RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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Rayan vergingen die folgenden Monate rasend schnell vorbei.

      Er genoss es, weiterhin die Wüstenpatrouillen unternehmen zu können. Mit einigen der Soldaten hatte er inzwischen sogar ein ganz gutes Verhältnis aufgebaut. Sie sahen in ihm nicht länger den „Halbwilden“ und er seinerseits wusste ihren Charakter immer besser zu verstehen. Früher hatte er ihre Art, Witze über alles und jeden zu machen, nie nachvollziehen können. Mittlerweile war ihm diese Eigenschaft sogar irgendwie ans Herz gewachsen, weil er merkte, dass sie nicht nur über andere, sondern meistens über sich selber lachen konnten.

      Ein besonders inniges Verhältnis hatte er zu Julie aufgebaut.

      Manchmal stellte er sich vor, dass sie so war, wie seine verstorbene Mutter gewesen wäre.

      Das Schönste an ihr war, dass sie nie viele Fragen stellte und beide gemeinsam schweigen konnten. Natürlich war ihm ihre Besorgtheit oft etwas lästig, aber im Grunde genoss er es endlich einmal einen Menschen zu haben, der ihn umsorgte.

      Sie vermissten Clara, jeder auf seine Weise. Und da sie dies wussten, auch ohne offen darüber zu reden, fühlten sich beide nicht mehr so verloren wie am Anfang.

      Julie hatte auch seine Unterrichtsstunden, die er früher mit Clara gemacht hatte, aufgenommen und so lasen sie stundenlang in englischen Büchern, diskutierten danach, was sie gelesen hatten oder sie ließ ihn Aufsätze schreiben.

      Der General dagegen war häufig auf Reisen. Wenn er aber da war, nahm er sich viel Zeit für Julie und versuchte ihr seinerseits zu helfen, wo es ging.

      Doch wie alles Schöne, schien auch diese Etappe in Rayans Leben zu enden, als der General eines Tages im Juni, etwa fünf Monate nach ihrem „Deal“ von einer Reise nach Hause kam.

      Er begrüßte Julie kurz, dann sagte er zu dem Jungen mit ernstem Gesicht: „Ich muss mit dir reden.“

      Sie gingen beide hinaus in den Garten.

      Der General wartete nicht lange, sondern kam wie üblich direkt zum Thema. Mit schneidender Stimme sagte er: „Du hast mich belogen!“

      Rayan merkte, dass er außer sich vor Wut war und Mühe hatte, nicht laut zu schreien. Er hatte keine Ahnung, was Jack meinte und so schwieg er erst einmal.

      Die Art und Weise wie der General plötzlich mit ihm sprach, gefiel ihm überhaupt nicht, denn er fühlte sich zu Unrecht derart angegriffen.

      Aber er musste nicht lange auf eine Erklärung warten, denn der General fuhr fort: „Weißt du wen ich gestern gesehen habe? Deinen Vater! Höchst lebendig!!“

      Rayan fühlte sich, als hätte Jack ihn mit einem Eiskübel übergossen. Wie groß war die Chance, dass Jack auf seinen Vater traf? Konnte das wirklich wahr sein?!

      Jack unterbrach seine Gedanken, indem er fortfuhr, diesmal mit vor Ironie triefendem Tonfall: „Wie war das? Er ist tot? Ha! So sah er aber überhaupt nicht aus. Schlecht getroffen hast du es außerdem auch nicht, was? „Yasin - Sohn des Scheichs“?? Oder soll ich 'mein Prinz' zu dir sagen??“

      Bei den letzten Worten deutete er sarkastisch eine kleine Verbeugung an. Seine Augen flammten und seine Wangen hatten eine rötliche Färbung angenommen. Rayan hatte ihn noch nie so wütend gesehen.

      Doch die Anschuldigungen trafen ihn so tief, dass ihm der Zorn des Generals egal war. Er selbst fühlte eine eiskalte Wut in sich hochsteigen. Wie immer in diesen Momenten wurde das Blau seiner Augen eine ganze Nuance dunkler. Jeder, der ihn kannte, wusste, dass er jetzt gefährlich war und man ihn besser nicht weiter reizen sollte.

      Und so richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und sagte voller gekränktem Stolz mit eiskalter Stimme: „Du hast dein Urteil gefällt! Dann ist das ja offenbar geklärt und wir haben uns nichts mehr zu sagen.“

      Wortlos drehte er sich um und ging ins Haus.

      2014 - Oase Wahi - Die Bestrafung

      Rayan blickte überrascht auf, als Hanif nach einer halben Stunde nochmals zu ihm ins Zelt kam. Er hatte seine gute Laune wieder gefunden, nachdem er eine so zufriedenstellende Lösung für das Problem mit ihren beiden unerwarteten Gästen gefunden hatte.

      Mit ein wenig Glück würden sie in sechs Tagen in Alessia sein, wo sie beide, den Händler und die Frau, loswerden würden. Hoffentlich ohne dass je ein anderer als sie drei wussten, dass „Hassan“ in Wirklichkeit kein Mann war.

      Und dann seine Idee mit der Behinderung. Eine gute Ausrede für ihre fehlenden Sprachkenntnisse, aber noch wichtiger war: Es würde ihren Stolz ankratzen, da war er sich sicher.

      Er saß wieder über seinen Plänen, aber er ertappte sich dabei, dass seine Gedanken zu dieser unglaublichen Frau abschweiften.

      So hatte er den Wortwechsel mit Hanif fast vergessen, er hatte angenommen, dass sein Reiterführer gemerkt habe, dass er aufgrund der guten Lösung nicht mehr wütend auf ihn war.

      „Ich bin gekommen, Herr, wie ihr befohlen habt, um meine Strafe in Empfang zu nehmen“ und er kniete sich vor Rayan hin.

      Der Scheich war verlegen. Er hatte sich, entgegen seiner ursprünglichen Vorsätze, doch zu einer unfairen Äußerung hinreißen lassen, die er nun bereute. Er wollte Hanif nicht bestrafen.

      Manchmal war das Leben ganz schön kompliziert!

      Und so forderte er Hanif auf, aufzustehen. „Hanif, bitte! Wir haben eine gute Lösung für alle gefunden. Es gibt keinen Grund mehr, noch weiter auf dieser albernen Diskussion herumzureiten. Lass es uns einfach vergessen. Ich muss mich bei DIR entschuldigen! Ich hätte wegen dieser dummen Geschichte nicht deine Loyalität anzweifeln dürfen. Es tut mir leid.“

      Doch wenn Hanifs Stolz verletzt war, dann war er absolut uneinsichtig, das wäre ihnen vor 13 Jahren schon einmal fast zum Verhängnis geworden.

      Und so stand er zwar auf, wie ihm geheißen war, doch er sagte steif: „Jassim hat meine Respektlosigkeit mitbekommen. Jeden der Männer würden wir dafür auspeitschen. Ich will nicht, dass für mich eine Ausnahme gemacht wird. Das würde unsere Regeln brechen und mich als Anführer unglaubwürdig machen.“

      Rayan musste sich bemühen, nicht den Mund offen stehen zu lassen. Die Sturheit von Hanif war wirklich unglaublich. Er hatte sich gerade bei ihm entschuldigt! Er hatte sich in seinem Leben noch nicht oft bei irgendwem entschuldigt.

      Er sah in Hanif seinen Freund und Berater. Würde er ihn nun auspeitschen, würde das einen tiefen Riss in ihre so mühsam erarbeitete Freundschaft reißen.

      Andererseits würde Hanif nie nachgeben, wenn er sich nicht etwas einfallen lassen würde. Dann hatte er eine Idee.

      „Du beharrst also absolut darauf, dass dieses Vergehen mit der Peitsche bestraft werden muss?“

      Hanif nickte stumm.

      „Und hältst du fünf Hiebe für ausreichend?“ fragte der Scheich ruhig.

      Hanif schluckte, nickte aber.

      „Und du wirst die Strafe, die ich dir auferlege, annehmen und danach ist das Thema erledigt?“

      Wieder nickte Hanif: „Ja, Herr.“

      Nun nickte Rayan. Dann ging er in eine der Ecken des Zeltes und holte seine Peitsche aus seiner Tasche.

      Er nahm den kleinen Holzschemel, auf dem er vorhin gesessen hatte, und stellte diesen in die Mitte des Zeltes.

      Hanif kam näher und wollte sein Gewand ausziehen. Doch Rayan hielt ihn zurück. Stattdessen zog er sein Gewand aus und drückte Hanif die Peitsche in die Hand.

      „Fünf Hiebe – von dir auszuführen", sagte er bestimmt.

      Hanif stand wie erstarrt mit der Peitsche in der Hand: „Was?“

      Rayan lächelte kalt: „Ich habe vorhin nicht gesagt, wer die Hiebe bekommt und wer sie ausführt.“

      Und er kniete sich neben dem Stuhl