Yasirahs Erbe - Geheimnisse der Schatten. Bettina Lorenz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina Lorenz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847664642
Скачать книгу
Nachdem sie sich von ihm lösen konnte, wusste sie genau, was sie zu tun hatte. Sanft wischte Aaron ihr die Tränen weg.

      Ohne, dass sie etwas sagen musste, schlug er vor:

      Komm einfach zu mir, wenn ihr euch ausgesprochen habt.

      Sie nickte nur und sah ihm nach, als er das Haus verließ. Dann nahm sie die zwei Kaffeetassen vom Tisch und ging nach oben. Sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie an Annes Tür klopfte. Als sie ein tränenersticktes Herein hörte, öffnete Celina vorsichtig die Tür. Anne saß auf ihrem Bett und Celina ging zu ihr. Sie reichte ihr eine der beiden Tassen und setzte sich neben sie. Es war wieder einmal Anne, die als Erste sprach: «Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Ich weiß auch nicht, was das war. Ich habe das Gefühl, dass du dich von mir distanzierst und da hab ich Panik bekommen. Bitte verzeih mir», sagte sie entschuldigend und sah sie flehend an. Celina war klar, welches Glück sie hatte, mit einer so quirligen, freundlichen und doch so eigensinnigen Person wie Anne, befreundet zu sein. Nur ein Blick in Annes sorgenvolles Gesicht reichte aus und sie schämte sich für ihr Verhalten. Natürlich war es Anne nicht entgangen, dass sie Probleme hatte und sie versuchte ihr irgendwie zu helfen. Aber Celina war einfach nicht zu helfen und da sie Anne ihr Geheimnis nicht anvertrauen konnte, war sie es ihr wenigstens schuldig, so zu tun, als ob alles nur halb so schlimm wäre und sie es allein bewältigen könnte. Celina zeigte sich versöhnlich und begann, so schwer es ihr auch fiel, zu scherzen: «Ich wusste ja nicht, dass es dir sooo wichtig ist. Das hättest du mir auch einfach sagen können. Natürlich lass ich mich von dir dahin schleifen, aber du sollst wissen, dass Freunde zu foltern, nicht die feine Art ist.» Sie nahm einen großen Schluck Kaffee und grinste Anne über den Becherrand an. Es schien zu klappen: Diese atmete erleichtert auf und begann zu glucksen. «Natürlich nicht, aber irgendwie muss ich dich ja aus deinem tristen Alltag locken. Also dann treffen wir uns heute Abend hier und hübschen uns an», fragte sie mit leuchtenden Augen. «Ok, ich gebe mich geschlagen. Wenn es dich glücklich macht», antwortete Celina kapitulierend. «Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr», jubelte Anne, sprang auf und umarmte sie, bevor sie begann, wie wild durchs Zimmer zu hüpfen. Celina sah sie kopfschüttelnd an und seufzte. Annes Freude zeigte ihr, dass sie richtig gehandelt hatte und irgendwie begann sie sich sogar auf den Abend zu freuen, auch wenn sie ein komisches Gefühl bei der Sache hatte.

      Gegen achtzehn Uhr trafen sie sich zuhause. Anne hatte ihr Outfit für den Abend schon rausgehängt und für Celina lagen zehn verschiedene Sachen zur Auswahl bereit auf dem Bett. Sie entschied sich für einen schwarzen Rock und das am wenigsten tief ausgeschnittene Oberteil. Es war grün und harmonierte mit der Farbe ihrer Augen. Anne schminkte und frisierte sie und gegen neun gingen sie aus dem Haus.

      Als sie beim Wohnheim ankamen, war das ganze Gebäude hell erleuchtet. Aus den Boxen dröhnte gerade Outside von Staind. Wie passend, dachte sich Celina, bevor Anne sie am Arm mit sich zog. Sie unterhielten sich mit ihren Kommilitonen, lachten und tanzten viel. Anne blieb die ganze Zeit an ihrer Seite und auch wenn Celina es sich nicht eingestehen wollte, hatte sie tatsächlich Spaß und vergaß die Zeit. Als sie das erste Mal auf die Uhr sah, war es schon halb eins und es sah nicht so aus, als ob die Party so bald enden würde. Das konnte ihr nur Recht sein. Aaron war sowieso nicht da, weil er mit seiner Familie jagen war. Cyrus war heute Nacht zu ihrem Schutz abgestellt worden. Er hielt sich aber gekonnt im Hintergrund. Sie konnte ihn nirgends entdecken, aber trotzdem war seine Anwesenheit, wenn auch nur in der Ferne, greifbar. Seit mehreren Monaten schon tat sie keinen Schritt aus dem Haus, ohne das ein Mitglied ihrer neuen Familie über sie wachte und irgendwie war das auch beruhigend, wenn man bedachte, welche Gefahr lauerte.

      «Ich könnte frische Luft gebrauchen. Lass uns kurz rausgehen», schlug Anne gegen eins vor und sie gingen ihre Jacken holen.

       Als sie vor die Tür traten, atmete Celina tief durch. Langsam spazierten sie durch den Nebel über den Campus. Die Musik wurde immer leiser, während sie sich mehr und mehr vom Wohnheim entfernten. Am naturwissenschaftlichen Institut war sie kaum mehr zu hören und sie waren allein. Anne lehnte sich an das Geländer der überdachten Treppe im Eingangsbereich und Celina gesellte sich zu ihr.

       «Alles gut», fragte Anne vorsichtig.

       Als Celina sie angrinste und nickte, schien sie erleichtert.

       «Das war echt eine gute Idee. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal so viel Spaß hatten. Ich könnte mich sogar dazu hinreißen lassen, das öfters zu machen.»

       «Hört, hört. Das sind ja ganz neue Töne», gackerte Anne.

       «Ich hab mich ganz ehrlich über Logans Tanzstil amüsiert und hast du gesehen, wie Tim Ruby eine Eifersuchtsszene vom Feinsten geliefert hat, nur weil sie sich eine Minute mit 'nem anderen Typen unterhalten hat. So etwas will man doch nicht verpasst haben», sagte sie und begann zu lachen.

       «Ja und wie sie ihm dann vor lauter Wut ihr Getränk ins Gesicht gekippt hat, war doch echt absolut filmreif...», sagte Anne glucksend.

       Lachend machten sie sich auf den Rückweg und Anne imitierte dabei andere Leute. Es gelang ihr gut und Celina kam aus dem Lachen nicht mehr raus. Sie wurden richtig albern, aber das tat auch mal gut.

      Als sie nur noch vierhundert Meter vom Wohnheim entfernt waren, hörten sie hinter sich den Schrei.

       Er klang, als ob er einem Horrorfilm entsprungen sei und ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Celina fuhr herum und starrte in die Nacht, aber durch den Nebel konnte sie nichts erkennen. Auch Anne hatte es gehört und sah sie total verängstigt an. Sofort gingen bei Celina die Alarmglocken los. Sie versuchte, nicht in Panik zu geraten und ordnete ihre Gedanken. Dann konzentrierte sie sich auf die Umgebung. Sie hörte ein Röcheln, spürte ein schwächer werdendes Licht und Cyrus, der immer näher kam. Ihr erster Gedanke war, dass sie Anne aus der Gefahrenzone bringen musste.

       Sie versuchte lässig zu klingen:

       «Geh bitte zurück zur Party. Ich werde kurz nachschauen, was da los ist. Ist bestimmt nichts schlimmes, nur ein paar Leute, die sich einen Spaß erlauben.»

       Aber Anne schüttelte den Kopf und sah sie entsetzt an.

       «Bist du irre? Ich lass dich doch nicht allein dahin gehen. Egal, ob Spaß oder nicht, das hat sich nicht gut angehört.»

       Es blieb keine Zeit für Diskussionen. Instinktiv stellte sie sich Anne genau gegenüber, legte ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr direkt in die Augen.

       Als sie abermals zu sprechen begann, schaffte sie es erstaunlicherweise ihre Stimme leise und dennoch bestimmend klingen zu lassen:

       «Du nimmst jetzt dein Handy griffbereit und gehst sofort zurück zur Party. Rede mit keiner Menschenseele, bis du dort bist. Wenn ich in zwanzig Minuten nicht bei dir bin, rufst du erst mich an und wenn du mich nicht erreichst, rufst du bitte Aaron an und sagst ihm, dass ich Hilfe brauche. Hast du mich verstanden?»

       Geistesabwesend hatte Anne ihr Handy in die rechte Hand genommen, aber ihr Blick war leer und sie antwortete nicht.

       Celina wusste nicht, was mit Anne los war, aber sie gab nicht auf:

       «Nicke mit dem Kopf, wenn du alles verstanden hast und dann geh bitte. Sofort!»

       Annes wirkte immer noch abwesend, aber sie folgte ihrer Aufforderung und lief los. Celina sah ihr nach. Kaum war sie weg, kam Cyrus aus dem Nebel.

       «Was war das», fragte Celina mit zittriger Stimme.

       «Ein Mädchen wurde im Wald angegriffen. Als ich bei ihr war, war es bereits zu spä...»

       Bevor Cyrus den Satz beenden konnte, war Celina schon unterwegs in die Richtung, aus der sie den Schrei gehört hatte. Sie wusste, dass er Recht hatte, weil sie merkte, dass das vorher schon schwach gewesene Licht mittlerweile gänzlich erloschen war, aber sie musste sich selbst davon überzeugen.

       Cyrus packte sie am Handgelenk und versuchte sie aufzuhalten:

       «Celina bleib bitte hier. Das willst du dir doch jetzt nicht wirklich antun? Glaub mir, dass ist echt kein schöner Anblick.»

       «Das ist mir egal. Ich will wissen, was genau da