„Ich bin durchaus nicht zornig,“ versetzte Basilius „und wenn ich in meinen Reden zu weit gegangen bin, möge es mir der Asawula verzeihen. Es geschah nur aus Eifer für den Glauben, dessen Wächter ich bin, und für die Freiheit des Volkes, die zu verteidigen ich mich sowohl durch meine Gefühle, als durch meine Verpflichtung gedrungen finde. Es konnte nicht meine Absicht sein, einen Mann zu beleidigen, für welchen ich die größte Hochachtung hege. Gehen wir jetzt brüderlich miteinander zu der gemeinschaftlichen Beratung. Dort wollen wir, ohne uns von fruchtloser Aufwallung oder unüberlegtem Zorne fortreisen zu lassen, alles untersuchen, was zum allgemeinen Besten dienen kann.“
Der Dudar sagte kein Wort. Beide schritten miteinander auf die Hütte zu, wie zwei Hunde, die über einen Knochen sich anknurren. schon haben sie gegeneinander die Zähne gefletscht, schon sträuben sich die Haare auf ihren Hälsen empor, da lässt der Jäger die Halskoppel erklingen, legt sie beiden an und führt sie mit sich fort, scheinbar in so guter Eintracht, als wäre niemals etwas zwischen ihnen vorgefallen. Friedfertigen Ganges schritt der geistliche Herr dahin, so sehr beherrschte ihn der Wunsch, seine Zwecke zur Ausführung zu bringen. Es folgte der Dudar; ihm legte auf eine kleine Weile die Freundschaft Fesseln an Hände und Zunge.
Neben der Hütte erhoben zwei Traubenkirschbäume ihre krausen Laubeskronen, und ihre gabelförmigen, ineinander verschlungenen Äste bildeten gleichsam ein lebendiges Dach. Hier standen zwei lange Tische, mit reiner Leinwand bedeckt. Sie waren besetzt mit ungeheuren Schüsseln, in welchen eingesalzener Zander und Heringe aus dem schwarzen Meer in brauner Soße schwammen, mit Honig in Waben und Weizenfladen, mit Laiben groben Brotes, grob gestoßenem Salz und Pfeffer; in irdenen Krügen war Met und an den Ecken jedes Tisches ein Fässchen Branntwein, so klar wie Tränentröpfchen; ganze Haufen hölzerner Löffel, zinnerner Gabeln und Messer und mehrere Reihen von Gläsern verschiedenster Art, namentlich von Schnapsgläsern ohne Füße, sogenannte Oechslein, vollendeten die Zurüstung zu dem bescheidenen Mahle. Es war Freitag und eher würde die Kirche eine der sieben Todsünden verzeihen, als die Verunreinigung des Mundes mit Fleischspeisen an einem Fastentage.
Um die Tische herum war eine Menge Kosaken versammelt. Die einen saßen im Grase, andere gingen zu Zweien und Dreien umher und unterhielten sich in leisem Gespräch, und die Säbel klirrten dumpf über die weichen Rasen hin. Es war dies kein Rembrandsches Gemälde einer flämischen Familie, die in ländlicher Ruhe einen Schmaus hält, wo der Pinsel des Meisters über die durch die Jahre gebleichten Köpfe der Greise den ehrwürdigen Ausdruck des Alters, und über die pausbäckigen Gesichter der Jugend Heiterkeit ohne eine Spur von verzehrenden Leidenschaften ausgegossen hat. Hier zuckt über die Gesichter und in den Blicken Wildheit, wie die Schwalben beim Gewitter ungestüm umherfliegen, und Heiterkeit und Frohsinn waren ebenso aus den Zügen dieser Männer geflohen, wie das Glück aus der Brust dessen, der aus seinem Vaterlande verbannt ist.
Es öffnete sich die Tür der Hütte. Der längst erwartete Protopop trat heraus in einer Zobelmütze. Ihm zur Seite ein blondhaariger Jüngling in Kosakentracht, die ihm gerade so gut passte, wie das stachelige Halsband eines Wolfshundes dem Halse eines schön gekräuselten Pudels. Indem er mitten durch die Reihen der Kosaken schritt, die ehrfurchtsvoll vor ihm auf die Seite wichen, lies er nach beiden Seiten den Blick eines Höflings fallen und versuchte durch kokette, schmeichlerische Blicke die Herzen der mannhaften Söhne der Steppe zu gewinnen. Hinter ihnen schritt der Dudar mit dem Blahoczynny, der mit schlauer Berechnung sich den Schein gab, als bestehe zwischen ihm und dem neu angekommenen Asawula das beste Einverständnis; Holowaty schloss den Zug. sobald der Protopop die Gäste und das Gastmahl mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes gesegnet hatte, verneigte sich Holowaty tief und ergriff ein mit Branntwein voll geschenktes Oechslein.
„Auf das Wohl des Vater Protopop und in seine Hände!“
Damit trank er das Glas aus und schenkte es wieder voll. Der Protopop trank es in die Hände des Blahoczynny – und so ging das Zutrinken in der Reihe weiter fort, wobei jedoch der Vorrang des Alters genau beachtet wurde. Nachdem denn auch die Esslust gestillt und so manches Glas Met oder Krupnik geleert war, spie der Protopop aus, fuhr sich mit dem natürlichen Kamme seiner Finger durch den schwarzen Bart und hob an, mehrmals das Kreuz schlagend, also zu sprechen: „„Gepriesen sei der Allerhöchste! Gepriesen unser Patriarch! Gepriesen die Zarin! Gesegnet seid ihr, Brüder! Ich bin zu euch gekommen nach dem Willen der Synode und auf Befehl Katharinas der Zweiten, unter deren gesegneter Regierung Russland heute steht. Dieser mächtigen Zarin seid ihr denselben Gehorsam und dieselbe Ehrerbietung schuldig, wie der Kirche selbst. Eure Not hat Mitleid gefunden vor ihrem Throne, und von euch hängt es jetzt ab, dass von dem Blute der Ljachen und Juden die Messer triefen, welche die Priester des allein wahren Glaubens geweiht haben. Viele Wagen sind unterwegs, beladen mit diesem köstlichen Geschenke, das die Zarin euch bietet. Gleich dem Worte Gottes traget sie umher in die Hütten der Ukraine, vom Dnipro bis zum Bug; mögen die Hände der Gläubigen sich tauchen in das Blut der Ungläubigen!“ Hier nahm er den Jüngling, der mit ihm gekommen war, bei der Hand und fuhr fort: „Sehet hier Tamara, einen Kosaken von jenseits des Dnipro, und am Petersburger Hofe erzogen. Es ist der Befehl der Zarin, dass ihr ihn zum Watazka (Anführer) dieser Unternehmung wählet. Dies ist der Wille der Kirche und der Wille Russlands.“
Ein Teil der Gäste verzog die Augenbrauen, wie wenn der Geruch von scharfem Meerrettich ihnen in die Nase gestiegen wäre, denn die Worte: „Wille, Befehl, Zarin“ empören das Gemüt des freien Sohnes der Steppe. Andere sahen mit verachtendem, spöttischem Blick auf jenen ihnen so ohne Weiteres zugesandten Watazka, dem es ihrer Ansicht nach weit besser passen würde, am Spinnrad zu sitzen, als Kosaken-Pulke in die Schlacht zu führen. Andere dagegen – und unter ihnen Sawatchka, ein korpulenter Bürger von Kaniw – die sich mit Met und Branntwein die Augen schon tüchtig begossen hatten, hörten nach der Erwähnung der geweihten Messer nicht mehr auf den Schluss der Rede des Protopopen, sondern schrien aus voller Kehle: „Nieder mit den Juden und Ljachen!“
Der Blahoczynny beobachtete mit dem Auge eines Fuchses die geringste Bewegung des Asawula des serykowskischen Kuren, und als er gewahrte, dass ihm das Blut unter der Haut kochte, wie siedendes Wasser, und da er überzeugt war, seine Rede könne mehr als einen verbrühen, mehr als einen von der Sache abwegig machen, fing er an, um den Lärm zu beschwichtigen, der schon zu gären begann, und zugleich, um sich vor den Andern das Wort zu sichern, auf so schleppend–langsame Weise zu reden, dass seine Worte eines vom andern eine Werst entfernt zu sein und nur durch den Ton der Stimme untereinander zusammenzuhängen schienen.
„Brüder! Lasset uns die Worte des ehrwürdigen Protopopen nicht zum schlimmen kehren. Allzu großer Feuereifer für den Glauben, Freiheit und das Glück der Ukraine hat vielleicht Worte auf seine Zunge gelegt, die euren Ohren nicht lieblich klangen. Glaubet ja nicht, dass er unter dem »Willen der Kaiserin« die Notwendigkeit verstand, sich ihren Befehlen zu unterwerfen, oder dass Moskau die Absicht habe, uns zu unterjochen. Nein, sondern es ist vielmehr so zu verstehen, dass die großmütige Herrin, die mit so viel Weisheit und Gerechtigkeit über ihr Volk herrscht, den unerschütterlichen Willen hat, uns die Bruderhand zu reichen, zur Abwerfung des drückenden Joches der Ljachen. Es ist ihr Wille, dass wir uns mit unseren Glaubensgenossen verbinden, und miteinander den Hochmut des römischen Lügenpapstes züchtigen, miteinander den Unrat der Juden ausrotten, die unsere Brüder, gleich Heuschrecken, benagen, betrügerisch ihnen den letzten Groschen auspressen, und bei ihren Talmudfesten das Blut von Christenkindern trinken, das sie in ihre verfluchten Osterfladen mischen.“
Hier erschallte von der größeren Hälfte der Gäste der Ruf: „Nieder mit den Ljachen und Juden!“ während volle Gläser Branntwein in gewaltigen Zügen hinuntergestürzt wurden. Der Blahoczynny fuhr fort: „Ich gebe euch die Versicherung, niemand denkt daran, uns unsere Freiheit zu nehmen. Die Zarin ist fest davon überzeugt, dass wir nur dann ein Achtung gebietendes Volk werden können, wenn wir frei und unabhängig sind. Sie will, dass wir die Ljachen in unserem Lande ausrotten, gegen ihren Übermut ein Damm werden, und eben dadurch auch die Herrschaft der Zarin sichern gegen das Eindringen jener Unordnung, die in Polen herrscht. Bei dem Worte »Befehl« dürft ihr euch nicht denken, man wolle Euch Befehle geben; mit welchem Rechte könnte man euch diese aufnötigen? Welche Mittel sollte die Zarin ergreifen, um solche Pläne durchzusetzen? Es wäre unüberlegt,