Das grünblau schillernde Licht aus der Höhle ihr gegenüber hielt sie mehr und mehr gefangen.
Vergangene Nacht hatte sie aufgehört, Erklärungen für diese Erscheinung zu suchen, ebenso Begründungen für die drängenden Stimmen in ihrem Kopf, deren murmelndes Wispern längst in ein tosendes Rufen übergegangen war.
Sie machte sich nichts mehr vor. Diese Höhle gehörte dem Reich des Meeres und seiner Prüfung.
Und diese forderte ihr, Kaelis, Erscheinen. – Dringend.
Doch es gab so viele ungeklärte Fragen, die sie verunsicherten und quälten.
Sie war noch jung, viel zu jung, um es auf natürlichem Weg in Erfahrung hätte bringen zu können wie Arn.
Es hatte keine ernsthaften Verletzungen in ihrem Leben gegeben, die für Aufschluss hätten sorgen können, wie bei Cecil.
Gehörte eventuell auch sie zu den Auserwählten?
War sie eine Ewige?
Sie konnte es nicht wissen, diese Feststellung nicht treffen.
Alles, was sie mit Sicherheit sagen konnte, war, dass es im Bereich des Möglichen lag. Noch gab es keinen bekannten Unsterblichen im Reich des Meeres. Vielleicht war sie würdig genug, diejenige zu sein.
Waren die Prüfung und die Macht, die sie versprach, es wert, dass sie ihr Leben dafür riskierte, es herauszufinden?
Überlebte sie und bestand, wusste sie, dass sie den Ewigen angehörte.
War sie keine Ewige, würde sie die Anmaßung, die Prüfung unberechtigterweise angetreten zu haben, mit dem Leben bezahlen.
Noch einmal: War dieser Versuch ihr Leben wert?
Kaeli dachte an ihre Angehörigen, die der Willkür der Invasoren und deren geraubter Macht über das Meer hilflos ausgeliefert waren.
Sie dachte an den steigenden Wert ihrer Unterstützung im Kampf um Paxia.
Sie dachte an sich, ihre Entwicklung – ihre Verlorenheit.
Sie brauchte Klarheit über ihren Platz in dieser Welt.
Ja, all das war es wert, ihr Leben in die Waagschale zu werfen.
Ihr Entschluss stand fest. Sie würde keinen Moment länger mit Grübeln verbringen.
„Kaeli!“ Saya riss sich von Iain los und stürzte auf das Mädchen zu, das zielstrebig eine Höhle ansteuerte.
„Kaeli, nein!“, schrie sie in wütendem Entsetzten, als sie begriff, dass sie sie nicht rechtzeitig erreichen konnte, um sie aufzuhalten. Dennoch hielt sie nicht inne, verfolgte Kaeli auch dann noch, als die Dunkelheit der Höhle sie verschluckt hatte.
Hart prallte sie ab. Eine unsichtbare Barriere verhinderte ihr Betreten und schleuderte sie schmerzhaft zu Boden.
„Saya, alles in Ordnung?“ Iain kniete sich neben sie, Sorge stand in seiner Miene.
Hastige Schritte näherten sich ihnen. Es war Arn, der bei Sayas Schrei aus dem Schlaf gerissen worden war.
„Saya, Iain, was ist geschehen?“
Saya reagierte nicht auf seine verstörte Frage. Mit Iains Hilfe setzte sie sich auf.
„Wie konnte sie das tun? Es ist Wahnsinn!“ Sie zitterte vor hilfloser Wut und Sorge. „Das Risiko ist zu hoch – höher als ihr Nutzen, auch ohne Macht an unserer Seite zu kämpfen. Sie hätte es niemals eingehen dürfen.“
Arn verstand. Unglaube und angstvolle Sorge standen in seinen Augen, während er die Umgebung nach der zierlichen Vermissten absuchte, als wolle er die grausame Wahrheit nicht realisieren.
Iain versuchte, Ruhe in die aufgeladene Atmosphäre zu bringen. Seinen eigenen Kummer drängte er in den Hintergrund.
„Wir dürfen die Hoffnung jetzt nicht aufgeben. Immerhin könnte sie eine Ewige sein.“
Saya wollte aufbrausen, erkannte aber, dass dieser Trost ihr einziger in der kommenden Zeit des Wartens sein würde. Sie beschränkte sich darauf, ihn aus stürmisch schimmernden Augen anzufunkeln.
Iain blickte hinter ihren Zorn, sah ihre Sorge.
Ihr Beschützerinstinkt, den Kaeli in ihr erweckt hatte, quälte sie nun, da das Wohlergehen des Mädchens außerhalb ihrer Kontrolle lag.
Er umschloss ihre Hand mit festem Druck mit der seinen. Saya reagierte mit einem irritierten Blick, wehrte sich jedoch nicht gegen seine Berührung.
Arn hatte sich wieder erhoben und war vor die Höhle getreten.
Nichts als schwarze Finsternis.
„Sie könnte eine Ewige sein“, meinte er leise, mehr zu sich selbst. Dann wandte er sich den anderen beiden zu. „Aber dies sollte nicht der Weg sein, es zu ergründen.“
Kapitel 4
Drei Tage später war Kaeli nach wie vor verschwunden.
Ebenso Cecil.
Und auch von Robin gab es kein Lebenszeichen.
Bei Letzterer allerdings waren sie sich sicher, dass es ein Wiedersehen geben würde.
Ebenso bei Cecil.
Was Kaelis Ausbleiben betraf …
Arn verbrachte den größten Teil des Tages damit, ihre Höhle der Prüfung anzustarren, als könnte er sie mit seinen suchenden Gedanken erreichen. Er bemühte sich um Zuversicht, aber er war ein weiser Mann, konnte sich die geringe Wahrscheinlichkeit ausrechnen, die Kaelis Unsterblichkeit betraf. Er hatte so viele geliebte und verehrte Wesen sterben gesehen – hunderte von ihnen mit eigenen Händen zu Grabe getragen. Es war schwer, die schleichende Trauer zurückzudrängen, die sein Herz beschwerte.
Der Traurigkeit in seinen Augen konnte er nicht gebieten.
Iain mied diesen Blick, der es auch ihm unerträglich machte, Stärke und Hoffnung zu zeigen, während er in Wirklichkeit begann, den Verlust des mutigen, lebensfröhlichen Mädchens zu realisieren. Die Sinnlosigkeit ihres Opfers, welches keiner von ihnen zu akzeptieren bereit gewesen wäre, erfüllte ihn mit Zorn.
Er verstand Saya nur zu gut, die wie ein gefangenes Tier ruhelos umherwanderte und auch nachts kaum Schlaf fand. Ihre Unfähigkeit, handelnd in das Geschehen einzugreifen, war für sie weder fassbar noch annehmbar. Wieder und wieder erforschte sie das Gebiet um die Höhlenwand, suchte nach Wegen, Kaeli zu erreichen.
Vergeblich.
Als sie das begriff, riss der seidene Faden ihrer Geduld.
„Es muss doch etwas geben, das wir tun können!“, rief sie erbost in die düstere Stille ihres harrenden Brütens. Iain und Arn wechselten einen trüben Blick.
Iain erhob sich und trat zu Saya, ihr beide Hände auf die Schultern legend. Langsam schüttelte er den Kopf.
„Ich ertrage es nicht, nichts unternehmen zu können!“, schrie sie ihn an. „Wir müssen sie da rausholen, bevor sie …“
„Rausholen?“
Sie alle fuhren erschrocken herum.
Cecil stand unweit von ihnen am Ausgang seiner Höhle. Er hielt sich mit Mühe aufrecht, doch seine Augen waren fragend auf sie gerichtet.
„Von wem sprecht ihr?“, forderte er zu wissen. „Und wo wollt ihr sie rausholen? Was ist geschehen, dass hier ein solcher Aufruhr herrscht?“
Betroffen schwiegen die Angesprochenen, wechselten einen unsicheren Blick – fürchteten Cecils Reaktion auf die Nachricht.
Aber auch Stille konnte sehr sprechend sein.
Als ahnte er die schreckliche Wahrheit, glitten seine