Marattha König Zweier Welten Teil 3. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847610458
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mit Faulenzen zu und schlägt sich die Nächte mit Huren um die Ohren ... nichts als der Abschaum dieser Erde.«

      Die Stimme war freundlich, beinahe sanft. Shee lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Lakshmi hatte sich von ihrem Stuhl erhoben und war wie ein Geist aus dem Haus verschwunden.

      »Dass Sie das Arsenal bestohlen haben, Shee, dass Sie geholfen haben, gegnerische Truppen mit unseren Waffen auszurüsten ...« Die Stimme des Generals war immer noch ruhig und freundlich, doch in seinen graublauen Augen flackerte es. »Sie haben sich an meinen Männern vergriffen. Sie haben meine Männer um ihren verdienten Sold betrogen. Sie haben sie gedemütigt und ohne Grund bestraft ... Shee, das einzige, was in einer Armee zählt, sind diese Halunken im roten Rock. Sie und ich, wir sind nichts ohne die Männer. Ich werde Sie persönlich vors Kriegsgericht zerren. Man wird Sie verurteilen, und ich werde Ihnen die Epauletten eigenhändig von der Schulter reißen und Ihren Säbel zerbrechen. Ich werde dafür sorgen, dass jeder der zwölf Halunken, denen Sie in Kürze in die Augen schauen werden, eine Kugel in seinem Lauf hat und einen Grund, auf Sie anzulegen.« Wellesleys Stimme war immer noch ruhig, freundlich und gelassen, aber in seinen Augen blitzte inzwischen der blanke Hass. Shee wich ein letztes Mal zurück. Er spürte das warme Holz des Treppengeländers in seinem Rücken. Das schmutzige Leinen des abgetragenen Hemdes klebte auf seiner schweißnassen Haut. Zwei Seelen kämpften in seiner Brust einen verzweifelten Kampf: Die Stimme der Hoffnung gebot ihm, die Hand von der Waffe zu nehmen und aufzugeben. Oberst Saxon war mit einem blauen Auge davongekommen, obwohl Wellesley lauthals geschrien hatte, er würde dem alten Trottel den Kopf abreißen ... Die Stimme der Vernunft sagte Shee, dass er zu lange schon zu weit gegangen war. Die Diebstähle hätte der General verziehen. Die Toten des 33. Regiments konnte Wellesley nicht verzeihen. Der Augenblick war gekommen, an dem er einen Strich unter sein jämmerliches Leben ziehen und ein einziges Mal wie ein Offizier und Gentleman zu seinen Taten stehen musste.

      Arthur schüttelte nur kurz den Kopf, als Shee den Degen zog, dann bohrte sich sein schwerer »tulwar« in die Eingeweide des Majors, und warmes Blut floss über seine Rechte. Einen kurzen Augenblick hatte er den Gegner nicht töten wollen, doch dann hatte die Vernunft gesiegt. Das 33. Regiment würde bald schon ins Feld ziehen, um zu kämpfen. Das einzige, was je zwischen ihm und den 700 Halunken im roten Rock gestanden und ihre Vertrautheit gestört hatte, war dieser Mann gewesen.

      Shee existierte nicht mehr. Shee würde nie wieder einen braven Burschen quälen. Sein Regiment konnte nun in den Krieg ziehen. Wellesley zog die Klinge aus Shees Leib und wischte sie an dessen schmutziger Uniformjacke ab. Charlottes Geist tadelte ihn leise für das, was er gerade getan hatte, doch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit zischte er dem Schatten zu: »Verschwinde, kleine Lady! Misch dich nicht in Dinge ein, die du nie verstehen wirst!« Dann verließ er Lakshmis verrufenes Haus. Ihm war leicht ums Herz.

      »Bajee Rao II. hat den Schutzvertrag akzeptiert!« Sir Edwin Hall legte die Kopie des Textes auf das riesige Möbelstück, das dem »Dewan« des Rajahs von Mysore als Schreibtisch diente. »Aber die Verhandlungen waren zäh. Nur der Fall von Poona und der Verlust seines Thrones haben ihn zu einem Abkommen mit dem Generalgouverneur bewegt.«

      »In diesem Augenblick ist der Peshwa nicht mehr als ein Flüchtling, der auf den Schutz der britischen Krone angewiesen ist«, bemerkte Purneah nachdenklich. »Ein Schutzvertrag – aber es gibt nichts zu schützen. Zahlungen an die Ostindische Kompanie für eine Armee, die kein Gebiet mehr zu verteidigen hat. Seit dem Fall von Poona gibt es erhebliche Sicherheitsprobleme an den Grenzen von Mysore ...«

      Arthur Wellesley hörte schweigend zu, während Sir Edwin und der »Dewan« diskutierten. Neben ihm hatten Elphinstone und Barclay Platz genommen. Sie hatten die letzte Nacht gemeinsam über den Karten verbracht und Stapel von Agentenberichten durchforstet, um eine Antwort auf die alles entscheidende Frage zu bekommen: War es möglich, Bajee Rao II. mittels einer 6000 Mann starken Armee zurück auf den Thron von Poona zu befördern?

      Arthur hatte die Frage verneint, denn Dowluth Rao Scindia, der Maharadscha von Gwalior und Ragojee Bhoonslah, der Rajah von Nagpor, konnten 50000 Mann gegen sie schicken und verfügten über einen ausgezeichneten Geschützpark. Sollte sich noch Jeswant Rao Holkar, der Maharadscha von Indore, anschließen, standen ihnen plötzlich mehr als 100000 Gegner gegenüber. Arthur wollte verhandeln und Holkar treffen, mit dem er sich schon mehr als einmal vernünftig geeinigt hatte ... John Malcolm, der Resident von »John Company« in Poona, hatte ihm geschrieben und bestärkte ihn in dieser Auffassung. Obwohl Holkar den Peshwa geschlagen hatte, hatte er Barry Close höflich darum gebeten, weiterhin als britischer Resident in der Hauptstadt zu verweilen. Arthur hatte nicht den Wunsch, die unabhängigen Herrscher zu vernichten, wie Mornington es plante. Ihm war lediglich daran gelegen, ihre Regierungen so zu beeinflussen, dass sie friedlich wurden, Mysores Grenzen respektierten und verantwortungsvoll handelten.

      Mornington kannte seine Position. Er hatte dafür gesorgt, dass über Sir Alured Clarke ein Papier den Weg in den Palast des Generalgouverneurs fand. Natürlich hatte Richard ihm auf ähnlich indirektem Weg eine gesalzene Abfuhr erteilt: Mit seinem Generalspatent war ein Schreiben von Stuart nach Seringapatam geflattert. Der Befehl des Gouverneurs von Madras, Lord Clive, ließ keine Fragen offen. Richard war wie immer ein glänzender Taktiker: Er hatte sich Stuarts und Clives bedient, um Hand an seinen Bruder zu legen. Er musste gespürt haben, dass Arthur nach der Trincomale-Affäre durchaus in der Lage gewesen wäre, sich auf eine langatmige Diskussion mit Fort William einzulassen. Diesen Weg hatte man ihm nun versperrt, denn man wusste, dass er weder Clive noch Stuart in eine peinliche Lage manövrieren würde. Stuart hatte Arthur immer geschätzt, hatte ihm sein Vertrauen geschenkt, hatte seine Ernennung zum General durchgeboxt, ihn in den Generalstab von Madras geholt ... Mornington wusste, dass sein kleiner Bruder eine große Qualität besaß: Er war loyal und unfähig, um eines eigenen Ränkespiels willen einem Offizierskameraden in den Rücken zu fallen. Sogar mit dem unmöglichen Davie Baird vermochte er in Freundschaft zu leben. Unzählige lange Briefe über die Lage in Indien hatten ihren Weg in der diplomatischen Post bis nach Ägypten gefunden. Es war ein offenes Geheimnis, dass Davie und Arthur Frieden geschlossen hatten.

      Arthur betrachtete Sir Edwin. Charlottes Vater war nicht nur deshalb aus Bassein nach Seringapatam gekommen, weil er ihr Grab besuchen und den trauernden, immer noch verzweifelten Verlobten seiner Tochter tröstend an die Brust drücken wollte: Sir Alured Clarke hatte ihn gebeten, seinem jungen, heißblütigen Offizier zu erklären, dass Mornington sich in den letzten fünf Jahren eine solche Macht angeeignet hatte, dass jeglicher Widerstand gegen seine expansive Politik sinnlos war. Nicht einmal der Unwille der Direktoren in der Leadenhall Street schüchterte ihn ein, obwohl er Clives und Hastings’ Schicksal vor Augen hatte.

      Purneah nickte, als er den Vertragstext zu Ende gelesen hatte. »Natürlich werden wir alles tun, was in unserer Macht steht, um England zu unterstützen, Sir Edwin! Wenn der Nizam Truppen stellt, werden auch wir Truppen ins Feld schicken. Doch der Rajah hat eine Bedingung.« Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, und die Augen blitzten vergnügt. »Er kommandiert unser Kontingent!« Sein schlanker Finger zeigte auf Arthur. »Und Bisnapah Pundit befehligt Krishnas Kavallerie!«

      Wellesley schlug die Augen nieder. Elphinstone lachte schallend. Er kannte die Bedenken seines Freundes. Arthur quälte ihn seit Wochen, Spione in die unabhängigen Gebiete zu schicken und die Region entlang des Tombuddra auszukundschaften, während er ihm gleichzeitig mit seinem Gejammer über Morningtons Kriegstreiberei in den Ohren lag und über Barry Close eine Friedenstaube um die andere auf Holkar hetzte.

      »Was wirst du Stuart und Clive antworten, mein Junge?«

      »Der Befehl ist sehr vage, Edwin. Einerseits bin ich Soldat ... Er hat mir einen geradezu beunruhigend großen Handlungsspielraum eingeräumt für einen Generalmajor, den die Horse Guards nicht auf der britischen Liste bestätigt haben. Andererseits rede ich seit fast fünf Jahren mit den Maratthas. Man kann mit ihnen reden. Es ist nicht gut, sie in die Kniekehlen zu treten und ihnen die Zepter aus den Händen zu reißen. Goklah ... sogar Holkar ... im Grunde akzeptieren sie uns doch. Warum müssen wir zum Teufel noch mal versuchen, einen Mann zurück auf den Thron zu bringen, den keiner dort sehen will, seit sein Minister Nana Phadnis tot ist? Bajee ist jung, unvernünftig, beeinflussbar und biegsam wie ein Weidenzweig. Wer nur ein bisschen klüger ist als der Peshwa,