Yasirahs Erbe - Geheimnisse der Schatten. Bettina Lorenz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina Lorenz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847664642
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Cyrus gab auf und folgte ihr schweigend.

      Das Mädchen lag auf dem Waldboden. Der Schnee um sie herum färbte sich langsam rot. Das Blut floss aus einer großen Wunde in ihrer Brust. Es sah aus, als ob ihr jemand bei lebendigem Leib das Herz heraus gerissen hätte. Zuerst konnte Celina ihr Gesicht nicht erkennen, weil sie zu ihren Füßen stand. Also ging sie um sie herum und als sie in ihre weit aufgerissenen, ins Leere starrenden Augen sah, hatte Celina das Gefühl, dass für sie eine Welt zusammenbrach.

      Ihr gingen Bilder durch den Kopf, wie sie das Mädchen noch vor weniger als einer Stunde auf dem Gang hatte stehen sehen. Streitend und mit vor Wut hochrotem Kopf, aber zumindest lebendig. Das Bild in ihrem Kopf vermischte sich mit dem des gebrochenen seelenlosen Körpers, der hier auf dem Waldboden vor ihr lag und sie hatte das Gefühl zu fallen. Ihre Stimme war nur ein Flüstern und über ihre Lippen kam nur ein einziges Wort:

       «Ruby!»

       Sie ging drei Schritte rückwärts und Cyrus bewahrte sie gerade noch rechtzeitig vor dem Fall. Sie atmete tief durch und als sie das Gefühl hatte, ihren eigenen Füßen wieder trauen zu können, ließ er sie los. Zur Sicherheit blieb er aber in ihrer Nähe. Plötzlich hörten sie hinter sich ein bösartiges Lachen. Blitzschnell drehte Cyrus sich um und ging in Abwehrstellung. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Celina es ihm gleichtat.

      Auf einer leichten Anhöhe stand Tim. Er war blutverschmiert und sein Gesicht war zu einer diabolischen Maske verzerrt.

       Ein Verdammt entfuhr Cyrus und er rannte los. Doch noch bevor er Tim erreichen konnte, brach dieser einfach zusammen. Noch fluchend fischte er sein Handy aus der Hosentasche und wählte Samuels Nummer. Nach einem kurzen Bericht legte er auf und ging zurück zu Celina. «Wir rufen jetzt die Cops und sehen dann ganz schnell zu, dass wir hier wegkommen», sagte er eindringlich. Celinas widersprach ihm: «Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Wir müssen hier warten und eine Aussage machen», sagte sie vorwurfsvoll. «Und was möchtest du den netten Herren von der Polizei erzählen? Wir haben im Moment echt größere Probleme. Samuel und die anderen brechen die Jagd ab und kommen sofort nach Hause. Ich möchte dir alles in Ruhe erklären, ok?» Cyrus war komplett Herr der Lage, also fügte sie sich. «Was ist mit Tim?» «Mach dir keine Sorgen. Du kannst mir glauben, dass er die nächsten Stunden sicher nirgendwo hingehen kann», sagte Cyrus verbissen. Sie merkte, dass hinter seinen Worten noch mehr steckte, aber sie war sich nicht sicher, ob sie im Moment noch mehr ertragen konnte. Plötzlich summte Celinas Handy in ihrer Tasche. Der Anruf kam von Anne. «Ist alles ok bei dir», fragte sie ängstlich. «Ich bin gleich bei dir», sagte Celina kurz angebunden und lief schon wieder in Richtung Wohnheim. Cyrus lief neben ihr her und rief anonym die Cops. Hundert Meter vor dem Wohnheim blieb er stehen, damit er nicht entdeckt werden konnte. «Bring deine Freundin nach Hause und fahr dann nach Laurent Manor. Erzähl ihr so wenig wie möglich. Du bringst sie nur unnötig in Gefahr. Ich bleib in deiner Nähe», sagte er, bevor er wieder im Nebel verschwand. Celina atmete noch einmal tief durch und ging dann zu Anne, die bereits vor dem Wohnheim auf sie wartete. «Was ist passiert», fragte sie.

       Noch mehr Lügen.

      «Ich hab nichts gefunden.»

       «Aber du warst so lange weg. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.»

       «Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Du musst mir einfach vertrauen. Wir sollten jetzt besser nach Hause fahren. Ich muss nochmal zu Aaron.»

       Eine Woge des Misstrauens schlug ihr entgegen. Erst schien es, als wollte Anne noch etwas sagen, aber dann hatte sie es sich anscheinend anders überlegt und ging schweigend mit ihr zum Parkplatz. Als sie dort ankamen, trafen gerade die Cops ein. Anne stieg schweigend ins Auto und während sie losfuhren, starrte sie ihre Freundin die ganze Zeit ungläubig an und wartete auf eine Erklärung. Nach nur wenigen Metern hielt Celina es nicht mehr aus. Sie fuhr an den Straßenrand und stellte den Motor ab.

       «Ich hab Rubys Leiche im Wald entdeckt. Tim lag nur wenige Meter neben ihr. Er lebte, aber ich glaube, er hat sie umgebracht. Ich hab die Cops verständigt.»

       Während sie Anne alles berichtete und dabei einige Details verschwieg, blickte sie die ganze Zeit in die Dunkelheit. Ein kurzer Blick auf Anne reichte aus, um ihr klar zu machen, wie sie sich fühlte. Anne war totenblass. Plötzlich konnte Celina nicht mehr die Starke mimen.

       «Es war schrecklich. Überall war Blut. Ich konnte dort nicht mehr bleiben. Ich musste einfach weg. Aber die Cops wissen Bescheid und haben Tim sicher schon festgenommen. Lass uns jetzt bitte, bitte einfach nach Hause fahren», sagte Celina flehend.

       Sie hatte Tränen in den Augen. Als Anne den ersten Schock überwunden hatte und sah wie schlecht es Celina ging, wiegte sie ihre beste Freundin in ihren Armen und strich ihr dabei, wie einem Kleinkind, tröstend über den Kopf.

       «Schschsch... Wir fahren jetzt einfach nach Hause. Alles wird wieder gut.»

       Als Celinas Schluchzen nach einigen Minuten verebbte, reichte Anne ihr ein Taschentuch und nachdem sie sich wieder gesammelt hatte, brachte sie die Freundin sicher nach Hause. Sie wartete, bis diese ins Haus gegangen war.

      Genau in dem Moment, als die Haustür sich schloss, öffnete sich die Fahrertür ihres Wagens. Zuerst schrak Celina zusammen, aber dann sah sie, dass es nur Cyrus war.

       «Rutsch rüber. Ich fahre!»

       Dankend nahm sie das Angebot an und er fuhr, ohne ein weiteres Wort zu sagen, nach Laurent Manor. Während der Fahrt saß Celina nur da und starrte in die Nacht, ohne auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können.

      Tolle Aussichten

      Als Cyrus und Celina am Haus der Laurents ankamen, wurden sie bereits von Aaron erwartet.

       Cyrus Anruf war nur kurz und wenig informativ gewesen. Dementsprechend sorgenvoll war Aarons Blick, als er die Beifahrertür öffnete und seiner Freundin aus dem Wagen half.

       Als er sie genauer betrachtet hatte und sah, dass ihr nichts passiert war, schloss er Celina erleichtert in die Arme und geleitete sie anschließend in die Bibliothek, wo sie bereits von der restlichen Familie erwartet wurden. Celina ging zu einem der drei Sofas, die eine gemütliche Leseecke bildeten und setzte sich neben Liza. Diese legte sofort den Arm um sie und Celina ließ dankbar den Kopf auf ihre Schulter sinken.

       Stillschweigend beobachtete sie die anderen. Sie warfen ihr verstohlene Blicke zu und die Situation im Raum war mehr als nur ein wenig angespannt.

       Als Cyrus mit einer Lässigkeit, die in Celinas Augen einfach nur bewundernswert war, den Raum betrat, sahen ihn alle gespannt an und warteten auf seinen Bericht zu den Vorkommnissen des Abends.

       Auch Celina musste sich eingestehen, dass sie darauf brannte zu erfahren, was genau da gerade vorgefallen war. Ihr Geist konnte zwar nicht genau erfassen, was sie gesehen hatte, aber ihr war klar, dass weit mehr hinter der Sache steckte, als sie hatte begreifen können. Nur wegen eines einfachen Mordes aus Eifersucht hätte Cyrus sicher nicht die komplette Familie zusammen getrommelt. Sie schienen ein wirklich ernsthaftes Problem zu haben!

       Er berichtete detailliert, was vorgefallen war und wie schrecklich Tim Ruby zugerichtet hatte.

       Bis zu diesem Zeitpunkt war Celina ruhig geblieben, aber dann unterbrach sie ihn:

       «Das war nicht Tim! Ich kenn ihn zwar nicht so gut, aber so etwas würde er sicher nie tun. Hast du gesehen, wie er vor uns stand? Tim schien auch überhaupt nicht er selbst zu sein. Ich hab ihn noch nie so gesehen.»

       Cyrus nickte, bevor er weiter sprach:

       «Du hast Recht. Das war nicht dieser Tim. Es war ein Threq!»

       Ein was?

      Celina sah ihn verwirrt an und konnte spüren, dass Liza neben ihr erstarrt war und zitterte. Sie betrachtete die anderen, aber außer ihr schienen alle zu wissen, wovon Cyrus sprach.

       Mehr noch: Die ganze Stimmung im Raum drückte kollektives Entsetzen aus.

       Ihr war sofort klar, dass die Reaktion, die Cyrus