An die Totgeborenen Teil 2 - Das letzte Ziel. Gregor Samsa. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregor Samsa
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752953770
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      Inhaltsverzeichnis

       Buchtitel und Impressum

       Das Meer

       Robinson Crusoe

       Das Haus des Glücks

       Nachtkerzen

       Die Arena

       Das Fort in der Wüste

       Sehnsucht

       Der Palast

       Das letzte Ziel

       Der Park

       Traum

       Institut zur Behandlung von Selbstmördern

       Ziel

       Protokoll

       Passbild

       Mahlzeit

       Glasträume

       Menschliches Problem

       Das Loch

       Hansi, der Kanarienvogel

       Menetekel

       Über den Autor

       Danksagung und Ausblick

      Gregor Samsa

      Teil 2 – Das letzte Ziel

      Ihr Leben lang

      waren sie auf der Suche

      und die ganze Zeit

      trennte sie vom letzten Ziel

      ein einziger Schritt

      Bereits erschienen:

      1. und 2. Auflage, Berlin, 1979 und Juni 2004

      Jürgen Boose Verlag, ISBN 3-922377-62-9 und 978-3922377627

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Urheberrecht, Herausgeber, Titelbild, Korrektorat, Satz und Verlag: Ruth Boose, 2020, Berlin

      Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Kontaktaufnahme: [email protected]

      Das Meer

      Mittag war vorüber. Die Schatten krochen wieder unter den Häusern hervor und glitten die Fassaden hinauf gleich feuchten schwarzen Polypen. Einsam ging ich durch die menschenleeren Straßen. Die blinden Fenster schauten trostlos auf mich herab, sodass ich für Sekunden glaubte, die Stadt sei ausgestorben, leergefegt durch eine unheimliche Seuche, die alle Bewohner dahingerafft hat.

      Ich bin auf der Flucht. Ich muss die Adresse aufsuchen, die mir die Organisation genannt hat, damit ich mithilfe des Verbindungsmannes über das Meer entkommen kann.

      Immer tiefer dringe ich ein in das Gewirr enger winkliger Gassen, die den Blick in die Ferne verwehren. Hohl schallt das Echo meiner Tritte auf dem holprigen Pflaster. Hoch über mir kreist eine Möwe. Ihre heiseren Schreie stehen unsichtbar in der Luft.

      Ich durchschreite dunkle Toreinfahrten und winzige Höfe. Modriger Geruch wie von faulendem Tang schlägt mir entgegen. Die schmutzigen windschiefen Fassaden wirken bedrohlich in dem gespenstischen Mittagslicht. Was verbergen sie hinter den vernagelten Fenstern? Wer versteckt sich hier in dieser Geisterstadt, wo die Zeit scheinbar stillsteht und das Vergessen aus feuchten Kellern emporsteigt und die Einwohner lebend begräbt? Mir ist, als müsste sich jeden Augenblick eine Tür auftun, ein dürrer Arm nach mir greifen und mich für immer in die Finsternis sterbender Gemäuer reißen.

      Ich bleibe stehen, halte den Atem an und lausche. Nichts regt sich. Die Häuser schweigen. Müde flattert vergilbte Wäsche auf den niedrigen Dächern. Irgendwo in der Ferne weint ein Kind. Ich vernehme auf einmal mein Herzklopfen. Unwillkürlich drücke ich mich in den Schatten der Haustür.

      Ich gehe eine steile, halbverfaulte Holztreppe hinauf. Das Geländer fehlt. Laut knarren die Stufen wie der gequälte Aufschrei eines unsichtbaren Wesens. Ich steige bis unters Dach und klopfe. Alles wirkt verfallen. Ich kann noch immer nicht recht glauben, dass hier Menschen hausen. Da vernehme ich vorsichtige Schritte. Die Tür öffnet sich eine Handbreit, ein misstrauisches Gesicht schiebt sich in den Spalt. Ich sage das Kennwort. Der andere zögert einen Moment, dann lässt er mich eintreten.

      Er führt mich durch einen dunklen Korridor in ein kleines Zimmer. Altmodische Möbel stehen umher. Der Putz an den Wänden ist teilweise schon abgebröckelt. Auf allem liegt eine Staubschicht, so als wäre der Raum seit Langem nicht mehr benutzt worden.

      Ein ungutes Gefühl ergreift mich; irgendetwas stört mich. Dieser vierzigjährige Mann mit den sorgfältig gekämmten Haaren und dem aalglatten Gesicht passt nicht in diese Umgebung. Sein schäbiger Anzug wirkt künstlich wie ein schlechtes Theaterkostüm. Ob ich ihm trauen kann? Was bleibt mir anderes übrig. Allein kann ich es nicht schaffen, ich bin auf Hilfe angewiesen.

      „Was wünschen Sie?“

      „Ich brauche ein Boot. Ich muss übers Meer.“

      Schweigen.

      Es ist nicht zu erkennen, was hinter seinem Gesicht vorgeht.

      „Seien Sie in einer Stunde in dem kleinen Fischerdorf, das am Straßenrand liegt. Ich will sehen, was ich tun kann.“

      Ein gleichgültiges Lächeln entblößt seine Goldzähne. Er schiebt mich zur Tür hinaus, von der die letzten Reste Farbe abblättern.

      Ich bin froh, wieder draußen zu sein. Rasch steige ich die steile, halsbrecherische Treppe hinunter und trete ins Freie. Die Sonne ist verschwunden. Doch ist keine Wolke zu sehen. Vielmehr ist