Wernyhora, der Seher in der Ukraine. Michael Czaykowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Czaykowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783752963380
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die Wildesten, die Mordgierigsten erzitterten; und die Ahnung bemächtigte sich ihrer Seelen, er werde grimmiger wüten als sie alle. Salisnjak küsste hierauf die Hand des Blahoczynny, der ihn segnend begrüßte, und nahm aus seiner Tasche ein Stück Papier.

      „Hier ein Brief von Vater Jeremias an euch.“

      Basilius wandte sich von den Umstehenden ab und las den Brief, während die anderen der Reihe nach Salisnjak begrüßten. Nachdem der Blahoczynny gelesen, fuhr er mit der Hand über die Stirn und sprach:

      „Alles geht gut, die siegreichen Heere der Zarin besetzen ganz Polen und zahlreiche Abteilungen nähern sich bereits der Ukraine, um den Kronregimentern jede Möglichkeit abzuschneiden, dem Adel Hilfe zu bringen, der unter unsern geweihten Messern verbluten muss; dieser treue Schatz kann jeden Augenblick ankommen. So schnell als möglich müssen wir nun zur Wahl eines Anführers schreiten. Eile ist bei jeder Unternehmung notwendig, ein verlorener Augenblick kann oft nicht mehr eingebracht werden. Unsere bedrängten Brüder harren unserer Ankunft und schauen hinaus auf die Steppen, ob sie ihre Befreier noch nicht erspähen. Wir haben genug beraten, es ist jetzt Zeit zu handeln.“

      Wie die Trompeten einer zahlreich besetzten Kapelle, alle auf einen Ton abgestimmt, in einem Ton erklingen, so antworteten alle einstimmig:

      „Salisnjak soll unser Watazka sein! Salisnjak führe uns an gegen die Ljachen!“

      Alle kannten den unversöhnlichen Hass des Ataman vom Rogowskischen Kuren gegen den polnischen Adel, seine nahen Beziehungen zur Kirche, seine Unabhängigkeit an den griechischen Glauben, seine Bereitwilligkeit wegen des ersten besten, auch noch so geringfügigen Anlasses zum Schwerte zu greifen. Das überwiegende Ansehen, welches er sich durch seine Körperstärke, durch seine finstere Wildheit, und durch seine raschen Entscheidungenbei Streitigkeiten unter den Kosaken verschafft hatte; die Tage und Nächte in den Wirtshäusern, das Schnapsglas in der Hand, beim Schall der Cymbeln und beim Gesang der Banduristen durchfeierten.

      „Wenn dies euer Wille ist“ antwortete Basilius „so geschehe, wie ihr wünscht. Mein Sohn, empfange hier den Segen der Kirche!“ und er segnete den niederknienden Ataman mit dem Zeichen des Kreuzes. „Möge der heilige Glaube seine Fackel strahlen lassen vor dir her! Möge sie allen deinen Schritten leuchten! Spare das Blut nicht, wo es sich um die Begründung der Herrschaft des Patriarchen handelt. In Feuer mögen aufgehen die stolzen Höfe und Schlösser übermütiger Herren, und auf ihren Trümmern befestige sich die Freiheit des ukrainischen Volkes. Ja selbst des Ljachischen Säuglings verschonet nicht, denn er ist eine Natter, die, wenn sie groß geworden, uns mit ihrem Gifte erreichen kann. Rechtgläubige Christen, unter einem solchen Anführer breitet nunmehr den allein wahren Glauben über das Land aus, das nur zu lange schon durch das fluchwürdige, lateinische Unwesen befleckt worden ist.“

      Auf dem finsteren Gesichte Salisnjaks konnte man lesen, dass er alles halten werde, was er versprach.

      „Gut, Vater Blahoczynny, die Kirche und die Zarin werden mit mir zufrieden sein. Ich werde kein Blut sparen; und nun, meine Brüder, zu Pferde! Fort zur Arbeit!“

      Wie eingesperrte Hunde, die man plötzlich aus dem Stall los lässt, so stürmte jetzt alles hinaus in den Schuppen, nach dem Rossgarten, Flüche ausstoßend gegen die Juden, gegen die Ljachen.

      Das Geschrei und das Geklirr der Waffen weckte den Protopopen, und als er den Blahoczynny, Holowaty und Tamara ganz allein im Garten sah, kam es ihm im ersten Augenblick vor, als hätten ihn nächtliche Traumbilder im Schlafe beunruhigt, und er sagte ein Gebet daher, um sie von sich abzuwehren. Als jedoch das Licht der Vernunft durch die schwere Nacht der Täuschung drang, stand er auf, kühlte in der frischen Luft den schweren Kopf, streckte die erstarrten Glieder und wischte sich den Geifer vom Mund und Speichel vom Bart.

      „Vater Basilius, was bedeutet das alles? Wo sind die Gäste? Was ist aus unseren Plänen geworden?“

      „Hochwürdiger Protopop, während eure Heiligkeit die im Dienst der Kirche ermüdeten Glieder durch Schlaf stärkte, erhielt ich einen Brief von Bruder Jeremias, der mir meldete, dass das Gerücht von unserem Plan sich in der Sitsch verbreitet hat; dass Nekrasa häufige Ausflüge macht, und dass die Saporoger, voll Unwillen, Kalnyszewsky laut des Verrats bezichtigen. Weder Bitten noch Drohungen sind im Stande, sie zu beschwichtigen, und der mächtige Einfluss des Nekrasa steigt mit jedem Tage; auch nicht ein einziger Kuren hält es ganz und ungeteilt mit uns. Die ganze Jugend dringt mit lautem Ruf darauf, den Ljachen gegen Moskau zu Hilfe zu eilen; uns nennt man elende, feige Seelen, Apostaten der Freiheit. Mit dieser Botschaft kam Salisnjak, der Ataman des Rogowskischen Kuren hierher, der den Nichtverzeichneten sehr genau bekannt ist; ein der Gegend durchaus kundiger Mann, da er sie oft und viel durchwandert hat, wild, rau und finster. Mit einem Worte, ganz der Mann, wie wir ihn brauchen. Ihn hat man zum Watazka ausgerufen und ich habe ihm den Segen gegeben; denn kein anderer Ausweg blieb übrig, um die ganze Sache, unseren Vorschriften gemäß, zu einem Ziele zu führen. Zudem hat Tamara weder Lust noch Fähigkeit genug, um sich an die Spitze von Menschen zu stellen, die tausend Gefahren ausgesetzt sind.“ Hier näherte er seinen Mund dem Ohre des Protopopen, so dass Holowaty seine Worte nicht hören konnte, und fügte leise flüsternd hinzu: „Haben wir sie einmal dahin gebracht, dass sie die Waffen ergreifen, dann setzen wir durch, was wir wollen, falls nur die Zarin der Kirche und ihren treuen Dienern hält, was sie verspricht, und machen dann nicht bloß Tamara, sondern selbst ein Kind in der Wiege, oder ein Mädchen mit der Nadel zum Ataman aller Kosaken.“

      Der Protopop, obwohl nicht ganz zufriedengestellt, nickte mit dem Kopfe, zum Zeichen, dass er in alles einwillige.

      „Was ist zu tun?“

      „Sofern euer Hochwürden mir befehlen, meine Meinung offen auszusprechen, sicherlich nur, um sich zu überzeugen, ob ihr jüngerer Bruder in der Kirche im Stande ist, ihre weisen Ansichten zu treffen, so unterwerfe ich mich mit vollkommener Ergebenheit ihrem Willen. Es scheint mir also, Tamara sollte nach Bila Zerkwa eilen, um dem russischen General Kreczetnikow zu melden, wie die Sachen stehen. Euer Hochwürden dürften sich nach dem Kloster in Kyiv verfügen, um von dort aus unsere Maßregeln zu leiten und die Verbindungen mit Russland zu unterhalten. Ich selber möchte dagegen die bewaffneten Burschen nach Uman führen und später, sobald die Metzelei gehörig im Gange sein wird, wieder zurückkehren, um das heilige Wort des Glaubens auszustreuen, und demselben neue Kämpfer für ihn zu erwecken.“

      Tamara atmete freier und dankte im Herzen den unvorhergesehenen Umständen, die ihn vom Schauplatz des Krieges und Mordes weg in das sichere Lager versetzen, von wo aus er hoffen konnte, bald das geglättete Portal des Palastes der mächtigen Zarin wieder zu sehen. Dort kann er sich dann mit seinen ritterlichen Taten brüsten, und seine Strapazen und Anstrengungen vor den zarten Ohren furchtsamer Damen ausbreiten. Der Protopop lachte laut vor Vergnügen, denn Basilius hatte den schwierigen Knäuel der weiteren Maßregeln glücklich entwirrt. Holowaty allein senkte traurig den Blick zur Erde und war in Gedanken vertieft.

      Im Hofraum herrschte Getümmel und Lärm. Die Wagen mit den geweihten Messern sind angekommen; nach verschiedenen Richtungen hin sprengen Kosaken mit Befehlen des Watazka, Salisnjak hat Tätigkeit und Eile angeordnet. Und ehe der Mond sein leuchtendes Antlitz in seiner Fülle zeigt, steigen schon fünf Setnien (Haufen von Hundert) Kosaken, Wagen mit den Mordmessern in ihrer Mitte, in dichter Reihe in das enge Bett des Tiaslyk hinab. Das Wasser spritzt rauschend empor unter den Hufen der Rosse, die Binsen, die sich an beiden Ufern hinziehen, geben ein dumpfes Geräusch. Der Blahoczynny, mit dem Kreuze in der Hand, reitet in der Mitte, wie zu einem Kreuzzuge. An der Spitze zieht der Watazka voran. Wilde Freude beseelt seine Brust, Hand und Sinn dürsten nach Blut, wie der Verschmachtende nach Wasser. Bei jedem Ruck des Wagens auf dem unebenen Boden schallt das Geklirr der Messer so lieblich in seiner Seele, wie das Geblöke der Schafe in das Ohr des ausgehungerten Wolfes.

      Alles war wieder still geworden, und so tiefes Schweigen herrschte jetzt in dem Futor, als wäre dort niemals etwas vorgefallen. Holowaty allein stand auf der Anhöhe, an eine Birke gelehnt, in tiefen Gedanken, und versenkte den bekümmerten Blick in den düsteren Horizont. Jetzt bereute er, dass er den Dudar nicht unterstützte, jetzt erriet er zum Teil die schändlichen Pläne, und gerne hätte er das Übel noch abgewendet; aber es war zu spät.