Später in Deutschland wurde die Schreibweise allerdings in Carsten geändert - okay, das reicht, sonst wird es noch langweilig(er).
Ich wollte ja auch nur mal kurz erklären, warum einer als Quasi-Ungar ausgerechnet Carsten heißt - also deshalb.
Nun aber zurück zur Geschichte: Johannes und Ilona waren damals so glücklich und Carsten hing sehr an seinen Eltern.
Als er etwa vier Jahre alt war, brach aber das Schicksal unerbittlich über die Familie herein. Ilona starb bei einem Verkehrsunfall und Johannes verzweifelte am Leben.
Carsten konnte nicht verstehen, wo seine Mutter geblieben war, denn den Tod konnte er noch nicht begreifen.
Wisst Ihr, es gibt doch diesen französischen Film, wo die Mutter von einem vierjährigen Mädchen plötzlich stirbt.
Falls einer von Euch diesen Film kennt, dann kann er sich Carstens Gefühlslage in etwa so vorstellen. -
Ilonas Eltern und ihr Bruder, die ebenfalls schwer an dem Verlust zu tragen hatten, versuchten den gezeichneten Johannes wieder aufzurichten. Es gelang ihnen aber nicht.
Auch wenn er die Familie sehr liebgewonnen hatte, wollte er ohne Ilona nicht mehr länger in Ungarn bleiben und so ging er eines Tages zurück zu seinen Eltern in den Schwarzwald.
Bei sich hatte er einen traumatisierten Sohn, der seit Ilonas Tod kaum noch sprach, und wenn ausschließlich Ungarisch.
Die Großeltern im Schwarzwald schafften es aber, Carstens Vertrauen zu gewinnen, doch ein paar Monate später starb auch seine Oma. -
Ich weiß ja, dass es viel ist, was ich Carsten zumute, doch ich verspreche Euch, dass er daran und trotz allem nicht zugrunde gehen wird.
Nein, am Ende meiner Geschichte wird vieles gut sein. Nicht alles,
doch zumindest einiges.
Wisst Ihr, Carsten wird einen Schatz finden; etwas, das wie ein wahrer Segen auf ihn hernieder regnet. Im Ernst, es wird für ihn so ähnlich sein, wie in dem Märchen mit der Sterntaler, wo die Goldstücke auf sie nieder regnen.
Das soll er mir voraus haben, doch ansonsten sind wir uns schon recht ähnlich.
Auch ich kam in der Schule nie mit und war ein Außenseiter.
Selbst meine so genannten Freunde haben mich nicht ernst genommen und mein Vater hat getrunken.
Das Schicksal mit der verschwundenen Mutter teile ich ebenso mit Carsten. Allerdings ist meine Mutter nicht gestorben, sondern absolut lebendig und freiwillig verduftet.
Wisst Ihr, Ulrike ist mein Adoptivmutter; die zweite Frau von meinen Vater.
Was aber meine leibliche Mutter betrifft; also irgendwie glaub ich doch, die ist gestorben, zumindest für mich.
Ich war drei, als sie wegging und anfangs war ich sehr traurig darüber.
Diese Trauer legte sich aber mit der Zeit und inzwischen empfinde ich nur noch Wut.
Im Ernst, sollte mir meine Mutter in diesem Leben noch mal gegenüber stehen, würd ich ihr, glaub ich, sagen, dass sie sich verpissen soll.
Vielleicht hatte sie ja ihre Gründe, dass sie weggegangen ist und mich nie wieder besucht hat, aber ich hab keinen Bock, dafür Verständnis aufzubringen.
Nein, ich für meinen Teil fühle mich einfach bloß ausgemustert und weggeworfen.
Nachdem meine Mutter weg war, hat mein Vater zu trinken angefangen und erst wieder damit aufgehört, als er Ulrike kennengelernt hat.
Nun aber überleg ich gerade, woran Carstens Oma gestorben ist -
ein weiterer Unfall erscheint mir ein wenig übertrieben.
Aber was dann… Ne Krankheit… Aber welche…
Ich lasse meinen Blick umherschweifen und schließlich fällt es mir ein…
Es ist ja auch so naheliegend. Krebs. Und zwar ein besonders fieser; einen, den man erst bemerkt, wenn es schon zu spät ist und den deshalb auch so gut wie keiner überlebt.
Bauchspeicheldrüse, Leber oder so.
O Mann. Was ist bloß los mit mir? Reagier ich mich vor lauter Frust an Leuten ab, die ich selbst erfunden hab?
So was mieses…
Ich bleib aber dabei. Carstens Mutter stirbt bei einem Verkehrsunfall und seine Oma an Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs.
Johannes weiß nach diesem erneuten Schicksalsschlag kaum wohin mit sich und Carsten verbringt daraufhin nur sehr wenig Zeit mit ihm.
Meistens ist er jetzt bei seinem Opa, der zwar auch trauert, aber trotzdem die Geistesgegenwart besitzt, sich um ihn zu kümmern.
Als Carsten sechs Jahre alt ist, lernt Johannes eine neue Frau kennen.
Die beiden heiraten ziemlich schnell und die neue Frau adoptiert Carsten.
Damit gibt es nach Ungarn kein Zurück mehr und Carsten wird nun für sehr lange Zeit nicht mehr dort sein.
Stattdessen zieht er mit dem Vater und seiner neuen Mutter nach Schleswig-Holstein - in dieses Kaltenkirchen, das ich schon erwähnt hab.
Wisst Ihr noch, wie er dort die Alvesloer Straße entlanggegangen ist?
Ich selber wohne übrigens auch dort.
Es ist nicht allzu schlecht, allerdings gibt es da fast nur noch Supermärkte, Friseure sowie Zahnärzte und ansonsten viele leer stehende Läden.
Was vernünftiges, wo man abends hingehen könnte gibt es jedenfalls nicht so, aber was soll’s. Ich persönlich bin ja eh nie ausgegangen und im Moment… na ja.
Carsten hat seine gesamte Schulzeit in Kaltenkirchen verbracht und nicht selten verlief sie so wie die Sportstunde, von der ich Euch erzählt hab.
Seine Grundschulzeit war allerdings nicht ganz so schlimm wie das,
was später folgen sollte. Dort nämlich hatte Carsten noch den einen oder anderen Freund gehabt. Es waren - tja, zwei genau.
Na ja, besser als nichts.
Von den Kindern aus seiner Nachbarschaft durften viele nicht mit Carsten spielen, weil die Leute da gemerkt hatten, dass Johannes ziemlich viel trank.
Bis kurz nach der Hochzeit hatte er sich zwar zusammengerissen,
doch dann dauerte es nicht lange und er verfiel wieder in alte Trinkmuster.
Johannes kam einfach nicht über Ilonas Tod hinweg.
Seine neue Frau mochte er zwar, doch sie reichte nie an Ilona heran und dies wurde Johannes immer deutlicher und schmerzlicher bewusst.
Ulrike gegenüber hatte er deshalb ein schlechtes Gewissen und dies ertränkte er im Alkohol.
Um seine Ehe stand es jedenfalls unheimlich schnell unheimlich schlecht und erschwerend kam noch hinzu, dass Ulrike nur wenig mit Carsten anfangen konnte.
Sie hatte immer gern Kinder haben wollen, konnte selber aber keine bekommen. Da sie sich jedoch so sehr einen Sohn wünschte,
(keine Ahnung, warum so unbedingt einen Sohn, aber ich lass das jetzt einfach mal stehen und im Grunde ist es auch egal) hatte sie Carsten adoptiert. Dann aber musste sie sich eingestehen, dass ihr Argwohn ihm gegenüber - zumindest was ihre Sichtweise betraf - absolut begründet war. Zwar hatte sie sich ja einen Sohn gewünscht, aber so einen wie Carsten - also so einen nicht.
Sie hatte anfangs fest damit gerechnet, dass, wenn sie Einfluss auf ihn nehmen konnte, sich seine Eigenheiten geben würden.
Nun aber musste sie zur Kenntnis nehmen, dass dies ganz und