Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753184500
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abhob, während Leriana halb von den umgebenden Korallen verdeckt war.

      Der Dornfisch war ein ausgewachsenes Exemplar und sicher doppelt so groß wie Leriana. Fast ein Drittel des schlanken, stromlinienförmigen Körpers wurde von dem, nun weit geöffneten, Maul eingenommen. Drei Reihen scharfer Zähne waren eine tödliche Waffe, doch als am gefährlichsten galt das gut eine Länge messende Horn. Es stellte eine Verlängerung des Oberkiefers dar und wurde als Dorn bezeichnet. Es war schlank, spitz und in sich gedreht, so dass es furchtbare Wunden riss, wenn es in einen Körper eindrang.

      Leriana sah den silbern schimmernden Leib des Raubfisches aus den Augenwinkeln. Wie ein Schemen huschte er auf den Lichtputzer zu, der eifrig über die Kristallsäule huschte und den Angreifer wohl erst bemerkte, als es bereits viel zu spät war.

      Der Dornfisch spießte die Beute nicht auf, sondern nutzte die günstige Gelegenheit, sie direkt zwischen die Kiefer zu nehmen und diese zu schließen. Die sich im Wasser ausbreitenden Schallwellen ließen Leriana ein dumpfes Knacken hören, als der Chitinpanzer zerbrach.

      Der Leib eines Lichtputzers enthielt kaum Körperflüssigkeit und Leriana war erleichtert, als sich keine Wolke aus Blut im Wasser ausbreitete. Wo ein Dornfisch war, da befanden sich normalerweise auch andere in der Nähe. Blut lockte sie unwiderstehlich an. Vielleicht konnte man einem einzelnen Räuber entkommen, doch niemals einer ganzen Jagdgruppe.

      Leriana duckte sich tiefer zwischen die Korallen, welche die Senke umgaben. Instinktiv packte sie den Pfeilspeer fester und beobachtete den Gegner. Der Dornfisch zerlegte seine Beute nun in mundgerechte Portionen und schlang sie hinunter. Einzelne Beine und Panzerteile des Lichtputzers sanken auf den Meeresboden.

      Die Gedanken von Leriana überschlugen sich.

      Sie war nach ihrer Schätzung gute zwei Tausendlängen von der An-Nerriva entfernt. Keine Chance, den Schutz des Schiffes zu erreichen und dabei dem viel schnelleren Jäger zu entkommen. Natürlich konnte sie versuchen, ihn mit dem Speer zu töten, doch im Gegensatz zum Lichtputzer enthielt der Dornfisch eine Menge Körperflüssigkeit. Dornfische konnten kleinste Mengen an Blut über viele Tausendlängen Entfernung wittern. Der Tod ihres Gegners würde zahlreiche weitere anlocken.

      Eine weitere Möglichkeit für sie war es, die kleine Signalpfeife zu benutzen, die jeder Schwimmer bei sich trug. Der im Wasser weit tragende Ton würde die An-Nerriva alarmieren, allerdings auch die Aufmerksamkeit der Dornfische auf Leriana ziehen.

      Letztlich konnte sie versuchen, sich weiterhin zwischen den Korallen versteckt zu halten, und darauf hoffen, dass sich der Dornfisch nach vollendeter Mahlzeit davon machte.

      Leriana entschied sich dafür, zurück zum Unterwasserschiff zu schwimmen und nach Möglichkeit eine direkte Auseinandersetzung mit dem Raubfisch zu meiden.

      Dieser trieb noch immer an der zentralen Kristallsäule. Von seinem Opfer waren nur ein paar unverdauliche Überreste geblieben, die verstreut am Meeresboden in der Mulde lagen.

      Sie drehte sich vorsichtig und wählte ihren Weg zwischen den Korallenbänken.

      Das Leben in der unmittelbaren Umgebung hatte inzwischen auf die Anwesenheit des Räubers reagiert. Einige Schwärme hatten sich zusammengeballt und vollführten komplizierte Bewegungsmuster, andere waren verschwunden. Größere Fische verbargen sich nun zwischen Pflanzen und Felsen. Nur die Kleinen ignorierten die potenzielle Gefahr, denn sie waren normalerweise keine lohnende Beute für den Jäger der Tiefe.

      Leriana hielt sich dicht über den Korallen und achtete darauf, keine der wenigen abgestorbenen zu berühren, da deren scharfe Kanten sie hätten verletzen können. Sie verließ die Korallenbank, die den Blick auf die Mulde verborgen hatte und hielt sich dicht über dem feinen weißen Sand des Meeresgrundes. Sie konzentrierte sich auf eine ruhige und gleichmäßige Atmung und vermied hektische Schwimmbewegungen. Immer wieder blickte sie über die Schulter zurück.

      Von dem Dornfisch war nichts zu sehen.

      Leriana wäre gerne in Rückenlage geschwommen, um die Umgebung hinter sich besser im Auge behalten zu können, doch sie war zu dicht über dem Grund, um das riskieren zu können. Die Gefahr, mit einem Hindernis zu kollidieren, erschien ihr zu hoch. Jetzt, in der Aufregung, konnte sie sich zudem nicht auf ihre Fähigkeit des Geistsehens verlassen.

      Dann sah sie den silbrigen Schemen aus den Augenwinkeln.

      Der Dornfisch musste sie schon eine ganze Weile beobachtet haben, denn er hatte sie seitlich passiert und griff, für Leriana unerwartet, von vorne an. Diese konnte sich gerade noch durch eine blitzschnelle Rolle retten. Dennoch wurde sie von der Seitenflosse gestreift. Ein schmerzhafter Schlag, der jedoch keine blutende Wunde verursachte.

      Nun blieb ihr keine Wahl. Sie konnte dem Angreifer nicht davonschwimmen und musste sich zum Kampf stellen. Einem ungleichen Kampf, da sie es noch immer nicht riskieren wollte, den Gegner mit dem Pfeilspeer zu töten.

      Leriana ließ sich in aufrechter Haltung auf den Meeresboden sinken und beobachtete den Feind, der sie nun langsam umkreiste. Die Begegnungen zwischen Dornfisch und Kiemenmensch waren selten und in der Regel kam einer von beiden dabei ums Leben. Meist war es der Fisch, der dabei den Kürzeren zog und, falls es eine Kommunikation zwischen den Dornfischen gab, nicht mehr von seiner Erfahrung berichten konnte. Für den Gegner war Leriana also eine unbekannte Größe und es machte ganz den Eindruck, als überlege der Raubfisch, was er von ihr zu halten habe.

      Leriana glaubte seine Gedanken förmlich zu hören. War die Beute fressbar? Höchstwahrscheinlich. War sie gefährlich? Möglicherweise. Auf einen Probehappen verzichten? Niemals.

      Der Dornfisch griff erneut und mit der für seine Art typischen Schnelligkeit an.

      Leriana stand still und schien es ihm leicht machen zu wollen. Der Räuber drehte sich ein wenig und seine Haltung verriet, dass er seine Beute nicht ins aufgerissene Maul nehmen, sondern mit dem Dorn aufspießen wollte.

      Sie konzentrierte sich und verdrängte die Panik, die in ihr aufkommen wollte. Im genau richtigen Moment stieß sie sich ab, glitt im Wasser nach oben und stieß mit dem stumpfen Ende des Speers zu. Sie traf genau jene Stelle, von der man musste, wie empfindlich ein Dornfisch dort war. Direkt über dem Maul und dem Ansatz des langen Dorns. Dort befanden sich das Schallorgan und ein großer Nervenknoten.

      Der Pfeilspeer traf diesen Punkt mit großer Wucht und wurde Leriana beinahe aus der Hand gerissen. Die Wirkung auf den Angreifer war beeindruckend.

      Er krümmte sich auf unglaubliche Weise und der gesamte Körper begann zu zucken. Der Raubfisch schien jede Kontrolle über seine Bewegungen verloren zu haben. Er torkelte zu Boden, stieß sich ab, sank wieder auf den Grund. Dann schoss er förmlich in die Höhe.

      Leriana sah mit verengten Augen zu, wie er erneut zuckte und dann mit hastigen Flossenschlägen davon schwamm, immer wieder unkontrolliert zuckend.

      Wahrscheinlich würde er sich von dem Schlag erholen, doch für den Augenblick hatte der Angreifer genug und zog sich zurück.

      Leriana machte sich wieder auf den Rückweg zur An-Nerriva. Sie war erleichtert, als der langgestreckte beige Rumpf vor ihr erschien.

      Koros und eine Reihe von Seemännern waren gerade dabei, das Ladegeschirr des kleinen Krans an dem Goldbrocken zu befestigen. Als der Steuermann sie sah, winkte er lächelnd. Das Wasser verzerrte seine Stimme ein wenig. „Wir haben Glück, Sanari Leriana. Es ist nur ein einzelner Klumpen, der lose auf dem Grund aufliegt.“

      „Lasst ihn liegen“, befahl sie zur Überraschung der anderen. „Ich habe eine weit wertvollere Fracht für uns entdeckt. Einen Kristallstock. Ungefähr zwei Tausendlängen von hier entfernt, in Richtung auf das Ufer.“

      Ihr Vater hatte die Worte vernommen. Er saß mit baumelnden Beinen in der offenen Luke und ließ sich nun ins Wasser gleiten. „Was sagst du da, Kind? Ein Kristallstock? Hier, in diesem flachen Gewässer.“

      „Und was für einer.“ Leriana schilderte, was sie entdeckt hatte und sah das gierige Aufleuchten in seinen Augen. „So einen Fund macht man nur selten, Vater. Doch wir müssen vorsichtig sein. Ich bin