RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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hatte, schien die Geschichte, die sie ihm erzählte, zu stimmen.

      Aber dann dachte er weiter nach: „Trotzdem. Was wollen Sie bloß dort? Was glauben Sie denn, was die Reiter tun sollen? Sie mitnehmen? Wohin? Nach Zarifa? Mitten ins tiefe Herz der Rub’al Khali - Wüste? Mit Sicherheit nicht! Haben Sie nicht gehört, dass Fremde dort keinen Zugang haben?“

      So genau hatte Carina darüber noch gar nicht nachgedacht. Aus einem Impuls heraus sagte sie deshalb: „Nein, nicht den ganzen Weg bis nach Zarifa, aber immerhin einen Teil der Strecke. Bis ich genug Info für mein Buch über ihn gesammelt habe!“

      Hatem gab ein abfälliges Geräusch von sich: „So? Ein Buch schreiben Sie? – na, das wird den Scheich aber freuen. Wie ich gehört habe, liebt er Publicity.“ Seine Stimme triefte vor Hohn.

      Carina reichte es jetzt mit diesem aufdringlichen Fremden: „Wissen Sie was? Ich brauche Sie nicht. Ich habe Sie auch nicht eingeladen, mir zu helfen.“ Sie wollte sich schon wieder abwenden, um zu gehen, als ihr noch etwas einfiel, was sie als Trumpf ausspielen konnte:

      „Ihr Volk glaubt doch an Schicksal, oder? Nun ich auch! Oder glauben Sie wirklich, dass es Zufall sein kann, dass ausgerechnet ich, die ich aus München in Deutschland hierher reise, um Informationen über den Scheich zu sammeln, ihn im Flieger kennen lerne? Von München hierher - Zufall? Und auch noch sein Leben rette? Wie ich gehört habe, fliegt er sonst immer mit seiner Privatmaschine, doch die war kurzfristig kaputt!“ In Gedanken dankte sie dem unsympathischen Anwalt, der ihr dieses Detail verraten hatte. „Alles Zufall? Wenn Sie das glauben, dann ok. Ich glaube, dass es Allahs Wille war!“

      Sie hatte zwar etwas dick aufgetragen, merkte aber, dass sie einen Treffer gelandet hatte.

      „So, nun wünsche ich Ihnen noch schöne weitere Geschäfte! Ich habe zu tun, einen Weg zu finden, ihm nachzureisen.“

      Hatem merkte, dass sie tatsächlich an das glaubte, was sie da sagte und er sie auf keinen Fall von ihrer fixen Idee abhalten konnte.

      Plötzlich änderte Carina ihre Taktik: „Kennen Sie eigentlich den Scheich persönlich?“ Hatem schüttelte den Kopf. Er hatte bisher immer nur mit seinen Männern zu tun gehabt, nie mit ihm persönlich. „Ich verhandle immer mit einem Mann namens Mazin. Er ist der Kontaktmann des Scheichs hier in Dubai. Warum?“

      „Würden Sie ihn denn nicht gerne kennenlernen?“

      Hatem ertappte sich dabei, dass ihn die ganze Geschichte reizte. Wenn er diese wildgewordene Dame nicht mit etwas betäuben und in einem Zimmer einsperren wollte, musste er ihr irgendwie helfen, damit sie nicht wieder an die falschen Leute kam.

      Er erwog einige Sekunden lang noch einmal die doch verlockende Idee, die Frau einfach außer Gefecht zu setzen, aber er hatte Angst, was sie hinterher tun würde. Die Polizei hier verstand keine Witze in solchen Fällen, vor allem, wenn es sich um eine Touristin handelte.

      „Also gut, hören Sie zu. Morgen früh geht hier eine Karawane los. Wie Sie von Ihrem sauberen Freund vorhin schon gehört haben, müssen tatsächlich alle, ob mit dem Pferd oder dem Kamel, via Wahi reiten. Ich schaue einmal, ob ich etwas für Sie arrangieren kann. Aber ich verspreche nichts!“

       Und die beiden verabredeten sich für den Abend. Carina sollte kurz vor Einbruch der Dunkelheit noch einmal zu ihm an den Laden kommen.

      1990 - Rabea Akbar - Eine neue Rangordnung

      Im Oktober 1989 hatte Rayan die Gebirge rund um Zarifa verlassen.

      Da er das Bergland und auch die umliegenden Wüstengebiete kannte wie seine Westentasche, war es kein Problem gewesen, sich zur nächsten Oase durchzuschlagen. Dort hatte er sich einer Karawane nach Rabea Akbar angeschlossen. Rabea Akbar lag südlich von Zarifa, gehörte noch immer zum Gebiet der Rub’al Khali - Wüste. Ursprünglich war es eine große Oase gewesen, wie so viele andere Orte auch, aus der sich dann im Laufe der Zeit eine Stadt entwickelt hatte.

      Der Karawanenführer, der selber drei Söhne daheim hatte, hatte Mitleid mit ihm gehabt und ihn als „Hanta“ mitgenommen. Hanta nannte man dort die Männer, die die Kamele versorgten. Meist handelte es sich um Jungen wie Rayan, die sich so die Passage verdienten, obwohl sie sich kein eigenes Kamel leisten konnten.

      In Rabea Akbar hatte er einige Tage die Gegend erkundet. Er war zuvor noch nie dort gewesen. Er hatte Zarifa bisher lediglich zwei bis dreimal verlassen, um die Männer bis zu den umliegenden Oasen zum Handeln zu begleiten.

      „Dein Englisch ist gut, geh nach Rabea Akbar zu den Amerikanern“, hatte sein Großvater ihm geraten. Bevor er Rayans Großmutter kennengelernt hatte, hatte er als Hanta und als Wüstenführer im amerikanischen Stützpunkt in Rabea Akbar gearbeitet.

      „Bei den Amerikanern bist du sicher, da interessiert sich kein Mensch dafür, wo du herkommst. Und deine Augenfarbe wird dort auch nicht so auffallen wie überall anders. Du solltest aber vorsichtshalber deinen Namen ändern. Nenn dich Yasin – das war der Name meines Vaters, also deines Urgroßvaters.“

      Und zum zweiten Mal hatte er Glück gehabt. Als er Anfang des Jahres 1990 im Januar in Rabea Akbar ankam, war der Führer, den sie dort sonst angestellt hatten, überraschend schwer erkrankt. Vermutlich aufgrund schlechten Wassers, sodass der amerikanische Sergeant, der für die Wüstenerkundungen zuständig war, schnell Ersatz brauchte und kaum Fragen stellte. Im Gegensatz zum alten Führer schien dieser hochgewachsene Junge einigermaßen gut Englisch zu verstehen, was die Kommunikation erleichterte.

      So kam Rayan, der sich jetzt tatsächlich Yasin nannte, zu einem kleinen Schlafplatz im Stützpunkt, gleich neben den Baracken der Soldaten.

      Es fiel ihm nicht schwer sich anzupassen, jedoch gab es einen Punkt, der ihm anfangs sehr zu schaffen machte: Als Prinz der Wüste geboren, war er es gewohnt, dass die Bediensteten sich vor ihm verneigten. Nun war es an ihm, sich vor seinen amerikanischen Herren zu verneigen. Das kränkte seinen Stolz. Vor allem, weil einige der Soldaten den Eingeborenen gegenüber eine Arroganz an den Tag legten, die ihn innerlich kochen ließ. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Gefühle zu bezwingen und er peinigte sich in diesen Momenten selbst, indem er sich ins Gedächtnis rief, dass er keineswegs mehr der Sohn eines Fürsten war, sondern ein Ausgestoßener, Heimatloser, ja ein Verräter.

      Er konnte froh sein, dass alle ihn für tot hielten. Er hatte es schon erlebt, wie Verräter gebrandmarkt wurden, bevor man sie ins Exil schickte. Diese Männer waren Freiwild für alle und in der Rangordnung an unterster Stelle. Insofern konnte er also zufrieden sein und musste von seinem hohen Ross herabsteigen.

      2014 - Am Stadtrand von Dubai - Auf ins Abenteuer

      Als die Karawane endlich loszog, fragte sich Hatem zum hundertsten Male, ob er das Richtige tat. Doch er tröstete sich damit, auf die Kette der Frau verweisen zu können. Bewies er nicht gerade dem Scheich einen großen Dienst? Schließlich sorgte er dafür, dass sie wohlbehalten ankam.

      Er hatte gleich nach dem Gespräch am Nachmittag den Karawanenführer ausfindig gemacht und mit ihm gesprochen. Doch der hatte sich kategorisch geweigert eine Frau – eine Ausländerin, die seine Sprache nicht verstand! - alleine mitzunehmen. Seine Verantwortung lag bei der gesamten Gruppe, da konnte er keinen brauchen, der im Notfall nicht verstand, was er anwies.

      Somit hatte sich Hatem kurzerhand auf ein waghalsiges Abenteuer eingelassen, seinen Laden zugesperrt und Vorbereitungen für sie beide getroffen. Wie Carina vermutet hatte, glaubte er fest an Schicksal und dass Allahs Wege vorherbestimmt waren. Die Geschichte mit der zufälligen Bekanntschaft konnte er einfach nicht glauben. War er somit nicht sogar noch ein Instrument Allahs? Doch er wollte nicht blasphemisch werden …

      Und außerdem: Was konnte schon passieren? Wahrscheinlich würden die Krieger des Scheichs ohnehin schon weg sein, bis sie ankamen. Sie hatten immerhin 24 Stunden Vorsprung. Außerdem bestand die Karawane aus circa 300 Kamelen, sie würden im Vergleich zu den Reitern erheblich langsamer sein!

      Sie hatten sich eine Stunde vor Tagesanbruch getroffen,