Die Ungeliebten. Anita Florian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anita Florian
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738078459
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Eine alte Kernseife sorgte für die Körperreinigung, das schmutzige Wasser wurde in den Ausguss geschüttet, neues heißes Wasser wurde wieder hineingegossen nachdem sich einer gebadet hatte.

      Gütigerweise ließen sie Franzine den Vortritt, sie war die erste, die sich ausgiebig baden durfte. Sie hasste die übel riechende Kernseife und ärgerte sich, dass sie von zu Hause keinen Badeschaum mitgenommen hatte. Freya besaß ein paar Flaschen gut riechendes Fichtennadelschaumbad, doch was soll’s, besser als gar nichts. Das warme Wasser ließ sie beleben, die Familie hatte sich diskret wieder ins Schlafzimmer zurückgezogen. Ein feines Gefühl, Franzine genoss ihr Bad, wusch sich sorgfältig ab, blieb dann noch einige Zeit in der Wanne sitzen. Ferry kam danach, dann Senta und zum Schluss Tanno, der ganze fünf Minuten brauchte um sich sauber zu kriegen. Er mochte es nicht, baden ist etwas für Frauen, sagte er oft, lieber verkroch er sich in seinem Waldstück, wo er sich aus vielen Moospolstern ein bequemes Lager gebaut hatte. Ob glücklich oder traurig, er suchte seinen Lieblingsplatz immer wieder auf um sich fallen zu lassen. Besser und bequemer kann man nicht liegen als auf diesem Moosbett, das weicher ist als jedes Federbett. Dass ihm Ameisen, Käfer oder Spinnen über den Körper krochen, bemerkte er nie. Ein guter Platz zum Ausruhen, Träumen und Denken, zum Weinen und Lachen. Niemand störte ihn dabei, allein mit Natur, Himmel und würzige Waldluft. In den warmen Jahreszeiten der beste Platz der Welt, das Radio waren seine fliegenden Freunde, die ihm ein Lied nach dem anderen vorsangen. Keiner in der Familie kannte den Platz, sie wussten nur, wenn er wieder seinen Weg in Richtung Wald einschlug, dass er seine Ruhe brauchte, seinen Frieden und den Einklang der Natur, den er so unaufhaltsam liebte.

      Natürlich ist das Ritual der täglichen Reinigung auch bei den Tennenbachs zu Hause. Kurz vor dem Schlafengehen wurde die alte, aus echtem Porzellan, mit vielen blauen Blümchenmuster verzierte Waschschüssel hervorgeholt, jeder konnte dann seinen Schmutz und Schweiß loswerden der sich im Laufe des Tages angehaftet hatte. Niemand stand im Wege, die Waschung erfolgte in Abgeschiedenheit der jeweils Anderen.

      Es war um vieles wärmer im Bett wenn Ferry mit Franzine darin lag, im Winter eine wahre Erholung, im Sommer zu heiß für Beide, die dünne Baumwolldecke, die Franzine bei ihrer Hochzeit als Geschenk bekam, tat hier genau den richtigen Dienst. Und jetzt war Ferry wieder da, er lag wahrhaftig neben ihr, zu ihr gedreht und betrachtete sie sanft.

      „Ich glaube, mein Motorrad gibt bald seinen Dienst auf“, meinte er beiläufig, „ das alte Ding ist dann nicht mehr zu reparieren. Weite Strecken sind jetzt nicht mehr drin, ich muss mir etwas Neues einfallen lassen um an die Plätze zu kommen, die ich gerne noch anschauen möchte.“ Franzine gab keine Antwort darauf, sie hörte es nicht gerne, wenn Ferry von seinen Reisen sprach, ihn niemand davon abbringen konnte, und sich auch nichts dreinreden ließ. Lieber wäre es ihr natürlich, er bliebe zu Hause, kümmerte sich zwischendurch auch um Bernadette und fragte sie um ihre Wünsche und Bedürfnisse. Doch er schien weit davon entfernt, es scheint kein Gedanke diesbezüglich bei ihm zu keimen, allein seine Wünsche standen im Vordergrund.

      „Könntest du einmal darüber nachdenken hier bei mir und Bernadette zu bleiben, nur für eine Weile, das Motorrad braucht auch mal eine Verschnaufpause“, versuchte Franzine Ferry auf die richtige Fährte zu bringen. Nachdenklich näherte er sich an Franzines Wange, küsste sie sachte und meinte: „Ich glaube, da könntest du Recht haben, ich habe mich wirklich nicht viel um euch gekümmert, ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, ich liebe euch beide, das weißt du, aber ich liebe auch die weite Welt, das hast du doch schon begriffen, stimmt’s?“ Natürlich hatte sie das, er liebte die Welt wohl mehr als seine Familie.

      „Meine Mutter ist ja für euch da, auch mein Vater ist zur Stelle wenn es euch an etwas fehlen sollte, du kannst dich auf beide immer verlassen, ich habe es ihnen aufgetragen, sie dürfen dir nichts abschlagen“, Ferry meinte es bitterernst. Er glaubte felsenfest dass seine Frau in den besten Händen bei Senta wäre und fühlte sich sicher, dass Tanno auf die Familie aufpasste und dafür sorgte, dass sonntags der knusprige Braten auf den Tisch stand. Er ahnte nicht, dass seine Mutter eine Kälte an den Tag legte, die Franzine seelisch zusetzte und sie kein Wort darüber verlieren wagte. Die Konversationen, die Franzine mit Senta führte, berührten nicht einmal die Oberfläche, ihre Schmerzen oder Freuden musste sie mit sich allein ausmachen. Senta hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Franzine so gut es nur möglich war, zu übersehen und ihrer Tochter die Liebe entgegenzubringen, die sie für angemessen hielt. Nicht zu viel, nicht zu wenig, und das auch nur, wenn sie gut gelaunt war. Das Kind ging freudig auf die Nähe ein, Senta versuchte ihre Freude zu verbergen, doch Bernadette wusste gut Bescheid, Kinder konnte man nicht hinters Licht führen. Sie mochte ihre Oma sehr, Bernadette kannte keine Unterschiede zwischen Liebe und Hass, sie war noch klein und liebte alle Menschen.

      Franzine empfand es als ein Glücksgefühl, wenn sie neben Ferry ausgeruht aufwachen konnte, seine männliche Nähe spüren und ihn atmen hörte, seinen nicht unangenehmen Geruch aus dem Mund wahrzunehmen und zu wissen, er lebt, er ist trotzdem ein guter Familienvater, ein Mann, ein abenteuerlustiger Vagabund, der immer wieder nach Hause zurückkehrt und weiß, das Frau und Tochter, sehnsüchtigst und liebevoll auf ihn warten und ihn in die Arme schließen würden.

      Franzine sog seinen Atem ein…genussvoll und voller Liebe, die sie unendlich für Ferry empfand. Er lag still, atmete geräuschlos und wusste nicht einmal, das Franzine neben ihn lag, ihn liebevoll anstarrte, als sei er gerade frisch aus Lehm, von den lieben Gott selbst geformt worden, die schlanken Beine lagen frei, sein Oberkörper war nur halb bedeckt, sein Brustkorb hob sich langsam, sein Gesicht war friedlich und warm, keine Anzeichen von Ärger oder Aggression. Er roch nach Luft, nach Leben und Abenteuer.

      Franzine fühlte sich geborgen, ihre langen Haare lagen frei um den Kopfpolster, Ferry wühlte sich im Schlaf in den weichen, warmen Frauenfell und konnte sich nicht wohler fühlen, neben Franzine, die Bernadette wieder in das eheliche Bett geholt hatte und sie liebkoste und in diesem Moment, nicht glücklicher sein konnte.

      Vergessen waren ihre Verkrampfungen und das unwohlige Gefühl, dass sie immer wieder heimgesucht hatte. Was ist schon ein Magen, eine dehnbare Blase, die ja nur Nahrung aufnimmt, und, sowieso wieder abgibt, auf einem Weg, der niemanden gefällt, ja sogar manchmal schreckliche Probleme bereiten würde. Aber es ist notwendig, der Körper braucht nun mal Kraft, und das kann man nur mit Essen herbeiführen. Franzine dachte an ihre damalige schlechte Phase, alles nur Einbildung? Freya war anderer Meinung. Wie kam es, dass sie unentwegt erbrechen musste und ihr Gefühl ihr diese heimtückischen Streiche spielte und ihr die Nahrung verwehrte. Ist der Körper stärker als all die Gefühle, Gedanken und Sehnsüchte, die ohnehin keiner verstehen konnte? Muss man sich mit Allem allein zu Recht kommen? Antworten gaben es nie, also wäre es doch das Beste, Kraft zu tanken und Gutes daraus zu schöpfen.

      Sie dachte, sie wäre dünn, nein, nicht schlank, sie ist, wenn sie sich im Spiegel betrachtete, spindeldürr.

      Ferry mochte ihre Gestalt, er war geradezu verrückt nach Franzines schlanken, graziösen Körper. Und sie wusste es, sie spürte es. Sie war sich nicht bewusst, das dieses Frauenideal, sich zu einem Symbol entwickeln sollte, die sie schöner, attraktiver und populärer erscheinen ließe, als all die anderen Frauen, die gerade in ihrem Alter die jahrelange Haushaltungsschule besuchten und nicht wussten, das dies vielleicht vergeblich und keinerlei Bestand in ihrem Leben erhalten würden. Nicht Figur und Mode ihr bevorzugtes Thema war, sondern nur den Drang der Eltern nachgingen, um später eine Hausfrau abgeben sollten, die sie niemals in Erwägung zogen und aus diesen Klischee sie auch kaum ausbrechen konnten. Franzine machte sich darüber niemals Gedanken, sie wusste schon immer, was sie wollte.

      Und jetzt war sie geradezu gezwungen Senta zur Hand zu gehen, ihr im Haushalt behilflich zu sein und ihr sämtliche Arbeiten abzunehmen. Kein wirkliches Problem für sie, doch so manch Küchendüfte bescherten ihr das altbekannte Unwohlsein.

      Ferry schien guter Dinge, verlor kein Wort über seine nächste Reise und schlug einen Spaziergang mit Bernadette und Franzine vor. Gleich nach dem Frühstück sollte es losgehen. Franzines blühte auf, endlich hatte sie Gelegenheit die Ortschaft genauer anzusehen die ihr bis jetzt verborgen geblieben war.

      „Den Kinderwagen lassen wir hier, ich werde Bernadette tragen, das gefällt ihr bestimmt besser“, sagte er frohgelaunt und wartete bis Franzine sie gefüttert