Traumwandler. Julia Skye. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Skye
Издательство: Bookwire
Серия: Traumwandler
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915259
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Stimmen kamen näher; ich hörte jemanden lachen. Aus Reflex wäre ich beinahe einen Schritt zurückgetreten; dann fiel mir ein, dass sich der Abgrund hinter mir befand.

      Im nächsten Augenblick durchbrachen mehrere Gestalten die Bäume; ich sah die Frau, die mich hierher gebracht hatte.

      Der nächste war ein Mann; ich erkannte nur noch dieselben, edlen, perfekten Gesichtszüge; bernsteinfarbene Augen, die mich neugierig musterten. Noch ein Mann, der beinahe gleich aussah wie der erste – waren es Zwillinge? Ich wollte die beiden Neuankömmlinge weiter beobachten, hatte aber keine Zeit, da sie schon den Mund aufmachten.

      “Du hast sie auf der Lichtung gefunden?”, fragte der erste der beiden und blickte mich mit gerunzelter Stirn an.

      Die Frau antwortete etwas, leise und schnell; es schien eine andere Sprache zu sein.

      Ich wurde immer nervöser. Alle drei starrten sie mich an; ich wusste nicht, ob es besser war zu schweigen oder wenn ich versuchte, mich zu verteidigen.

      “Wo ist Solas?”, hörte ich die Frau leise sagen.

      Wie bitte? Wer sollte das sein? Einer von ihnen? Ein hysterisches Kichern blubberte in mir hoch.

      Einer der beiden Zwillinge zuckte die Schultern. “Ich weiß nicht. Er war auf der Jagd.”

      Ha, dann nahm er sich hoffentlich als Erstes einen der Wölfe vor – falls es die hier gab.

      Die Frau seufzte. “Ich hoffe, er kommt bald zurück.”

      Der Mann seufzte ebenfalls. “Ich auch. Ich bin am Verhungern.”

      Da war er nicht der Einzige. Abgesehen davon, dass meine Kehle so trocken war, als läge eine Staubschicht darauf. Ich widerstand dem Drang, mich zu räuspern.

      Erneut überlegte ich, ob ich etwas sagen sollte, aber dann begannen die Frau und der Mann, sich in ihrer seltsamen Sprache zu unterhalten. Der zweite Mann starrte mich noch immer an, sein eindringlicher Blick war mir unangenehm.

      Die beiden anderen kommunizierten so schnell, und so leise, dass ihre Stimmen sich mit dem Rascheln der Blätter vermischten und beinahe darin untergingen.

      Auf einmal verstummten sie.

      “Er kommt. Algos, Fréiann, wartet hier”, sagte die Frau – und im nächsten Moment war sie zwischen den Bäumen verschwunden.

      Hä? Ich hatte nichts gehört. Allerdings war ich nun vorgewarnt – und konnte mich darauf bereit machen, verhört zu werden. Anstatt die drei zu beobachten, hätte ich mir vielleicht lieber eine glaubwürdige Geschichte einfallen lassen sollen.

      Gott sei Dank wendete der Mann nun seinen Blick von mir ab.

      Ich verschränkte die Arme vor der Brust und vergrub meine Hände, damit niemand sah, wie sie leicht zitterten. Dann hob ich mein Kinn und machte mich darauf bereit, eine Lügengeschichte zusammen zu spinnen. Ich musste einfach einen kühlen Kopf bewahren. Easy-peasy.

      Die Frau kam wieder zurück und hinter ihr…

      Ach. Du. Scheiße.

      Ade, du kühler Kopf.

      Genau wie die anderen war auch der Mann, der jetzt leichtfüßig aus dem Gehölz heraustrat, wunderschön. Ebenmäßige, edle Gesichtszüge, beinahe als wären sie aus dem Gemälde eines Aristokraten entnommen. Seine Lippen waren fein geschwungen. Er war muskulös und athletisch; groß, ein ganzes Stück größer als ich.

      Vermutlich unterschied er sich vom Aussehen überhaupt nicht so sehr von den anderen.

      Allerdings strahlte er eine Präsenz und eine Wachsamkeit aus, die mich sofort vollkommen in den Bann zog. Es war, als würde er die ganze Lichtung hier einnehmen; alle Energie in sich aufsaugen, reflektieren und selbst ausstrahlen.

      Wäre er nicht schon der attraktivste Mann gewesen, den ich je in meinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen hatte, wurde diese Attraktivität noch durch seine Ausstrahlung verstärkt.

      Mein Blick huschte über ihn hinweg; während er mich musterte – und dann sah ich direkt in seine Augen.

      Sie waren nicht bernsteinfarben wie die der anderen; stattdessen versank ich in einem dunklen blau, das so tief wie das Meer war. Sein Blick war wachsam, neugierig und ich konnte so viel Erfahrungen und Gefühle darin sehen, dass mir leicht schwindelig wurde.

      Noch nie hatte ich solche Augen gesehen. Sein Blick schien mich magisch anzuziehen; ich konnte mich nicht davon abwenden.

      Ich merkte, wie meine Beine sich wieder in Wackelpudding verwandelten. Das tiefe Blau seiner Augen schien im krassen Gegensatz zu der Kälte der eisblauen Augen des Wolfes zu stehen.

      Dass das Sonnenlicht ihn perfekt bestrahlte, machte die Sache nicht gerade besser.

      Abgesehen davon, dass mich noch immer alle vier anblickten und ich vermutlich angefangen hatte, zu sabbern.

      Ich bemühte mich, möglichst kühl und neutral zu bleiben, was mir nicht gerade leicht fiel. Mein Herz schlug so laut, dass ich Angst hatte, sie könnten es hören.

      Der Mann trat ein paar Schritte näher, leichtfüßig und elegant.

      Auch die Frau kam auf mich zu und brach den Bann somit. Sie redete auf ihn ein, leise und schnell; ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte.

      Die Angst kehrte zurück in meinen Körper. Ich bemerkte, wie meine Hände wieder leicht zu zittern begannen und selbst wenn ich sie verborgen hatte, fühlte ich mich, als sähe er es dennoch.

      Ich wünschte, er würde seinen Blick von mir abwenden. Noch nie hatte mich jemand so lange und so eindringlich angesehen. Es war fast, als müsste ich gar nichts mehr sagen – er wusste sowieso schon alles.

      Dann erst fiel mir auf, dass auch er einen Bogen in der Hand hielt; meine Gänsehaut verwandelte sich in eine ganz andere. Ich schluckte.

      Die Frau sprach immer noch; dann verstummte sie plötzlich. Er antwortete; seine Stimme war so tief und so samten, dass mir unwillkürlich ein Schauder über den Rücken kroch.

      Langsam wurde ich allerdings ungeduldig.

      “Also?”, fragte ich, weil ich es ziemlich unhöflich fand, dass er nun zu ihr gewandt redete, als wäre ich gar nicht da. Immerhin drehte sich das Gespräch um mich.

      Er verstummte; beinahe überrascht blickte er auf. Erneut nahm mich sein Blick gefangen; ich hätte sogar schwören können, dass seine Lippen leicht zuckten, als müsse er sich ein Lächeln verkneifen.

      Vermutlich redete ich mir die Situation nur schön.

      Nun starrten mich wieder alle vier an; sie schienen darauf zu warten, dass ich weiterredete. Auch wenn mein Gehirn gerade im off-Modus war und es besser wäre, hätte ich die Klappe gehalten, fand ich die Stille dann doch zu unangenehm.

      “Ich … ich habe wirklich keine Zeit, um… hier zu bleiben”, sagte ich. “Ich… muss weiter.” Beinahe hätte ich auf mein Handgelenk getippt, aber da hier alle wie im Mittelalter gekleidet waren, zweifelte ich an der Existenz von Uhren.

      Ich machte einen Schritt nach vorne, bereit zu gehen, als die Frau blitzschnell wieder ihren Bogen hob. Ich erstarrte.

      Der Mann sagte leise etwas zu ihr und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie ließ den Bogen sinken, sah mich aber leicht drohend an.

      Er machte noch ein paar Schritte auf mich zu, bis er nur noch wenige Meter entfernt von mir stand.

      “Baya sagt, sie hätte Euch auf der Lichtung gefunden”, sagte er. Sein Blick bohrte sich in mich hinein.

      Ich widerstand dem Drang, die Augen niederzuschlagen. Stattdessen reckte ich mein Kinn ein wenig vor. Mein Herz pochte. “Ja.”

      Er kniff die Augen leicht zusammen, als würde er etwas in meinem Blick suchen. “Was macht Ihr in diesen Wäldern?”, wollte er wissen.

      “Ich bin nur auf der Durchreise”, erwiderte ich.

      “Wohin?”