Marattha König Zweier Welten Teil 3. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847610458
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Gaiwar von Baroda oder der Maharadscha von Gwalior genauso gut in Poona sitzen konnten wie Bajee, und sie würden die Sache mit den Regierungsgeschäften allemal besser machen als er. Doch ihm wurde plötzlich klar, dass er sein eigenes Urteil verkündet und Morningtons Plan laut und deutlich unterstützt hatte.

      Aber genau das wollten sie: Einen Mann, der so leicht zu manipulieren war, dass sie in seinem Gebiet tun und lassen konnten, was sie wollten! Politiker zettelten Kriege an – Soldaten mussten sie beenden!

      »Ja, ja, mein Junge. Der Generalgouverneur hat dein kluges Papier sorgfältig gelesen. Wir alle haben es gelesen – Mornington, Clive, Clarke, Stuart. Sogar mir hat man es in die Hand gedrückt, um festzustellen, ob dein Text für einen Schutzvertrag Hand und Fuß hat. Das war übrigens der einzige Punkt, der nicht durchgegangen wurde. Mornington meinte, er wolle kein Bündnis, sondern ein Gebiet für den König und die >Company<.«

      »Ich hab’s gemerkt, Edwin! Ihr knöpft Bajee 260000 Pfund Sterling im Jahr ab, und wir riskieren unsere Haut. Wo soll ich sechstausend Mann für Poona finden? Ich kann sie nicht herzaubern, und ich habe nicht die Artillerie, die ihr dem Peshwa versprecht. Selbst wenn Purneah und der Nizam ihre Kräfte in die Waagschale werfen – was ich bezweifle. Der Nizam hat eine lange gemeinsame Grenze mit Scinde, und Purneah hat Holkar am Hals. Sie brauchen jedes ihrer Geschütze selbst.« Arthur kannte die Situation in Zentralindien inzwischen besser als die Landkarte Großbritanniens.

      »Arthur, wenn du Clives Schreiben zu Ende gelesen hättest, dann wüsstest du, woher der Wind weht. Mornington und du, ihr seid zwei Dickköpfe ersten Ranges, doch dein Bruder hat etwas eingesehen, was du ihm vielleicht nicht zutraust: Wenn der Generalgouverneur dem

      Oberkommandierenden von Madras freie Hand gibt, den Befehlshaber dieses Expeditionskorps zu ernennen und Stuart seit Monaten jeden britischen General aus dem Weg räumt, der auch nur fünf Minuten länger auf den Dienstlisten steht als du, dann heißt das, man will dich in Hurryhur sehen und nicht St. Leger oder Campbell oder Davie Baird, der übrigens auf dem Rückweg aus Ägypten ist!«

      »Ich weiß. Davie hat mir geschrieben. Wie oft habe ich diesen Spruch eigentlich schon gehört, Edwin? Ich darf mit meinem Stab immer die Drecksarbeit machen ... Weißt du, wie groß allein der Tross dieses Expeditionskorps wird? Um einen Sechspfünder durch unwegsames Gebiet zu ziehen, braucht man zwölf Ochsen. Und um die Männer zu versorgen, benötigt man über den Daumen gepeilt allein dreißigtausend Pfund Salz. Und mein Vorgesetzter in Madras hat mir aufs Papier geschrieben, ich soll den Peshwa zurück auf den Thron setzen, ohne England in einen Krieg zu verwickeln. Wer würde mir das glauben, wenn ich mit knapp sechstausend Mann durch die Gegend ziehe? Wer lässt einen gerade erst beförderten Oberst, der halb so alt ist wie neunundneunzig Prozent seiner hohen Offizierskameraden, mit sechstausend Mann von der Leine?«

      Arthurs Widerstand gegen das Kommando schwand mit jedem Augenblick. Während sein Herz noch heiß mit Sir Edwin Hall, den Befehlen aus Madras und der bitteren Erinnerung an Ceylon kämpfte, rechnete sein Verstand bereits eifrig Transportochsen, Futtermittel, Verpflegung und Pulver für das Expeditionskorps durch, und sein geistiges Auge inspizierte die Gegend zwischen der Grenze und dem Tombuddra, die er vor zwei Jahren auf dem Zug gegen Dhoondia genau kennengelernt hatte. Sie würden Boote brauchen und Pontons, um über die vielen Flüsse zu kommen. Natürlich war es kein Problem, sich mitten in der Regenzeit mit den Maratthas herumzuschlagen. Arthur war nun einunddreißig Jahre alt und Soldat mit Leib und Seele. Er war viel zu sehr in diesem aufregenden Spiel gefangen, um sich einen Feldzug entgehen zu lassen, auf dem er all seine Theorien, seine Erfahrungen, seine Kämpfe gegen Bullum, Wynaad und Soonda umsetzen konnte. Ein ruhiges Leben war noch nichts für ihn, und Mysore kam inzwischen auch ganz gut ohne ihn klar. Vielleicht war das Spiel ja den Einsatz wert. Ein vollständig befriedetes Zentralindien mit guten und gerechten Gesetzen für alle, egal ob sie weiß, grau, braun oder schwarz waren ... Und seit dieser langen Nacht, in der er sich mit Baird ausgesprochen hatte, fühlte er, dass er nun stark genug war, um für ein Kommando zu kämpfen und sich jedem entgegenzustellen, der es ihm wegnehmen wollte.

      Niemand kannte die unabhängigen Gebiete besser als er. Niemand hatte je Armeen durch die Dschungellandschaften geführt und Männer über Flüsse ohne Brücken gesetzt. Niemand, seit den Tagen des großen Clive, hatte es fertiggebracht, die Versorgung im Feindesland so zu organisieren, dass alles seinen Weg dorthin fand, wo es gebraucht wurde – auf den Kriegsschauplatz.

      Mornington vermutete, dass Arthur nicht mehr dienen konnte, wo er nicht befahl. Sollte er ihm ruhig unterstellen, dass er als unzufriedene Nummer zwei einen Feldzug hinschmeißen würde, nur um seinen Stolz zu befriedigen! Sollte er ruhig glauben, dass sein Bruder im Herzen ein Rebell war und nicht der Diener seines Königs! Richard hatte ihn hintergangen und ausgetrickst, und Arthur kannte den Charakter seines Bruders und wusste, dass er jedem unterstellte, genauso durchtrieben zu sein wie er selbst. Richard hatte ihn ausgenutzt, seit er denken konnte. Nun würde er Richard ausnutzen.

      Richard wollte das Gebiet, die Macht, den Ruhm des Eroberers und einen Platz an der Sonne zu Hause in England ... Arthur wollte nur eines: beweisen, dass der Krieg sich verändert hatte und dass man in diesem neuen, fortschrittlichen Jahrhundert nicht mehr mit philosophischen Ansätzen siegen konnte, die im Spanischen Erbfolgekrieg bereits von aufgeklärten Männern wie John Churchill abgelehnt worden waren.

      Er verspürte plötzlich ein neues, unbekanntes Gefühl: Ehrgeiz! Und dann ging ihm noch etwas anderes durch den Kopf: Als er nach dem Flandernfeldzug in der Armee geblieben war, hatte er Geister gerufen – und die wurde er jetzt einfach nicht mehr los. Er hatte beschlossen, den Weg des Schwertes zu gehen.

      »In spätestens sechs Wochen hat Stuart eine vollständige Armee und einen Tross stehen, Edwin. Die Arsenale von Chitteldroog, Hullihall und Hurryhur werden aufgefüllt sein. Wenn Stuart Ende Januar nach Hurryhur kommt, sind wir bereit.« Seine Augen blitzten, und er lächelte Purneah an. »Zweitausendfünfhundert Reiter, Freund! Und Bisnapah und unsere feinen, schneeweißen Zugochsen!«

      Der »Dewan« schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich werde dich nie begreifen, Wellesley-Sahib!«

      Kapitel 2 Sepoy-General

      Leutnant William Dodd hatte Glück. Nachdem die Grenzen zum Maharastra überschritten waren, gelangte er ohne große Schwierigkeiten bis in die portugiesische Besitzung Goa. Obwohl die Portugiesen Großbritanniens ältester Verbündeter waren, kümmerten sie sich nicht im Geringsten um Deserteure der Armee König Georgs. Seine Goldmünzen erkauften Dodd eine diskrete Passage entlang der Küste bis hinauf nach Bharuch im Golf von Cambay. Gujerat wurde zwar von den Briten beherrscht, aber es war trotzdem kein Problem gewesen, mit einem verschwiegenen Flussschiffer den Nerbudda hinaufzufahren und Indore zu erreichen. Der Gaikwar von Bharuch – ein Mann, der nur auf die richtige Gelegenheit wartete, sich Scindia anzuschließen und seine Waffen gegen die »inglis« zu erheben – erlaubte britischen Deserteuren die Durchreise in die Gebiete, die direkt oder indirekt vom Maharadscha von Gwalior abhängig waren. In Indore befanden sich mehrere »campoos« des Franzosen Perron. Er hatte im Jahre 1796 das Erbe des berühmten Savoyarden Benoit de Boigne angetreten. Doch er beherrschte seine »jaguirs« mit einem noch unabhängigeren Geist als Benoit – Scindias treuer General und der Hüter seines Throns – es je getan hatte. Perron wusste um das Unheil, das sich in Form einer großen Armee an der Grenze zu den unabhängigen Gebieten zusammenbraute.

      Als man Dodd zu ihm brachte, zögerte er nicht lange, sondern nahm den Leutnant sofort auf und ernannte ihn zum Major. Es waren weniger Dodds Vergangenheit und seine Absichten, die Perron überzeugten, sondern die Tatsache, dass der Offizier den künftigen Gegner offensichtlich gut zu kennen schien: Der Oberkommandierende von Madras, Sir James Stuart, hatte den größten Teil seiner bei Hurryhur gesammelten Truppen einem Offizier anvertraut, von dem Perron nur wusste, was sein Landsmann Allessandro Cappellini ihm Jahre zuvor anvertraut hatte. Es war in den Tagen nach dem Fall von Seringapatam gewesen. Doch Arthur Wellesley war inzwischen vom Obersten und Truppenoffizier zum General aufgestiegen; er hatte Soonda, Bullum und Wynaad genommen, Mysore regiert und die riesige Armee des »Königs zweier Welten«, Dhoondia Wao, ins Verderben geschickt. Der Ire konnte daneben noch eine beeindruckende Liste politischer Erfolge vorweisen: Sechs