Diejenigen, die der dunklen Magie verfallen sind, unterliegen diesem Alterungsprozess nicht. Zumindest so lange nicht, bis die Verbindung zur Magie unterbrochen oder diese aus ihrem Körper verbannt wird. Daher möchten wir eine Gemeinschaft ins Leben rufen, die aus Wesen besteht, die unsere Aufgabe fortführen können, wenn wir schwächer und schwächer werden. Keine Angst – dieser Tag ist noch fern. Jedoch möchten wir unsere Nachfolger so gut ausbilden, wie es nur geht. Sie sollen stärker werden, als wir selbst es zu unseren besten Zeiten waren. Und eine solche Ausbildung dauert lange. Vergiss nicht, dass ich, der ich der Älteste in unserem Bund bin, nun bereits seit zweitausend Sonnenumläufen verhindere, dass das Böse unsere Welt überwältigt! Um es kurz zu machen. Wir beobachten Dich seit langer Zeit. Ich war Magae während des Turniers, um ein letztes Mal zu überprüfen, ob Du über die Fähigkeiten verfügst, Teil dieser Gemeinschaft zu werden. Ich denke, ich werde meinen Bündnisgenossen mitteilen, dass Du über die nötigen Eigenschaften verfügst.“
Fanir sah überaus verblüfft aus. Er starrte Gandaros mit großen Augen aus seinem noch kindlich anmutenden Gesicht an. Es war offensichtlich, dass er diese Offenbarung nicht wirklich verinnerlichen konnte. „Du wirst Dich bis zu Deinem fünfzehnten Lebensjahr weiter intensiv von Lortir im Kampf ausbilden lassen. Ich erwarte, dass Du Dir noch mehr Mühe gibst, als Du es bisher schon getan hast. Sternenstaub – dies ist der Name des Schwertes, das Du versteckt hältst – braucht einen überaus gut ausgebildeten Kämpfer, um richtig geführt zu werden. Außerdem muss der Kämpfer mehr als die Grundlagen der Magie verstanden haben. Das Bündnis wird sicherstellen, dass Deine Fähigkeiten sowohl im Schwertkampf als auch in der Magie entwickelt werden. Aber auch Wissen und Verständnis für Tarris und die auf Tarris lebenden Menschen müssen entwickelt werden. Mit Lortir hast Du einen der besten Lehrer, den es auf dieser Welt gibt, wenn es um das richtige Anwenden von Waffen geht. Jedoch musst Du auch Deinen Bildungsstand verbessern und die Grundlagen der Magie erlernen. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass die Magie Deinen Geist zu überwältigen versucht, solange Du nicht vorbereitet bist. Aus diesem Grund wirst Du einen zweiten Ausbilder, besser gesagt eine Ausbilderin erhalten. Sie wird dafür Sorge tragen, dass Dein Wissen, auch das Wissen um die Magie, schnell weiter entwickelt wird. Es wird eine anstrengende Zeit für Dich bis zu Deinem fünfzehnten Lebensjahr werden – aber die Anstrengungen werden sich lohnen. Der Name Deiner Ausbilderin lautet Karameen. Kommt Dir dieser Name bekannt vor?“
Karameen war ein ungewöhnlicher Name auf Tarris. Fanir konnte sich an nur eine Homuae erinnern, die einen solchen Namen trug. Er war noch sehr klein gewesen und konnte sich kaum an die Zeiten erinnern, als seine Großmutter häufig Besuch von einer sehr schönen Frau erhalten hatte. Das einzige, was ihre Schönheit störte, war die scharlachrote Augenklappe, die ihr rechtes Auge bedeckte. Sie stand in einem starken Kontrast zu den tiefschwarzen Haaren der Frau, passte jedoch hervorragend zu ihren roten Lippen. Er erinnerte sich insbesondere deswegen an sie, weil sie seine Großmutter, die viel älter aussah als die Frau, immer mit „mein Kind“ anredete. Jedes Mal, wenn sie dies tat, fühlte er sich angesprochen und blickte sie an. Seine Mutter und sein Vater schienen sie nicht besonders zu mögen und verhielten sich in ihrer Gegenwart anders als sonst. Er hatte sie vor einem guten Jahr noch einmal flüchtig gesehen. Eigentlich war er nicht sicher gewesen, dass es Karameen war, aber auch diese Frau trug eine scharlachrote Augenklappe. Fanir war damals verwundert gewesen, da sie aus dem Haus seiner Freundin Maurah kam. Als er Maurah über sie befragen wollte, weigerte sie sich, über die Frau zu sprechen. Dies war mehr als ungewöhnlich. „Eine Freundin meiner Großmutter, die jedoch nicht viel älter als meine Eltern war, trug diesen Namen. Ihr fehlte ein Auge. Ich kenne sie jedoch nicht gut, da ich noch zu klein war, als sie meine Großmutter besuchte.“
„Dies ist die Karameen, die ich meine. Sie ist auch von mir eine gute Freundin. Unsere Freundschaft besteht schon seit langer, langer Zeit. Karameen ist eine erfahrene und noch dazu hervorragende Magierin, die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Sie sieht deutlich jünger aus als sie ist. Auch war sie nicht die Freundin Deiner Großmutter, sondern ihre Lehrerin! Sie wird bald ankommen und Kontakt zu Dir aufnehmen. Du kannst Ihr in jeder Hinsicht vertrauen – auch wenn sie manchmal ein wenig merkwürdig wirkt. Sie wird versuchen, Dir vieles zu erklären, was Dir heute unvorstellbar scheint. Wie schon bei Deiner Großmutter wird sie auch weiterhin sicherstellen, dass das Wissen über Geschichte und Magie in Deiner Familie bestens erhalten wird. Bitte gib Dir Mühe in dieser Ausbildung. Du wirst nicht überleben können, wenn Du nicht alles lernst, was Du wissen musst! Aber sei misstrauisch gegenüber allen anderen Wesen. Dakaron verfügt über unzählige Spione, die durch die Welt reisen und nach den vier Artefakten Ausschau halten, die ihrem Meister eine schnelleren Zugang zur Welt der dunklen Magie eröffnen können. Vergiss nicht, dass eines dieser Artefakte Dein Schwert Sternenstaub ist. Wenn Du Dein fünfzehntes Lebensjahr erreichst, wird dieser Teil Deiner Ausbildung abgeschlossen sein. Ich werde dann mit Dir zum Tarutos reisen, wo Du Deine Ausbildung abschließen wirst. Wenn Du die Prüfung bestehst, wirst Du eines der jüngeren Mitglieder des Bündnisses der Erfahrenen werden.“
Fanir fühlte sich, als wenn ihm im Training ein Schwert mit der flachen Seite gegen seinen Kopf geschlagen worden wäre. Er konnte kaum fassen, dass ihm die Möglichkeit gegeben werden sollte, zum legendären Wüstenvulkan Tarutos zu reisen und dort das nicht weniger legendäre Bündnis der Erfahrenen kennen zu lernen. Die Erfahrenen setzten sich nicht nur aus Homuae zusammen. Viele Wesen anderer Völker lebten dort in Eintracht zusammen und verfolgten gemeinsame Ziele. Er kam sich vor wie in einem Traum. Der Unterschied war: Wenn er erwachte, würde sich nichts ändern! Er blickte Gandaros ungläubig an. „Wenn dies alles wahr ist, was ihr mir berichtet – wie komme ausgerechnet ich zu dieser Ehre?“ Gandaros konnte neben der Verwunderung einen leichten Zweifel in der Stimme von Fanir erkennen, widmete dem aber nur einen kurzen Gedanken. „Dies hat mehrere Gründe. Die beiden wichtigeren sind, dass Du bereits heute über ein außergewöhnliches Talent zum Schwertkampf verfügst – wie viele Deines Volkes gibt es, die bereits im Alter von dreizehn Jahren das Turnier gewonnen haben? – und dass bei Dir die magische Veranlagung für jemanden, der eigentlich ein Schwertkämpfer ist, äußerst stark ausgeprägt ist! Deine Fähigkeiten sind wahrscheinlich, selbst wenn Du ausgebildet sein wirst, nicht mit denen eines Magiers vergleichbar, aber sie werden stark sein. Dadurch, dass Du diese beiden Fähigkeiten vereinst, kann es möglich sein, dass Du – mit Hilfe anderer – dem Feind wiederstehen kannst. Auch wenn Deine Familie nicht mehr über den Einfluss, die Macht und den Glanz vergangener Zeiten verfügt, so fließt doch dieses bemerkenswerte Blut in Deinen Adern. Dies ist ein weiterer Grund. Die Angehörigen des Vandor-Geschlechtes haben sich stets als zuverlässige Verbündete erwiesen. Diese Tradition reicht bis zu Deinem Urahn Farnos zurück, so dass ich die große Hoffnung habe, dass dies auch bei Dir der Fall sein wird.“ Fanir runzelte die Stirn, was seinem jungen Gesicht einen älteren Ausdruck verlieh, sagt aber nichts.
Gandaros