Der rote Brunnen. Rita Renate Schönig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Renate Schönig
Издательство: Bookwire
Серия: Regionalkrimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915150
Скачать книгу
die Frau ebenfalls laufen – mitten in der Nacht?“, fragte Lars, deutete auf den Jogginganzug, den das Opfer trug und lenkte so die Aufmerksamkeit endgültig auf den aktuellen Fall.

      Er konnte die Begeisterung seines Kollegen, bezüglich mittelalterlicher Geschichten noch nie so wirklich nachvollziehen und wollte auf keinen Fall noch mehr geschichtlichen Nachhilfeunterricht hören.

      „Ob Marina Leistner joggen gewesen war oder nur mal vor die Tür gehen wollte … entzieht sich zurzeit noch unserer Kenntnis“, erwiderte Nicole. „Findet es heraus.“

      „Täusche ich mich, oder wurde ihr auch in den Unterbauch gestochen?“

      In den Gesichtern der Kriminalbeamten spiegelte sich, was der Kollege Schönherr mit seiner Bemerkung zum Ausdruck bringen, aber niemand zugeben wollte.

      „Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich nach einem Nachahmungstäter aus. Der Rosenkranz war auch vorhanden, aber dieses Mal kein Messer oder etwas in der Art.“ Nicole stöhnte hörbar. „Genaueres wird die Sektion zeigen. Sie ist für 16 Uhr angesetzt.“

      Sofort schaute Lars auf den beigen Teppichboden unter seinen Füßen. Harald und der neue Mitarbeiter drängelten sich auch nicht begeistert an die Front.

      „Also gut. Herr Schönherr, Sie begleiten mich. Zuvor nehmen Sie sich die Unterlagen der zwei getöteten Frauen nochmal vor. Vielleicht haben wir etwas übersehen.

      Ihr beide“, wandte Nicole sich Lars und Harald zu, „schaut euch den Tatort an und befragt den Ehemann unseres Opfers. Obwohl Josef bereits mit ihm gesprochen und auch die Nachbarschaft befragt hat, möchte ich, dass ihr euch selbst ein Bild vor Ort macht. Wann genau Herr Leistner gestern Abend nach Hause gekommen ist und ob das jemand bezeugen kann, und so weiter – ihr wisst schon. Belege für seinen Aufenthalt übers Wochenende wären auch nicht schlecht.

      Ich setze mich mit dieser Psychologin, Dr. Claudia Scherer, in Verbindung. Ich kann nur hoffen, dass Lambrecht ihr nicht schon wieder abhandengekommen ist. Falls doch, müsste ich der Dame kräftig auf die Füße treten.“

      Das täte ich ohnehin sehr gern, setzte Nicole in Gedanken nach. Die Frau war ihr von Anfang an suspekt. Weshalb konnte sie nicht erklären. Es war einfach mal wieder dieses Bauchgefühl, das ihr sagte: Da stimmt etwas nicht. Irgendetwas stinkt gewaltig zum Himmel.

      „Sollten wir es wirklich mit einem Trittbrettfahrer zu tun haben“, fuhr sie laut fort, „dann müsste der Insiderwissen haben. Das mit dem Rosenkranz ging niemals an die Presse.“

      „Willst du wieder eine Soko bilden?“, fragte Harald, so beiläufig wie möglich – wusste er doch, wie angespannt Nicole während der letzten Wochen gewesen war.

      Zu seiner Erleichterung schüttelte die den Kopf. „Wir ermitteln erst einmal wie gewohnt.“

      Während die Kollegen zum Tatort unterwegs waren, machte sich Dietmar Schönherr – mehr oder weniger lustlos – an die ihm zugeteilte Aufgabe. Er sah nicht wirklich einen Sinn darin, noch einmal die Unterlagen zu durchforsten, deren Text er im Schlaf herunterrasseln konnte.

      Seine Frau hatte sich schon gesorgt, weil er in den letzten Wochen in seinen unruhigen Träumen, von Messern und Rosenkränzen nuschelte, und war froh, als der Fall endlich abgeschlossen war. Nun fing das Ganze womöglich wieder von vorn an. Aber das war halt so, wenn man der Neue ist. Er würde sich erst seine Lorbeeren verdienen müssen, bevor er in den Kreis der Alteingesessenen aufgenommen wurde.

      „Verdammte Scheiße.“

      „Was ist scheiße?“

      Der Kriminaloberkommissar hatte nicht bemerkt, dass seine Chefin erneut den Raum betreten hatte und jetzt hinter ihm stand. Anders als ihr Vorgänger, Herr Dr. Lechner, der – nach Angaben seiner Kollegen – stets einem Tornado ähnlich durch die Tür stürmte, tauchte Nicole Wegener ohne ein Geräusch zu verursachen, wie aus dem Nichts auf.

      Harald und Lars amüsierten sich darüber, während Dietmar Schönherr das als äußerst gruselig empfand und sich dadurch anhaltend unter Beobachtung fühlte.

      Auch jetzt zuckte er zusammen. „Eh, was? Ja, nein. Also“, stotterte er herum. „Es ist nur so … Wir haben die Akten zigmal durchgesehen. Ich weiß nicht, was wir noch finden sollten. Ich dachte, der Fall wäre abgeschlossen.“

      „Vielleicht ist er das ja auch – vielleicht aber auch nicht. Sie selbst haben doch gerade Parallelen festgestellt“, erinnerte Nicole.

      Schönherr nickte und fragte im gleichen Atemzug: „Was ist mit Michael Lambrecht? Ist der noch safe?“

      „Ja. Dr. Claudia Scherer versicherte mir, dass er im Hochsicherheitsbereich der Klinik untergebracht wurde und dort seit gestern sogar in einem sogenannten Kriseninterventionsraum – volkstümlich auch Gummizelle genannt.“

      „Also doch ein Nachahmer“, sagte der Kommissar. Es klang mehr wie eine Feststellung, als wie eine Frage.

      „Sieht so aus.“ Gedanklich schon wieder ein Schritt weiter und deutete Nicole auf die Akten. „Legen Sie Ihr Augenmerk besonders auf die Sache mit dem Rosenkranz.“

      „Ich gehe auch nochmal sämtliche Presseartikel durch. Eventuell gab es doch einen Hinweis oder ein Foto, das veröffentlicht worden ist.“

      „Gute Idee“, stimmte Nicole zu. „Beleuchten Sie außerdem das Umfeld des Opfers … Freunde, Vereine, Nachbarn. Besteht eine Verbindung zu der Klinik … Also, einfach mal ins Ungewisse hinein.“

      Sie hatte bereits den Türgriff in der Hand, drehte sich aber nochmals Schönherr zu. „Wie gefällt Ihnen die Arbeit hier?“

      „Eh … gut. Weshalb?“ Sofort war Dietmar Schönherr wieder verunsichert.

      „Ich habe manchmal den Eindruck, dass Sie sich sehr zurückhalten; obwohl Sie doch, laut Ihrer Personalakte, ein guter Ermittler sind.“

      „Ich bin erst seit kurzer Zeit hier und möchte mich nicht allzu direkt in den Vordergrund drängen“, gab Dietmar Schönherr offen zu.

      Nicole nickte. „Es stimmt, Harald und Lars – und auch ich –, wir sind ein eingespieltes Team.“

      Sie lächelte dem neuen Kollegen aufmunternd zu.

      „Spielen Sie einfach mit.“

      Montag / 09:45 Uhr

      „Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben.“

      Philipp wischte über seine feuchte Stirn.

      „Sie klangen sehr aufgewühlt. Was ist passiert, Philipp?“, fragte Dr. Claudia Scherer mit sanfter Stimme. In ihren grünblauen Augen lag ein Ausdruck zwischen Faszination, Sorge und … Vergnügen.

      „Es ist … sie sind …“, stotterte Philipp. „Die schrecklichen Bilder, verstehen Sie. Alles war in Ordnung – und nun. Dr. Mehlhorn. Er ist … genau an derselben Stelle und genau auf den Tag. Heute ist der 1. Juni. Verstehen Sie?“ Hilfesuchend sah er die Ärztin an.

      „Beruhigen Sie sich. Ich habe es Ihnen schon so oft gesagt. Es hat nichts mit Ihnen zu tun. Dr. Mehlhorn konnte mit der Schuld nicht mehr leben. Mit dem was er Ihnen und den Leuten angetan hatte, die ihm vertrauten. Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen.“

      „Ich weiß“, entgegnete Philipp, schärfer als beabsichtigt. „Dennoch habe ich das alles heute Nacht – nein, es war heute Morgen, kurz bevor ich aufwachte, wieder gesehen und – es war so realistisch. So, als hätte ich einen Augenblick zuvor noch auf dem Dach gestanden. Weshalb komme ich davon nicht los?“

      Philipp senkte seinen Kopf. „Außerdem … kann ich mich nicht erinnern, was ich gestern Nacht zwischen 11 Uhr und halb eins gemacht habe. Mir fehlen eineinhalb Stunden!“, murmelte er. „Und, ich hatte noch einen anderen … einen ganz schrecklichen Traum.“

      Stockend erzählte Philipp von