Tahiti. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754103715
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brennenden Durst zu löschen, hielt er eine so vortreffliche und ruhige Mahlzeit, als ob er sich in voller Sicherheit, in irgend einem guten Gasthaus befände, und nicht jeden Augenblick fürchten müßte, umstellt und gefangen zu werden. /18/

      Die Feinde waren ihm übrigens weit näher, als er je vermuthet, denn kaum hatte er sein Mahl beendet und eben wieder die Cocosnuß an die Lippen gehoben, noch einen letzten Schluck zu thun, als er gar nicht weit von sich entfernt ein Geräusch zu hören glaubte. Er hielt horchend inne – da krachten wahrhaftig wieder die Büsche. Nichtsdestoweniger trank er erst in aller Ruhe, denn er wußte recht gut, daß er hier oben in seiner festen Stellung nicht so plötzlich über-

      rascht werden konnte, stellte dann die Nuß vorsichtig bei Seite, daß sie nicht umfiel und auslief, griff seine beiden Terzerole auf und schaute dann, hinter irgend einen der größten Steine

      gedrückt, aufmerksam dorthin, von woher sich jetzt vorsichtig irgend Jemand zu nähern schien. Es dauerte auch nicht lange, so konnte er schon die bunten Kattunüberwürfe mehrerer Eingeborener erkennen, die langsam und aufmerksam den Boden betrachteten, seinen hinterlassenen Spuren zu folgen.

      Wie viele es waren, ließ sich noch nicht erkennen, das blieb sich aber auch gleich; war er erst einmal aufgefunden, so konnten sie bei feindlichen Absichten leicht Verstärkung holen, und er mußte vor allen Dingen sehen, sich auf friedliche Art mit ihnen zu verständigen. Die Indianer ließen ihn indessen nicht lange mehr über ihre Absicht im Zweifel. Der erste, der voranging, mochte eine gewisse Obergewalt über die anderen haben, denn dicht unter den Steinen, auf denen sie den Flüchtling gar nicht zu vermuthen schienen, sandte er zwei rechts und zwei links ab, zu sehen, wohin sich die Spuren etwa den Berg wieder hinunterzögen, während er selber gerade auf den Felsen zukam. Renö wußte recht gut, daß er von diesen wenigen Leuten noch weiter keine Gefahr zu fürchten hatte. Seinen Aufenthalt konnte er aber auch nicht länger verheimlichen, und sich also aufrichtend und mit beiden Ellbogen auf einen der vor ihm liegenden Blöcke gestützt, sah er dem Mann unten erst eine kurze Weile lächelnd zu, und sagte dann plötzlich mit lauter Stimme den schon mehrfach gehörten und behaltenen Gruß:

      „Joranna boy"!

      Wäre dem Eingeborenen, der, gebückt und die Augen fest auf den Boden geheftet, fast gerade unter ihm stand, ein /19/ grimmer Tausendfuß über den Nacken gelaufen, er hätte nicht rascher und mehr erschreckt in die Höhe und zur Seite springen können, und erst das laute Lachen René‘s, der auf ihn herunterschaute, als ob Jemand aus dem Fenster einer höheren Etage sieht, brachte ihn wieder ein wenig zu sich. Der erste Schrei, den er aber in voller Ueberraschung ausgestoßen, war hinreichend gewesen, seine Gefährten um ihn zu sammeln, und die fünf rothe Burschen, die hier mit so feindseligen Absichten heraufgekommen waren, wußten eigentlich nicht recht, wie ihnen geschah, als sie Den gerade, von dem sie die grimmigste Gegenwehr erwartet, in der größten Gemüthlichkeit vor sich und so friedlich gesinnt fanden, wie sie es nimmer hätten erwarten dürfen.

      Erst sahen sie eine ganze Zeit lang schweigend zu ihm empor - es war augenscheinlich, sie mißtrauten noch dem äußern Ansehen der Dinge; denn obgleich ihnen der Weiße unten die Versicherung gegeben hatte, daß der Flüchtling unbewaffnet sei, wußten sie doch nicht, welche außerordentlichen Mittel ihm sonst vielleicht zu Gebote stehen möchten, ihnen zu schaden. Sie waren allerdings willens, die ausgesetzte Belohnung zu verdienen, dachten aber dabei gar nicht daran, ihren Leib oder gar ihr Leben irgend einer unnöthigen und zu vermeidenden Gefahr auszusehen. René blieb übrigens in seiner nichts weniger als feindlichen Stellung, und ihre Furcht verlor sich denn auch endlich. Der Führer sah seine Begleiter erst ganz ernsthaft an, und dann verzog ein breites Grinsen seine sonst gutmüthigen Züge, während sich diese noch eine kleine Weile zu geniren schienen, - endlich mochte ihnen das Komische ihrer Lage aber auch wohl einleuchtend werden. Der eine schnitt auf einmal ein ganz freundliches Gesicht, und war dann urplötzlich wieder so ernst und finster als vorher; als er aber den Häuptling ansah und dessen ausbrechende Fröhlichkeit bemerkte, glaubte auch er wahrscheinlich dem Anstand volle Genüge geleistet zu haben, und platzte nun auf einmal so rasch und laut heraus, daß sich die anderen ordentlich erschreckt nach ihm umsahen.

      „Joranna! Joranna" rief jetzt der erste hinauf, dem augenscheinlich ein Stein vom Herzen gefallen schien, da er /20/ die Sache sich so friedlich lösen sah. Dabei zeigte es sich jetzt auch, daß er etwas gebrochen Englisch sprach, wie man fast auf allen diesen Inseln Einzelne findet, die Worte und Redensarten im Verkehr mit den Fremden aufgefangen und behalten haben, „Joranna boy! - wie geht's - wie geht's, Freund - komm herunter, komm herunter - weißer Mann Capitain sagt, soll herunterkommen."

      „So?" lachte René in derselben Sprache, - „weißer Mann Capitain sagt also: ich soll herunterkommen?"

      Der Indianer nickte auf das Freundlichste, daß er ihn so gut verstanden hatte, und versicherte seinen Begleitern, daß er die Sache jetzt augenblicklich in Ordnung bringen würde.

      „Und wenn ich weißer Mann kein Capitain nun nicht will?" lachte René.

      „Nicht will?" rief der Führer der Eingeborenen erstaunt aus und sah den Fremden an; aber er konnte in dessen Gesicht noch immer keinen Ernst entdecken, und dies ebenfalls für einen guten Spaß desselben haltend, schaute er sich nach den anderen um, lachte laut auf und erzählte ihnen mit der größten Freundlichkeit, was der Weiße da oben eben so Lustiges gesagt habe. Die übrigen Eingeborenen, die gleich von allem Anfang gar nichts Anderes erwartet hatten, konnten darin aber nicht den mindesten Spaß entdecken, und ein paar zu diesem Zweck an den Alten gerichtete Worte machten diesen ebenfalls wieder ernsthaft und ließen ihn doch an die Möglichkeit glauben, daß der Fremde am Ende wirklich nicht selber herunterkommen wollte - und ihn da herunter zu holen, war jedenfalls eine mißliche Sache.

      „Bah, bah," sagte der Alte jetzt kopfschüttelnd und mit einem Gesicht, als ob man einem unartigen Kinde irgend eine Thorheit verweisen wollte - „närrisch Ding - weißer Mann Capitain guter Mann, verlangen weiter nichts wie herunterkommen."

      „Was bekommt Ihr dafür, mich zu holen?" frug ihn aber René so gerade mitten in alle seine Berechnungen hinein, daß er ihn ganz wieder außer Fassung brachte und er erst den Weißen, und dann seine Begleiter erstaunt ansah, augen-/21/scheinlich unschlüssig, ob er diese etwas indiscrete Frage so geradezu und der Wahrheit gemäß beantworten sollte. Er hielt es auch für besser, erst mit den Seinen darüber zu berathen. Da diese aber nicht das mindeste Bedenken darin fanden, seinem Wunsche zu willfahren, wandte er sich wieder zu dem jungen Franzosen und zählte ihm jetzt mit der größten Ernsthaftigkeit alle die Artikel auf, die sie bekommen würden, und zwar mit einem Eifer und einer Genauigkeit, als ob das noch ein besonderer Beweggrund für ihn selber sein müsse, jetzt augenblicklich niederzusteigen und ihnen den Besitz aller dieser Herrlichkeiten nicht länger, widerrechtlicher Weise, vorzuenthalten.

      Zu ihrem Erstaunen ließ sich aber der Fremde selbst nicht durch die Erwähnung des Handbeils und der fünf Yards rothen Kattun bestechen, sondern blieb nur ruhig und unbeweglich in seiner Stellung. Angenehm war es ihm aber nicht, diese Masse verschiedenartiger Gegenstände aufzählen zu hören, und er konnte daraus nicht allein sehen, wie viel dem Harpunier daran gelegen gewesen war, ihn wieder zu bekommen, als auch, wie sehr schon die Habgier dieser sonst einfachen und gutmüthigen Leute erregt worden, den ausgesetzten Lohn so rasch als möglich zu verdienen. Ueberredung half hier nichts, so viel sah er recht gut ein, wäre er selbst ihrer Sprache vollkommen mächtig gewesen, und das Einzige, was sich noch mit ihnen im Guten anfangen ließ, war, ihnen an Geld und vielleicht Kleidern gleichen Nutzen zu bieten. Dabei hatte er das noch zu seinen Gunsten, daß sie bei dessen Annahme ihre Gliedmaßen keiner Gefahr aussetzten.

      „So?" sagte er also, da sie geendet hatten und nun nichts Anderes zu erwarten schienen, als daß er nach solchen dargelegten Gründen ihren Beweisen nicht länger werde widerstehen können - „so? - das also hat Euch weißer Mann Capitain Alles geboten, mich einzig und allein wieder unten abzuliefern?"

      „Ja, Freund - blos unten abzuliefern," lautete die Antwort.

      „Todt oder lebendig?" frug aber der junge Mann mit größter Kaltblütigkeit zurück, und erschreckte dadurch den Alten /22/ nicht wenig, der jetzt zum ersten Mal zu begreifen anfing, daß der Fremde doch am Ende nicht so ganz gutwillig