BABATI. Toni Vipa. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Vipa
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847665656
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will ich nicht.“, gab er trotzig zurück.

      „Welche willst du denn dann?“

      „Die da.“, sagte er und zeigte auf eine völlig Andere.

      Langsam wurde ich sauer. Ich griff vorsichtig mit meiner freien Hand nach der Anderen, bekam sie unten am Gefäßboden zu packen und wollte sie ihm geben. Er wich daraufhin ein Schritt zurück. War wohl doch keine so gute Idee gewesen, ihnen ein Stück Exotik kaufen zu wollen, bestätigte sich langsam meine anfängliche Vermutung.

      „Okay Jungs, kein Problem. Keine Angst mehr. Wir lassen sie da.“

      „N E I N!“

      Der Aufschrei kam von beiden wie aus der Pistole geschossen. Die umstehenden Kunden, eine ältere Frau mit ihrer circa vierzigjährigen Tochter sahen zu uns herüber. Mir wurde die Sache langsam peinlich.

      „Jungs. Wenn ihr sie haben wollt, müsst ihr sie auch in die Hand nehmen. Schließlich kommen sie in eure Zimmer und ihr müsst euch darum kümmern.“

      „Aber wenn sie beißt?“, meldete sich Benni zu Wort.

      „Die beißt schon nicht. Und außerdem kann dir das kleine Ding gar nichts anhaben.“

      „Aber sie lebt doch? Oder?“, fragte jetzt Marco.

      „Ja!“

      „Sie frisst doch auch Fleisch?“, wollte Benni wissen.

      „Ja!“

      „Aber nicht eures.“ fügte ich noch nach einer kurzen Atempause sicherheitshalber hinzu.

      Benni schluckte. Ich bemerkte dies und schob daher noch nach:

      „Jedenfalls kein Menschenfleisch.“

      „Woher willst du das wissen?“, fragte nun Marco.

      „Weil es so ist.“

      Langsam war meine Geduld am Ende.

      „Außerdem habe ich sie schon die ganze Zeit in der Hand und sie hat bisher keine Anstalten gemacht nach meinem Finger zu schnappen.“, hörte ich mich sagen.

      Benni schaute sich daraufhin meine Finger, die das Gefäß umfassten, ganz genau an.

      „Wenn ihr den Topf unten anfasst, kommt sie gar nicht an eure Finger hin.“

      „Sicher?“, vergewisserte Marco.

      „Sicher.“

      Benjamin streckte jetzt wagemutig die Hand entgegen. Damit er den Topf mit seiner kleinen Hand unten am Boden greifen konnte, hielt ich diesen nur noch oben am Rand mit beiden Fingern fest. Geschafft, dachte ich mir und ließ den Topf jetzt endgültig los. Ich kniete mich neben ihm, den tapferen Helden, und sah ihm in seine Augen. Dabei lächelte ich ihn an. Er jedoch verzog keine Miene. Stattdessen starrte er den Topf mit dem fremdartigen Etwas wie eine Kobra an, die jeden Augenblick nach vorne schnellen und zubeißen konnte. Um ihm zu zeigen, wie ungefährlich sie war, strich ich mit dem Zeigefinger der freigewordenen Hand über die Zähne der Fleisch fressenden Pflanze, der so genannten Venusfliegenfalle.

      „Achtung! Mach Sie nicht wütend!“, warnte Benni sogleich, „Sonst beißt sie mich noch. Und du bist schuld.“

      „Schau, es passiert nichts. Rein gar nichts. Die rührt sich nicht. Siehst du?“

      Benni besah sich die Pflanze ganz aufmerksam und vergewisserte sich, dass sich ja nichts regte oder bewegte. Nichts tat sich. Er entspannte sich. Ein zufriedenes Lächeln bildete sich nun in seinem Gesicht. Langsam drehte er den Topf und … entdeckte, dass auf eine ihm zuvor abgewandten Seite der Pflanze ein Blatt mit Zähnen gefährlich nahe an sein Händchen herunter hing.

      „Papa! Sie hat sich bewegt.“

      Seine Mundwinkel verzogen sich. Marco, kaum die Worte seines Bruders vernommen, ging gleich ein paar Schritte von Benni weg und begab sich in sicherer Entfernung.

      „Hab keine Angst. Die tut nichts. Die Pflanze ist zu klein für deinen Finger. Und außerdem ist die Falle geschlossen. Schau!“

      Ich strich mit dem Finger über die Borsten der herunterhängenden, geschlossenen Falle. Benni griff den Topf weiter unten und starrte sie an, um sicher zu gehen, dass sie sich dennoch nicht bewegte. Ungefähr eine halbe Minute dauerte es, bis er sich dessen völlig sicher war. Langsam gewann er an Zuversicht.

      „Papa. Gehen wir zur Kasse?“ sagte er dann vollen Mutes.

      „Ja gleich.“

      Jetzt wandte ich mich dem Großen zu.

      „Na? Was ist mit dir? Willst du auch eine?“

      „Ja. Aber die?“

      Er zeigte auf eine andere auf dem Schautisch. Es war eine Kannenpflanze. Diese hatte anstatt wie bei der Venusfliegenfalle, die klebrige Blätter mit Zähnen an der Seite hatte, nur eine Art Beutel herunterhängen, in den Kleinstinsekten hinein flogen. Sie sah sozusagen nicht so gefräßig und so gefährlich aus.

      „Okay. Aber du trägst sie!“

      „Aber nur dann, wenn du sie mir in die Hand gibst.“

      Ich legte die zweite Venusfliegenfalle, die ich in der Hand noch hatte zurück, und nahm dann eine Kannenpflanze vom Tisch und gab sie ihm. Auch er griff sie unten am Topf und vermied tunlichst jeglichen Kontakt mit der Pflanze. Auch diese schien ihm nicht geheuer zu sein.

      „Komm. Gehen wir jetzt!“

      Während Marco noch kurz stehen blieb und sich seine Kannenpflanze ansah, setzte sich Benjamin in Bewegung und trug seine Fleisch fressende Pflanze mit weit ausgestreckten Armen vor sich her. Dabei sah er wie einer vom Bomben-Entschärfungskommando aus, der eine scharfe Bombe vor sich her trug. Marco folgte ihm ein paar Schritte dahinter mit seiner Pflanze. Und danach kam ich. Wer uns so sah, dem musste das Ganze wie der Anfang einer Fronleichnamsprozession auf dem Weg zur Kasse des Baumarktes vorkommen. Der Erste an der Spitze des Zuges trug die Monstranz, der Zweite den Kelch mit Hostien und der Dritte dahinter, der die beiden vor ihm Gehenden um Köpfe überragte, folgte mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und mit zusammengefalteten Händen. Dass er noch zu alledem einen langen, schwarzen Mantel trug, verstärkte bei denen, die der komischen Prozession zusahen, den Eindruck, dass dies zweifelsohne der Pfarrer sein müsste.

      An der Kasse angekommen zahlte ich, während Benjamin ganz stolz sein Fleisch fressendes Ding, dass in einem Topf, pardon Töpfchen, von sechs auf sechs Zentimeter untergebracht war, jedem entgegen streckte und dabei sagte: „Das ist eine Fleisch fressende Pflanze. Aber keine Angst! Die beißt nicht.“

      Als sie beide im Auto saßen und wir mit den exotischen Neuerwerbungen nach Hause fuhren, hielten sie diese während der gesamten Fahrt über weiterhin mit einem gewissen Respekt vorsichtig vor sich, ließen sie keinen Augenblick aus den Augen und waren darauf bedacht jeglichen Kontakt der Pflanzen mit irgendeinem ihrer Körperteile zu vermeiden, ganz nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

      Ich musste Lachen. Während der viertelstündigen Fahrt ertappte ich Zwergnase des Öfteren, wie er sich mit seiner Fleisch fressenden Pflanze unterhielt oder besser gesagt, auf sie einredete.

      „ Gell, du frisst mich nicht.

      Gell, du bist eine brave Pflanze.“

      Kurze Zeit später im Auto waren von Zwergnase folgende Worte zu vernehmen: „Du hast keinen Hunger. Wenn du brav bist, kriegst du daheim etwas zum Essen. Versprochen!“

      Marco hingegen war vollkommen ruhig und starrte seine Pflanze die ganze Fahrt über an. Er ließ sie keinen Augenblick aus den Augen.

      Mittlerweile hat Benjamin Freundschaft mit seiner Pflanze geschlossen. Gleich daheim angekommen, gab er ihr was zum Fressen. Nein. Nicht seinen Finger, sondern eine Fliege, die er extra für die Pflanze erlegt hatte. Nur seine neu gewonnene Freundin, die Venusfliegenfalle, schien sein Geschenk zunächst zu verschmähen. Denn nach einer Woche lag die Fliege noch immer unberührt zwischen den zwei Blättern. Dann