Tahiti. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754103715
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sollen doch weißen Mann nicht todt abliefern - lebendig versteht sich."

      „Und wenn sich nun weißer Mann zur Wehr setzt?" sagte René.

      „Zur Wehr setzen?" frug der Alte, der das Wort nicht so recht zu verstehen schien - „zur Wehr setzen?"

      „Nun ich meine, wenn weißer Mann unter keiner Bedingung gutwillig mitgehen will und sich vertheidigt," erklärte es ihm der Fremde deutlich genug.

      „Aber fünf Yards rothen Kattun - ein Handbeil - zwei Messer," begann der erstaunte Eingeborene alle die Herrlichkeiten wieder aufzuzählen. René aber lag nichts daran, sie nur hinzuhalten, was er mit Leichtigkeit den ganzen Tag hatte thun können, denn diese Leute haben gar keinen Begriff von dem Werth der Zeit. Mitten in der schon gehörten Liste unterbrach er ihn deshalb und sagte freundlich, während er eine ganze Hand voll Silbergeld aus seiner Tasche nahm und ihnen vorzeigte:

      „Was wollt Ihr denn thun, wenn ich Euch nun eben so viel an baarem Gelde gebe, als Euch weißer Mann Capitain für mich versprochen hat, heh, und dann bei Euch bleibe und mit Euch lebe?"

      Das war jedenfalls ein Vorschlag zur Güte, und die Eingeborenen beriethen lange unter sich; endlich erkundigte sich der Alte näher danach, wie viel Geld er da eigentlich in der Hand halte. Rcné zählte es über - es waren sechs Fünf-Frankenthaler und vielleicht zehn Franken an kleiner Münze, Geld, was sie hier, in ihrem Verkehr mit Tahiti, recht gut kannten. Für eine solche Summe wußten sie auch gut genug, daß sie selbst in Papetee eben so viel an Waaren bekommen könnten, als ihnen geboten worden. Erstlich aber war der Verkehr mit jenem Platz nicht sehr bedeutend, und dann hatten sie ja auch die Sachen noch nicht hier, während sie /23/ dieselben von Bord des Walfischfängers gleich richtig und ohne weitere Mühe überliefert bekamen. - Die Unterhandlung fiel deshalb für den Matrosen ungünstig aus, und der Alte suchte ihm nun, gewissermaßen als Entschuldigung seiner abschlägigen Antwort und als einziges Motiv ihrer Weigerung, auseinander zu setzen, wie sich auf dieser Insel Niemand ohne Beistimmung ihres fu-a oder Königs von fremden Völkern aufhalten dürfe, und daß sie also, wenn sie auch selber wünschten, ihn bei sich zu behalten, ihn darin doch nicht unterstützen dürften. „Ja," setzte dann der Alte mit vieler Aufrichtigkeit und auch gewiß Wahrheit hinzu - „wollten wir jetzt selbst Dein Geld nehmen und Dich zufrieden lassen, wir könnten Dich doch nicht schützen. Der König würde bald Andere schicken, Dich trotzdem abzuholen."

      René sah dies recht gut ein, und beschloß also deshalb mit Sr. Majestät selber zu unterhandeln - wie aber war das möglich zu machen? Stieg er hinunter, so gab er sich vollkommen in die Gewalt seiner Feinde, und überfielen und banden ihn diese nachher, so konnten sie ihm mit leichter Mühe abnehmen, was er bei sich hatte, ohne daß er je im Stande gewesen wäre, auch nur einen Centime seines Geldes wieder zu bekommen. - Und Sr. Majestät zuzumuthen, hier herauf zu klettern, um mit einem entlaufenen Matrosen wegen einiger Thaler zu unterhandeln, war doch auch ein wenig viel verlangt. Nichtsdestoweniger beschloß er den Versuch zu machen, und bat also den Alten, der überhaupt der Leiter der Schaar zu sein schien, ihn erst noch einmal kurze Zeit hier oben zu lassen, und indessen selber hinunter zu Sr. Majestät zu gehen, oder wenigstens Einen von seinen Leuten hinunter zu schicken, der dem König Kunde von seinem Vorschlag brächte. Er bäte ihn um die Erlaubniß längeren Aufenthalts auf dieser Insel, bis sich das fremde Schiff entfernt hätte, wofür er dann seinerseits willens sei, Sr. Majestät, falls dieser ihm seine Sicherheit garantire, zwanzig Fünf-Frankenthaler - ein Capital

      für diese Menschen - auszuzahlen.

      „Ja - sehr gut das“, sagte der Alte nach einer kurzen Pause rascher Ueberlegung – „sehr gut das, weißer Mann nicht Capitain kannmit fu-a sprechen, aber muß hinunter-/24/gehen - König nicht heraufkommen hier oben auf Berg -- König sehr faul, nicht viel Berge steigen."

      „Ja, ich kann ihm da aber doch nicht helfen," lachte René - ,,wenn er die zwanzig großen Stücke Silber verdienen will, muß er auch etwas mehr dafür thun, als blos mit dem Scepter winken. Also marsch, Ihr guten Freunde, bringt Sr. Majestät meinen freundlichen Gruß und Handschlag, und meldet ihm, was ich ihm hiermit entbieten lasse. Er soll einen vortrefflichen Vasallen an mir haben, und kann auch, wenn er es nur irgend anzustellen weiß, noch weit mehr Nutzen aus mir ziehen. Ich bin gelehrig, und wer weiß, ob ich mich nicht selbst ganz vortrefflich zum Schwiegersohn und Nachfolger eignen würde."

      Der Alte verstand sicher nicht die Hälfte von alle dem, was ihm der Fremde da in seinem leichten, fröhlichen Muth vorplauderte, so viel aber begriff er, daß er dem König eine gewisse Summe, und zwar eine ziemlich bedeutende, bot, ihn frei zu lassen, und nicht die mindeste Absicht habe, vorher herunter zu kommen. Ging nun der König diese Bedingung ein, so verlor er selber jedenfalls seinen Antheil an dem ausgesetzten Lohne, ging er sie aber nicht ein, so war der ganze Weg doch umsonst gewesen, und es erschien ihm also weit besser, gleich das Letztere von vornherein anzunehmen und den jungen Burschen, der da oben doch so freundlich lachte und sich gewiß nicht gegen sie wehren würde, nur vor allen Dingen erst einmal herunter zu holen und mitzunehmen. Das Andere konnten sie nachher unten ausmachen. Ein paar mit seinen Begleitern rasch gewechselte Worte setzten diese von dem gefaßten Entschluß in Kenntniß, und sich dann wieder zu dem Matrosen wendend, der ihn aufmerksam betrachtete, seine Entscheidung zu hören, sagte er mit bedächtiger Stimme, indem er sich das Lendentuch etwas fester anzog und einsteckte: „Ja, weißer Mann, Alles recht gut, weißer Mann Capitain hat aber gesagt, müssen unten sein, bis Boot mit Kattun und Tabak und Messer und Beil und Hacke und anderen Sachen wieder zurückkommt; so steig nur herunter so lange; wollen unten erst zu König gehen, und nachher zu weiße Mann Capitain." /25/

      „Ich habe Dir aber schon gesagt, Du etwas harthöriger Bursche Du," rief René, fast ungeduldig werdend, „daß ich nicht eher hinunterkommen will, bis ich Se. Majestät den König gesprochen habe - also mache, daß Du zu ihm kommst. Je eher er hier ist, desto schneller können wir unsern Handel in's Reine bringen."

      Der Alte aber, ob er dies Letzte nicht recht verstanden oder für eine Einladung genommen, oder ob er auch vielleicht glaubte, es sei jetzt über die Sache genug gesprochen worden und müsse einmal gehandelt werden, rief seinen Begleitern zwei oder drei Worte mit einem entschiedenen Ton zu, und stieg dann mit weit mehr Entschlossenheit, als er bis jetzt überhaupt gezeigt hatte, die bröckeligen Felsen hinan, dem Orte zu, wo der Fremde ihn ruhig erwartend stand.

      René hätte ihm mit leichter Mühe einen der schweren, nur kaum in der Balance liegenden Steine auf den Kopf rollen können, aber er wollte selber in seinem eigenen Interesse Feindseligkeiten so lange als möglich hinausschieben, und solch nur ein letztes, wirklich verzweifeltes Mittel sein lassen. Er behinderte deshalb auch den Alten nicht im Blindesten bei seinem Marsch, und dieser fand sich gleich darauf, vielleich selbst gegen seine eigene Erwartung, oben auf der kleinen Plattform neben seinem vermutheten Opfer, während seine vier Begleiter eben bemüht waren, ihm langsam nachzufolgen „So," sagte der Indianer mit freundlichem Kopsnicken, als er endlich neben René stand und eben die Hand aus streckte, ihn auf die Schulter zu klopfen, „so Freund weiße Mann, nun wollen wir —" aber er sprach nichts weiter - nur ein Blick war auf das Terzerol gefallen, das der Weiße ruhig in der Hand hielt, und mit einem Satz, der selbst diesen um seine Sicherheit besorgt machte, sprang er von der kleinen Steinfeste ab nach der Wurzel eines tiefer liegenden Baumes, und von dieser wieder auf die Erde hinunter, wo er nicht eher stehen blieb, bis er den schützenden Stamm ein Kasuarine erreicht hatte. Hinter dem vor begann er ab jetzt mit den Händen auf das Lebhafteste zu gesticuliren, und schrie dabei und tobte, als ob ihm das schmählichste Unrecht geschehen wäre. Die anderen warteten natürlich, als sie des /26/ Führers Flucht sahen, gar nicht darauf, die Ursache so schnellen Rückzugs zu erfragen, sondern folgten nur eben, so rasch sie konnten, dem gegebenen Beispiel des Alten. Sonderbarer Weise richtete sich aber dieser Zorn keineswegs auf den jungen Mann, sondern nur auf den „weißen Mann Capitain", der ihn hier unter falscher Vorspiegelung, mit Aussetzung eines weit geringeren Lohnes, auf eine Expedition ausgeschickt hatte, wo er gegen jede Verabredung Waffen, und sogar ihm recht gut bekannte Schießwaffen fand.

      „Das sind zwei Handbeile," rief er heftig, „und zehn Ellen Kattun - zwei fünf," indem er die eine Hand mit gespreizten Fingern zweimal von sich drückte, - „und vier Messer und zwei zehn Stangen Tabak" - er wiederholte, wie mit sich selber redend,