Der Mensch als subjektive Inkarnation oder Realisierung des Geistes steht laut Hegel zunächst den vereinzelten Phänomenen der von ihm abgetrennten Natur gegenüber. Diese Natur erscheint ihm äußerlich anders als er selbst ist, denn er ist vernünftig und logisch, die Natur aber erscheint ihm zufällig, willkürlich, vereinzelt. Dennoch vermutet er in dieser Natur sein eigenes Wesensprinzip, nämlich Vernunft. Er forscht demnach nach der inhärenten Vernunft, nach dem inneren logischen Zusammenhang der Natur und bringt diese in den Naturgesetzen zum Ausdruck. Einerseits tut er damit Natur Gewalt an, Natur wird quasi durch den Menschen fremdbestimmt, er kommt aber gleichzeitig dem inneren Wesen der Natur nahe, da diese, so eine Setzung Hegels, in sich eben auch vom Logos durchwaltet sei, wodurch sich die Erkennbarkeit der Natur durch den menschlichen Logos ergebe. Und damit beschreibt Hegel ein Konzept, das das Suchen und Finden von Wahrheiten im Konnex mit dem Logos ermöglicht.
Der Mensch selbst quasi gehe aus Natur hervor, indem er die verschiedenen Stufen vom Anorganischen über das Pflanzliche zum Tierischen, in dem sich bereits Subjektivität in Empfindung und Selbstgefühl äußere, bis zum Menschen entwickle. Die Gattung bringe schon in Pflanze und Tier die Geschlechterdifferenz hervor, damit das einzelne Individuum im anderen sich quasi erkenne.
4Das Schweigen
Hast du nicht gesagt, es sei dieses Prinzip und jene Kraft? War das nicht gut und schön gesagt? Nie wird jemand wieder so sprechen können von den Strömen und Kräften, den Magneten und Mechaniken und von den Kernen aller Dinge.
Nie wird jemand wieder so sprechen von den Elementen, vom Universum und allen Gestirnen.
Nie hat jemand so von der Erde gesprochen, von ihrer Gestalt, ihren Zeitaltern. In deinen Reden war alles so deutlich: die Kristalle, die Vulkane und Aschen, das Eis und die Innenglut.
So hat niemand von den Menschen gesprochen, von den Bedingungen unter denen sie leben, von ihren Hörigkeiten, Gütern, Ideen, von den Menschen auf dieser Erde. Es war recht so zu sprechen und so viel zu bedenken.
Nie war so viel Zauber über den Gegenständen wie wenn du geredet hast, und nie waren Worte so überlegen. Auch aufbegehren konnte die Sprache durch dich, irre werden oder mächtig werden. Alles hast du mit den Worten und Sätzen gemacht, hast dich verständigt mit ihnen oder hast sie gewandelt, hast etwas neu benannt, und die Gegenstände, die weder die geraden noch die ungeraden Worte verstehen, bewegten sich beinahe davon.
Ach, so gut spielen konnte niemand, ihr Ungeheuer! Alle Spiele habt ihr erfunden, Zahlenspiele und Wortspiele, Traumspiele und Liebesspiele.
Nie hat jemand so von sich selber gesprochen. Beinahe wahr. Beinahe mörderisch wahr. Übers Wasser gebeugt, beinah aufgegeben. Die Welt ist schon finster, und ich kann die Muschelkette nicht anlegen. Keine Lichtung wird sein. Du anders als die anderen. Ich bin unter Wasser. Bin unter Wasser.
Und nun geht einer oben und hasst Wasser und hasst Grün und versteht nicht, wird nie verstehen. Wie ich nie verstanden habe.
Aus: Ingeborg Bachmann: Undine geht
Undines Welt ist sprachlos vor der Fülle der Benennungen.
Nach wie vor ist eine offene Frage, weshalb über Tausende von Jahren in der Hauptsache das Schweigen die weibliche Geschichte ausmacht. Einerseits waren sie real- geschichtlich untergeordnet und ideengeschichtlich aus der Definition des Menschen ausgeschlossen, andererseits wurde nur selten bewusst über den unklaren geschichtlichen Status der Frauen nachgedacht. Das Schweigen selbst fordert zu Projektionen und Ideen heraus. Es gibt viele Phantasien und Ideen, die das Schweigen an sich betreffen:
Ionesco, einer der großen Vertreter des Absurden Theaters notierte in seinem Tagebuch: „das Wort hindert das Schweigen daran zu sprechen.“ Zu fragen ist, ob es das Wort an sich ist, das dieses Schweigen provoziert oder nicht vielmehr ein bestimmtes Begriffsinventar, das Verstummen macht, weil es in sich dem Schweigenden fremd ist, es in seiner Wesenheit nicht erfasst und ausgrenzt, nicht anspricht und ihm den Weg nicht ebnet zum Sprechen.
Wittgenstein gar formulierte den extremen Gegensatz von der klaren Darstellung des Sagbaren, den logischen Sätzen, die die Welt abbilden und dem Denken über den Ursprung dieser logischen Sätze in der Philosophie, die das nicht Sagbare bedeute. Das Unsagbare zeige sich. Was sich zeigt, kann nicht gesagt werden; es ist das Mystische. Die Logik erfährt nach Wittgenstein hier ihre Grenze. Ihre Grenze ist die Grenze unserer Welt. „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Zu fragen ist, ob eine Sprachgrenze, eine Grenze der Fremdheit und Befremdung zwischen der Welt des Weiblichen und der Welt des Männlichen, die aufgrund der Dominanz der männlichen Sprache und ihrer Parameter, die sich in wechselseitiger Vernetzung stets neu konstituiert und Welt konstruiert, aufzufinden ist, die wesentlicher Grund für das Verstummen des Weiblichen in der Geschichte war.
Silvia Bovenschen:
„Meist jedoch blieb das Schweigen der Frauen unbemerkt, es wurde zugedeckt vom Lärm der nie unterbrochenen stellvertretenden Rede über das Weibliche.“
Denn tatsächlich ist die Geschichte voll von fiktiven Entwürfen: „nur in der Fiktion, als Ergebnis des Phantasierens, des Imaginierens, als Thema ist es üppig und vielfältig präsentiert worden; als Thema war es eine schier unerschöpfliche Quelle künstlerischer Kreativität; als Thema hat es eine große literarische Tradition. Die Geschichte der Bilder, der Entwürfe, der metaphorischen Ausstattungen des Weiblichen ist ebenso materialreich, wie die Geschichte der realen Frauen arm an überlieferten Fakten ist.“ (Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit, a.a.O., S.11)
Zu thematisieren ist an dieser Stelle die Frage nach der Gleichheit und Differenz in der Frage des Männlichen und des Weiblichen.
Hier zeigt sich ein nach wie vor unerlöster Streit, denn die auf prinzipielle Gleichheit pochenden, sich auf ein allgemein Menschliches berufenden Theorien leugnen die unterschiedliche Geschichtlichkeit der Geschlechter. Nicht selten bestehen sie darauf, die Frau zu dem zu machen, was der Mann schon ist, nämlich Mensch in der von der abendländischen Kulturtradition vorgeprägten Begriffsgeschichte. Die Suche nach einer Selbstbestimmung des Weiblichen als Differenz wird andererseits jedoch wieder unter Berufung auf ein „Wesen oder eine Natur der Frau“ zu fixieren versucht, womit wiederum der reale Status des Weiblichen festgeschrieben wird. Der Versuch im Sinne einer Egalitätstheorie Geschlecht als Kategorie grundsätzlich zu dekonstruieren, will großteils den gesellschaftlichen Status der Frauen verändern und ihn dem der Männer anpassen, ohne die ungleichgewichtigen geschichtlichen und ideengeschichtlichen Voraussetzungen der Geschlechter zu beachten, was zu einer Verabsolutierung männlicher , scheinobjektiver, von Frauen mitkonstruierter Kultur beitragen könnte, in der das Weibliche nicht einmal mehr als Absenz, als Schweigende, als noch in ihrem Anspruch Einzulösende denkbar ist, was in etwa den gegenwärtigen inneren Globalisierungsprozess beschreibt. Dagegen stellen sich die Bedürfnisse der Männer weiterhin ihre Sehnsüchte und Ängste auf Frauen als das Andere zu projizieren und gleichzeitig die Frauen in ihrem Schweigen zu belassen. Klaus Theweleit leistete Bedeutendes, Inhalte und Formen dieser Sehnsüchte und Ängste in ihrer Vermitteltheit mit dem männlichen „Sein in der Welt“ zu präsentieren. (Klaus Theweleit: “Männerphantasien“; Frankfurt am Main 1977). Aus diesen Bedürfnissen, Sehnsüchten und Ängsten entwickeln sich ‚Ergänzungstheorien’, die das Weibliche als Ergänzung und Erfüllung, aber auch Bedrohung des Männlichen begreifen.
Silvia Bovenschen zeigte an konkreten Beispielen der Literaturgeschichte des 18.Jahrhunderts klar, wie reale Frauen gegen die fiktionalen Bildproduktionen vom Weiblichen ausgespielt bzw. in diese zu integrieren versucht wurden.
Eine der wesentlichen Konstituenten zur Bestimmung des eigenen Weltbildes in der abendländischen Kulturtradition ist die Kategoriebildung und die Zergliederung des Ganzen