte sich endlich nach vorn, um die verbliebene Schale zu nehmen. Als er den ersten Löffel Richtung Mund bewegte, hielt er jedoch noch einmal inne und blickte zu mir. „Danke.“
„Fofür?“, nuschelte ich mit vollem Mund. Ich schluckte das – nebenbei erwähnt ziemlich leckere – Brot hinunter. „Jetzt sag nicht: Dafür, dass du da bist. Ist ja nicht so, als hätte ich eine große Wahl.“
Ich freute mich, als ich Cuinn erneut zum Lächeln brachte. Er hatte genug Schreckliches erlebt. Ich war ihm in den letzten Tagen genug auf die Nerven gegangen. Und er trug zu viele negative Gefühle mit sich herum. Ich fand, er hatte sich jedes Lächeln verdient, jeden Hauch von Glück.
„Danke für deine Worte“, sagte Cuinn.
Dieses Mal erwiderte ich nichts. Ich ließ Cuinns Danksagung einfach auf mich wirken und das schöne Gefühl, dass sich zwischen uns in den letzten Tagen auf seltsame Weise eine Freundschaft entwickelt hatte. Wir lehnten Suppe löffelnd an der Mauer, während die Sonne allmählich unterging und den Himmel in traumhafte Rot- und Violetttöne tauchte. Zu Hause hatte ich nie einen so wundervollen Himmel gesehen. Von Anfang an waren mir alle Farben in Glenbláth intensiver, leuchtender als daheim erschienen. Sei es der Himmel über uns, das Grün der Bäume oder das Blau der Flüsse. Irgendwann lagen Cuinn und ich nebeneinander im Gras und schauten uns den klaren Sternenhimmel an. Zum ersten Mal, seit ich hier war, verdeckten keine Bäume meine Sicht. Sogar die Sterne schienen hier heller zu strahlen. Ich musste daran denken, wie ich anfangs nur so schnell wie möglich wieder nach Hause gewollt hatte. Dann kam mir Kayla in den Sinn, die behauptet hatte, ich würde diesen Ort immer mehr lieben, je mehr Zeit ich hier verbrächte. Und auch wenn der Wald seitdem nicht weniger gefährlich geworden war – recht hatte sie gehabt.
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